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Im Schein der Schale. Marion Bartoli präsentiert in Abendgarderobe ihre Wimbledon-Trophäe.

© afp

Frauen im Sport: Das Kurnikowa-Prinzip

Die Anfeindungen gegen Wimbledon-Siegerin Marion Bartoli zeigen: Sportlerinnen werden immer noch nach ihrem Äußeren bewertet.

Marion Bartoli kämpft, schwitzt und drischt die Bälle Sabine Lisicki entgegen, die kaum hinterherkommt. Verdient hat die 28-jährige Französin in Wimbledon gewonnen und doch scheint für viele Zuschauer das Spiel belangloser zu sein als Äußerlichkeiten. Es ist offensichtlich, dass sich Bartoli nicht in die Riege blonder Athletinnen wie Wimbledon-Finalistin Lisicki und der früheren Turniersiegerin Maria Scharapowa einreihen lässt.

Das wird im Internet negativ bewertet. Bereits während des Endspiels kursieren hämische Kommentare im Netz. Ihre Spielweise ist nur bedingt Thema, vor allem ihre eher kräftige Statur erhitzte die Gemüter. Während die blonde, schlanke Lisicki im Kurznachrichtendienst Twitter gern als favorisierte Bettgefährtin betitelt wird, gehen die Bemerkungen über Bartoli in die entgegengesetzte Richtung. Auch der BBC-Radiomoderator John Inverdale fragt seine Hörer kurz nach dem Sieg Bartolis: „Meint ihr, Bartolis Vater hat ihr gesagt, als sie klein war: ,Du wirst nie ein Hingucker sein, du wirst nie wie Scharapowa aussehen, also musst du besonders hart kämpfen?’“

Kurz darauf entschuldigte er sich schriftlich bei der Weltranglisten-Siebten, doch die konterte bei einer kurzen Pressekonferenz selbstbewusst. Ob sie davon geträumt hätte, einen Modelvertrag zu bekommen? Nein. Habe sie davon geträumt, Wimbledon zu gewinnen? Absolut, ja. Und Inverdale argumentierte nun brav, er habe nur auf plumpe Art betonen wollen, dass Bartoli ein sehr gutes Vorbild ist. Sie sei der Beweis dafür, dass man keine Modelmaße haben muss, um ans sportliche Ziel zu kommen.

Dennoch schwingt die Reduzierung auf das Äußere immer noch mit. Gerade in der Presse behilft man sich gern mit markanten Beschreibungen der physischen Merkmale von Spielerinnen. So wurde Bartoli von der „Süddeutschen Zeitung“ als „Kampfkugel“ vorgestellt, was auch der Tagesspiegel später zitierte. Die Rundungen der Weltranglistenersten Serena Williams wurden ausgiebig in Boulevard-Zeitschriften besprochen, ihre Figur mal als abschreckendes Beispiel, mal als Erfolgsbeweis für diszipliniertes Training gepriesen.

Die Phrase des „Sex sells“ zählt auch im Sport. Die Betitelung der deutschen Fußballerinnen als „Kampflesben“ hielt lange in der Anonymität privater Geselligkeit an, für die Frauen-WM 2011 wurde sich deswegen richtig ins Zeug gelegt, um die erotische Ausstrahlung der Spielerinnen ins rechte Licht zu rücken. Schmink-Werbespots, Playboy-Aufnahmen – nichts wurde ausgelassen, um klarzumachen, dass „weibliche Anmut und Schönheit kein Widerspruch zu sportlichem Erfolg und Technik“ sind, wie Wolfgang Brenner betonte, der damalige Marketingleiter des für den Schminkspot verantwortlichen Elektrohändlers.

Simon Papendorf, Senior-Berater des Forschungsinstituts für Sportmarketing „Reprucom“, sieht im Tennis den Erfolg des Anna-Kurnikowa-Prinzips – hohe Medienwirksamkeit bei vergleichsweise geringer sportlicher Leistung – für überholt. Wie die repräsentativen Studien des Davie-Brown-Index (DBI) zur Beliebtheit von berühmten Persönlichkeiten zeigten, reiche Schönheit nicht mehr aus, um Faszination hervorzurufen. „Das Gesamtpaket muss stimmen, denn der Sportler hat – viel mehr als ein Schauspieler – eine Vorbildfunktion. Er repräsentiert eine eigene Identität mit Ecken und Kanten.“ Ein gewisses Äußeres sei zwar nach wie vor zuträglich, aber nicht mehr ausschlaggebend.

Dennoch führt in der DBI-Liste Maria Scharapowa, die Jahr für Jahr Millionenumsätze generiert. Marion Bartoli kämpfte bis vor kurzem noch um Sponsoren. Wenn das Kurnikowa-Prinzip tatsächlich nicht mehr gilt, müsste sich das nun ändern.

Pauline Piskac

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