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Einfach mal abgezogen. Eder schießt ein Tor für die eigene Unsterblichkeit.

© dpa

Frankreich im EM-Finale geschlagen: Portugal wird dank Eders Tor Europameister

In einem dramatischen Finale zerstört Portugal den Traum des Gastgebers Frankreich vom Titel. Zum Helden wird dabei ein Nebendarsteller.

Erst weinte Cristiano Ronaldo, dann Frankreich – und Europa langweilte sich. Portugal gewann das Finale der Fußball-EM sensationell mit 1:0 nach Verlängerung gegen Frankreich. Das Ende war dramatisch, mit dem späten Siegtor in der 109. Minute durch den eingewechselten Eder, aber das konnte nicht kaschieren, dass 75 868 Zuschauern im Stade de France ein Spiel von nicht mal mäßiger Qualität erlebt hatten. Damit passte das Finale ganz gut zum bescheidenen Niveau des gesamten Turniers.

Es war die Nacht der Motten, die zu Zehntausenden durch das Stade de France schwirrten, weil ein Schlaumeier darauf bestanden hatte, das Licht in der Nacht zuvor anzulassen. Vor allem aber war es die Nacht der Tränen des Cristiano Ronaldo. Portugals Weltstar wurde früh und verhängnisvoll von Dimitri Payet am Knie getroffen und verließ den Platz nach zwei vergeblichen Rückkehrversuchen nach nicht einmal einer halben Stunde. Das Finale hatte schon in der Anfangsphase einen seiner Stars verloren und damit auch die Hoffnung auf ein würdiges Spektakel.

Einen normalen Verlauf hatte dieses Spiel nicht einmal zehn Minuten lang. Frankreich gegen Portugal, das war ja auch das Duell zwischen Antoine Griezmann und Cristiano Ronaldo, den überragenden Offensivbegabungen beider Mannschaften. Doch dieses Duell war beendet, bevor Ronaldo einen ersten Sprint angezogen, ein Dribbling versucht und einen Schuss abgegeben hatte. Schuld daran war ein Franzose, der kaum im Verdacht übermäßiger Härte steht. Doch es war eine Attacke eben jenes Dimitri Payet, die das Spiel entscheidend prägte.

Es waren gerade sieben Minuten gespielt, als Ronaldo im Niemandsland des diffusen Mittelfelds an den Ball kam. Er stoppte und zog ihn mit der Sohle zurück, da preschte von hinten Payet heran. Er traf mit dem linken Fuß den Ball, mit dem rechten Knie allerdings das linke von Ronaldo, und das mit voller Wucht. Der Portugiese schrie schon im Fallen, er wurde erst ein paar Minuten auf dem Platz behandelt und dann auch jenseits des Kreidestrichs. Niemand unterstellt dem Franzosen Absicht, aber diese Links-Rechts-Kombination sah nicht nach Zufall aus. Schiedsrichter Mark Clattenburg entschied nicht mal Freistoß.

Ronaldo humpelte gerade zurück auf den Platz, da wären die Franzosen beinahe in Führung gegangen. Wieder hatte Payet den Fuß im Spiel. Seine Flanke fand Griezmann, dessen Kopfball Rui Patricio mit einer artistischen Parade über die Latte lenkte. Nach Payets anschließendem Eckball kam es erneut zu einer Kopfballchance, diesmal durch Olivier Giroud, aber Rui Patricio hatte keine Mühe. Alle Augen aber richteten sich auf Ronaldo, der mit schweren Schritten und eckigen Bewegungen über den Platz schlich. Er versuchte einen Sprint anzuziehen, brach ihn aber ab, setzte sich auf den Rasen und streckte beide Beine von sich.

Die Portugiesen taten fast gar nichts für das eigentliche Spiel

Wieder pfiffen die Franzosen, sie hatten die Zeitlupe nicht gesehen und wähnten wohl eine Schauspieleinlage des eitlen Portugiesen. Auf dem Platz eilten alle Mannschaftskollegen zu ihrem Kapitän, um ihn aufzumuntern oder zu trösten, die Grenze war fließend. Eine Kamera fing Ronaldos Gesicht ein, wie er auf dem Rasen saß und weinte – eine Motte schwirrte um seine Augen. Wieder eilten die Ärzte zur Behandlung, diesmal verpassten sie Ronaldo einen grauen Verband.

Ein Schuss, ein Tor - Eder trifft zum Sieg für Portugal.
Ein Schuss, ein Tor - Eder trifft zum Sieg für Portugal.

© Reuters

Ein weiteres Mal kam er zurück auf den Platz, begleitet vom Stakkato „Cristiano Ronaldo!“ der portugiesischen Fans, die französischen pfiffen schon wieder, aber Ronaldo nahm beides nicht wahr. Er versuchte es fünf quälend lange Minuten, dann hob er den Arm und wedelte mit dem Zeigefinger zur Bank und riss sich die Kapitänsbinde vom Arm. Es war vorbei. Auf der Trage wurde Cristiano Ronaldo vom Platz geleitet und verdeckte mit beiden Händen das Gesicht, damit die ihn begleitenden Fernsehkameras nicht die Tränen einfingen, die er ganz offensichtlich weinten. Immerhin jetzt wurde er auch von den Franzosen mit Beifall verabschiedet.

Für ihn brachte Trainer Fernando Santos den alten Haudegen Ricardo Quaresma, aber natürlich kann so ein Ausnahmespieler nicht einmal annähernd angemessen ersetzt werden. Die Portugiesen wirkten wie gelähmt und brachten minutenlang kaum etwas zustande.

Seltsamerweise gerieten auch die Franzosen aus dem Tritt. Allein Moussa Sissoko brachte die tief stehenden Portugiesen mit seinen Sprints und Schüssen zuweilen in Verlegenheit. Didier Deschamps' Frankreich fehlte der Esprit, den es gegen Deutschland zumindest zeitweise gezeigt hatte. Griezmann war kaum zu sehen und auch Payet, im Unterbewussten vielleicht gehemmt nach seinem verhängnisvollen Tritt gegen Ronaldo, blieb weit unter seinen Möglichkeiten. Nach einer Stunde machte er Platz für den Münchner Kingsley Coman, und diesmal pfiffen die portugiesischen Fans.

Die Portugiesen taten fast gar nichts für das eigentliche Spiel, den Franzosen fiel nichts ein. Griezmann hatte eine Mini- Chance aus halblinker Position und eine riesengroße, als er nach Comans Flanke allein am Fünfmeterraum einen Kopfball knapp verzog. Dann versuchte es Coman selbst, aber Rui Patricio parierte großartig, wie auch später bei Sissokos Distanzschuss. In der Nachspielzeit der regulären Spielzeit hätte es beinahe doch noch gereicht. Der für Giroud eingewechselte André-Pierre Cignac ließ Pepe mit einer perfekten Drehung aussteigen und machte auch danach alles richtig, mal abgesehen davon, dass er den Ball nicht ins Tor, sondern an den linken Pfosten schoss.

Zur Pause vor der Verlängerung kam der bandagierte Ronaldo auf den Rasen zurück und herzte alle Mitspieler. Es waren dann auch die Portugiesen, die noch einmal aufdrehten. Erst traf der künftige Dortmunder Raphael Guerreiro mit einem allerdings unberechtigten Freistoß die Latte. Und dann kam Minute 109 und der große Auftritt des Éderzito António Macedo Lopes, genannt Eder. Er schüttelte Samuel Umtiti ab und wuchtete den Ball aus 20 Metern mit dem linken Fuß in die linke Ecke. Als erster Gratulant humpelte auch Ronaldo auf den Platz. Und zur Pokalübergabe bekam er auch die Kapitänsbinde von Nani zurück.

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