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Glänzendes Gold. Mit neuen Trikots wollen die Fußballerinnen den Titel im eigenen Land holen.

© dapd

Frauen-Nationalmannschaft: Quälen macht Spaß

Die Frauen-Nationalmannschaft startet in die heiße Phase vor der WM im eigenen Land. Zunächst einmal wird Kondition gebolzt – und Basketball gespielt.

Das Piepen wird erbarmungsloser. In immer kürzeren Abständen schallt es durch das Trainingsstadion der Sporthochschule Köln, während die Spielerinnen der Fußball-Nationalmannschaft unermüdlich ihre Runden drehen. Wenn es piept, sollen sie einen bestimmten Punkt der Tartanbahn erreicht haben, und dafür müssen die Vierer- und Fünfergrüppchen am Schluss ganz schön Gas geben. Zurückbleiben will keine von ihnen. Denn dieser sonnige Dienstagmorgen, zehn Wochen vor Beginn der WM im eigenen Land, ist für Deutschlands beste Fußballerinnen der Tag der Wahrheit: Wie fit sind sie wirklich, will das Trainerteam des Deutschen Fußball Bundes (DFB) wissen.

„Nehmt bitte das andere Ohr, das tut echt weh langsam“, mault die Frankfurterin Melanie Behringer, als sie zum dritten Mal an den Stand der DFB-Spezialisten muss. Auch die anderen Spielerinnen reiben sich das Ohr, an dem ihnen alle drei Runden etwas Blut abgenommen wird, um zu sehen wie sich die Werte bei steigender Intensität verändern. Begeistert sind die Frauen davon nicht. Es wird ein wenig gemotzt und gejammert – doch sobald sie wieder auf der Bahn sind, breitet sich auf den Gesichtern der meisten Spielerinnen wieder ein zufriedenes Grinsen aus. Denn in Köln haben sich seit Montag erstmals alle 26 Nationalspielerinnen des vorläufigen Kaders versammelt und damit geht es endlich richtig los: das Projekt Titelverteidigung in Deutschland.

Doch dafür müssen sie sich erst einmal quälen. Der Leistungstest ist nur der Anfang des allgemein gefürchteten Lehrgangs von Konditionstrainer Norbert Stein. Entspannt lehnt der 57-Jährige an der Balustrade der Tartanbahn und überwacht den Ablauf des Tests, während sein Glatzkopf in der warmen Morgensonne glänzt. Auch ihm ist die Freude anzumerken. Stein betreut die Frauen seit 2006 und schwärmt von „idealen Bedingungen“. Zehn Wochen intensive Vorbereitung mit dem gesamten Team, davon können andere nur träumen. „Das hier ist die Königsklasse und ich genieße das“, sagt er. Anders als im Männerbereich hat die Frauenliga keine starke Position, weshalb der DFB ein sehr frühes Saisonende erreichen konnte. „Bei den Frauen ist es noch nicht so, dass in den Vereinen elf Spielerinnen auf Topniveau spielen“, sagt Norbert Stein und greift gleichzeitig dem Ergebnis seines Leistungstest vor, als er sagt: „Aber alle, die hier sind, kommen auf einem sehr zufrieden stellenden Level hier an.“ Die Frauen erwartet bis zum Eröffnungsspiel am 26. Juni im Berliner Olympiastadion ein striktes Lehrgangsprogramm, das immer wieder von vier Tagen Pause unterbrochen wird – zur Regeneration, aber auch, „damit sie keinen Lagerkoller bekommen“, erklärt Stein.

Davon ist war noch nichts zu spüren, als die Spielerinnen sich auf dem Rasen zum Fototermin im WM-Dress versammelten. Im neuen Outfit, bei dem etwas mehr Gold das übliche Schwarz und Weiß verziert, alberten die Damen herum und Torfrau Nadine Angerer sorgte wie immer für gute Stimmung, als sie an der aufgereihten Mannschaft vorbeilief und rief: „Ein bisschen mehr lächeln bitte.“

Während in Köln vor allem grundlegende Allgemeinkräftigung, Ausdauer und Koordination auf dem Programm stehen, wird es in der Folge der Vorbereitung immer technischer und taktischer. Dann kommt auch Nationaltrainerin Silvia Neid, die sich gerade mit einem grippalen Infekt herumplagt, mehr zum Einsatz. In dieser Woche jedoch ist der einzige Ball, den die Spielerinnen sehen werden, ein Basketball – in einer Einheit mit dem ehemaligen Nationalspieler Stephan Baeck. Um etwas Abwechslung in das anstrengende Kraftprogramm zu bringen, hat Norbert Stein außerdem eine Einheit Teakwondo eingeplant, bei der die Frauen vor allem Selbstbehauptung, Durchsetzungsfähigkeit und Fairness trainieren sollen.

Und am Samstag geht es schließlich die „Himmelsleiter“ hinauf: eine 220 Stufen hohe Holztreppe im Wald. Eigentlich sollte die im vergangenen Jahr abgerissen werden – und den Blicken von Babett Peter und Fatmire Bajramaj zufolge, hätte das keiner von ihnen etwas ausgemacht. „Ich finde das super“, sagt Bajramaj gequält ironisch. „Ich bin ja nicht so der Ausdauertyp.“ Doch auch eine Technikerin wie Bajramaj hat inzwischen gelernt, dass Fitness dazu gehört. „Wir haben klar definierte Ziele, da muss niemand motiviert werden“, sagt Norbert Stein. „Die WM im eigenen Land zu spielen, ist eine Chance, die wir alle nie wieder haben werden.“ Und dafür quält sich doch jede gern.

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