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Sport: Frau Fischer und die Mädchen

Am Wochenende kehrt die erfolgreichste Kanufahrerin der Welt zurück – mit 42 Jahren

Berlin. In den vergangenen dreieinhalb Jahren hat Birgit Fischer eine neue Gegnerin bekommen. Diese Gegnerin ist von Jahr zu Jahr größer geworden, und jetzt macht sie Birgit Fischer richtig zu schaffen. Ihre neue starke Gegnerin ist die Unsicherheit. Denn seit Birgit Fischer Ende 2000 ihre Karriere beendete, hat sie nicht nur Muskelkraft verloren, sondern auch Wissen über ihre Sportart. Sie kann ihre eigene Leistung nur noch schwer einschätzen, und die ihrer Gegnerinnen schon gar nicht.

Dennoch will es Birgit Fischer noch einmal versuchen. Sie will herausfinden, ob sie auch mit ihren 42 Jahren noch schnell genug ist für die Weltspitze. Am Wochenende fährt Birgit Fischer in Duisburg zum ersten Mal wieder um die Wette, weil sie sich für die Olympischen Spiele in Athen qualifizieren will. Es wären ihre sechsten Spiele. „Ich bin nicht ganz zufrieden mit meiner Vorbereitung, aber ich bin erst einmal froh, dass ich starten kann und nicht verletzt bin“, sagt sie.

In ihrer langen Karriere war sie meistens selbst ihre härteste Gegnerin. Sie konnte oft nur an sich selbst scheitern, weil sie einfach besser war als die anderen. So hat sie es zu sieben olympischen Goldmedaillen gebracht. Sie ist damit Deutschlands erfolgreichste Sportlerin und in ihrer Sportart ohnehin die bisher beste Athletin. Ihr Vorteil war ihr unglaublicher Ehrgeiz. Sie könnte sich zum Beispiel nicht vorstellen, einfach so mit dem Golfspielen anzufangen. „Da gibt es kein Olympia. Ich will mich im Sport immer mit den Besten der Welt auf der höchsten Ebene messen.“

Dazu unternimmt sie jetzt noch einen letzten Versuch. Vor sechs Monaten hat sie der Neugier nachgegeben, die Grenzen ihres Körpers noch einmal neu zu erfahren. Seitdem bereitet sie sich auf die Olympiaqualifikation vor. Sie hat dabei fast alles selbst organisiert. In einem kargen Kellerraum hat sie Gewichte gestemmt. „Ich bereite mich ohne High-Tech vor“, sagt sie, „und ich versuche, so wenig Wege wie möglich zu machen.“

Sie will sich schließlich um ihre zwei Kinder kümmern und ist außerdem dabei, ein Unternehmen für Kanutourismus aufzubauen. Kanufahren ist auch dann ihr Lebensinhalt, wenn es um ein Erlebnis geht, nicht um ein Ergebnis. „Ich war schon immer eine, die nahe an der Schilfkante gefahren ist und die Vögel beobachtet hat“, erzählt Fischer.

Doch der Kanutourismus hat noch Zeit. Erst einmal will sie noch Rennen fahren, vor allem olympische. Ihre Chancen kann sie kaum einschätzen. Beim Trainingslager in Sabaudia in Italien paddelte sie hinter ihren deutschen Konkurrentinnen hinterher. „Ich würde gerne bessere Zeiten im Training fahren“, sagt sie. Vergleichsmöglichkeiten habe sie nicht. „2000 gab es noch nicht das schmale Boot, mit dem wir jetzt fahren.“

Katrin Borchert dürfte sich nicht über Fischers Rückkehr gefreut haben. Sie war 1993 nach Australien ausgewandert, nicht zuletzt, weil sie mit Fischer Schwierigkeiten hatte. Im vergangenen Jahr entschied sie sich, nach Deutschland zurückzukehren und muss sich nun auf einmal wieder mit Fischer auseinander setzen. „Ich war bei Birgit in Ungnade gefallen“, nannte Borchert als Grund für ihre Auswanderung. Schon Anfang der Neunzigerjahre hatte Birgit Fischer bei der Besetzung der Boote Machtworte sprechen können. Sie war bereits als Athletin eine heimliche Bundestrainerin, begünstigt auch durch ihre damalige private Verbindung mit Chefbundestrainer Josef Capousek. Als sie dann nach ihrer Karriere tatsächlich Bundestrainerin wurde, für den Nachwuchs, verlor sie schnell die Lust. Sie hätte sich nicht kreativ einbringen können, sagte Fischer.

Ihre Erfahrung nützt ihr jetzt bei der Olympiaqualifikation wenig. „Vielleicht kann mich das einen Platz nach vorne bringen, aber körperliche Schwäche gleicht es nicht aus.“ Sechs Monate Vorbereitung kommen ihr nun viel zu kurz vor. Doch den Respekt ihrer Konkurrentinnen spürt sie trotzdem. Ihre Gegnerinnen nennt Fischer meistens „die Mädchen“. Sie unterscheidet dabei nur zwischen den „jungen Mädchen“, die Anfang zwanzig sind, und den „gestandenden Mädchen“, Anfang und Mitte dreißig. Wenn sie schon nicht mehr die beste ist, dann will Birgit Fischer wenigstens die einzige Frau sein.

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