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Frauen und Männer: Schlagende Verbindung

Im gerade angelaufenen Film "66/67" hat der Schauspieler Christoph Bach fünf gute Kumpels. Sie schlagen sich - und ihre Liebe gilt dem gleichen Fußballverein. Und im wahren Leben? Hier überprüft Christoph Bach acht Thesen zum Thema Männerfreundschaft.

MÄNNER GEHEN HÄRTER MITEINANDER UM ALS FRAUEN

Stimmt, jedenfalls gibt es unter einigen meiner Freunde so eine liebevolle Diss-Kultur: Manchmal beschimpft man sich, aber mit Sympathie und Kennerschaft. Man zieht sich auf, rempelt verbal. Das macht Spaß, man ist mittendrin im Sprüche-Pogo. Die darin verpackte Kritik ist immer aufschlussreiches Futter für den Heimweg. Ein schönes Beispiel sind die Reaktionen auf meine Auftritte in einem Film. Das ist hochinteressant! Denn Freunde kennen einen gut und sind ein anspruchsvolles Publikum. Wie wird man von ihnen wahrgenommen? Glauben sie einem die Figur? Oder sagen sie: Das bist du nicht! Es kann aber auch sehr angenehm sein, mit Leuten befreundet zu sein, die sich nicht übermäßig für die Filme, die man macht, interessieren. Freunde, denen es egal ist, wie gut oder erfolgreich man im Beruf ist.

FREUNDSCHAFTEN UNTER MÄNNERN LEBEN VON DER ABGRENZUNG
Ich glaube, das ist eine Grundbedingung von Freundschaft, egal ob es um Männer oder um Frauen geht. In der Jugend lebt man das ja total, vor allem in Zweierfreundschaften, in denen man eine verschworene Einheit bildet und die Welt wie durch dasselbe Paar Augen wahrnimmt. Ich selbst hatte auch Freundschaften, in denen ich und der andere eine ganz eigene Sprache entwickelten, oder in denen eben ein Blick reichte, um eine ganze Situation gemeinsam zu erfassen und zu kommentieren. Zu zweit von der Welt nicht mehr verstanden zu werden, mit Vogelnestfrisur auf dem Kopf und beflügelt von namenlosen Substanzen – das kann wunderbar sein! Ich glaube, große Freundschaften brauchen ein Geheimnis. Und sie sind zeitweise hochexklusiv. Von außen betrachtet kann das mal bewundernswert, mal sehr seltsam wirken. Ich habe das auch schon erlebt, dass ich dachte: „Denen ist wirklich nicht mehr zu helfen!“ Oder eben: „So etwas will ich auch!“

MÄNNER REDEN NICHT ÜBER GEFÜHLE
Offenheit in einer Freundschaft ist wichtig, auch für Männer. Nur: Das braucht nach meiner Erfahrung ein wenig Zeit – und die Gewissheit, dass es albern oder sogar ein wenig feige wäre, nicht über seine Gefühle zu sprechen. Zumal wenn es einem schlecht geht. Auf die Figuren in „66/67“ trifft die These aber größtenteils schon zu, obwohl man immer wieder sieht, wie sie versuchen, über Gefühle zu sprechen. In dem Film geht es um eine Art Kameradschaft, wie sie vielleicht typisch männlich ist. Wichtig ist das gemeinsame Erlebnis Fußball, mit starkem Bezug zur „dritten Halbzeit“ – die verabredete Keilerei nach dem Spiel. Erzählt wird von den beinahe archaischen Werten eines Männerbundes: Treue, bedingungslose Loyalität zueinander. Mir persönlich ist diese Art von Freundschaft fremd. Ich bin nicht so der Cliquenmensch. Ich versuche eher sehr unterschiedliche Freundschaften, die auch nicht alle miteinander zusammenhängen, so gut wie möglich zu pflegen.

MÄNNERFREUNDSCHAFTEN BRAUCHEN SPORT
Nicht unbedingt. Oder zumindest nicht für mich. Dabei habe ich bis zu meinem 16. Lebensjahr Sport im Verein getrieben: die wunderschönen Nischensportarten Tischtennis und Volleyball. Aus dem Fußballgeschäft hab ich mich bereits früher, nach dem zweiten Eigentor, zurückgezogen. In der Volleyballmannschaft war ich der Steller, das heißt, ich habe die Angreifer mit Bällen versorgt, die dann mit ihrer Performance am Netz und ihren Schmetterbällen definitiv den höheren Schauwert zu verbuchen hatten. Ich glaube, bei mir hat einfach das Vereinsdenken nicht lange funktioniert. Mich interessierten eher Bücher und die Theater-AG an der Schule. Auch Musik, ich war fasziniert von Jugendkulturen wie Punk und Hardcore, vor allem von der Aufforderung darin, seine eigenen Sachen zu machen und auch ein Scheitern zuzulassen. Sport war mir immer zu sehr auf Sieg getrimmt. Es ist ja geradezu eine Wissenschaft, eine psychische und physische Stärke auszubilden, und das ist natürlich auch faszinierend.

MÄNNER BRAUCHEN DISTANZ
Ein bisschen Distanz finde ich grundsätzlich gut und sogar wichtig für eine Freundschaft. Vielleicht ist das bei mir aber auch mit dem Älterwerden verbunden und mit der manchmal so pathetischen wie irritierenden Erkenntnis: Am Ende ist der Mensch allein. Es ist schön, sich nach einer kleinen Auszeit wiederzusehen, zu überprüfen, ob man sich noch versteht und was sich in der Zwischenzeit verändert hat. Diese Mischung aus einer gewissen Distanz und der dann doch wieder großen Nähe ist ideal. Das ist ja auch der Unterschied zwischen einer Freundschaft und einer Liebesbeziehung, in der man meist viel umfassendere Ansprüche aneinander stellt. Ich bin in einer erwachsenen Freundschaft gar nicht in meiner Gesamtheit gefordert. Ich kann verschwinden und wieder auftauchen – und bin immer ein willkommener Gast.

MÄNNER BERÜHREN SICH NICHT
Ach was, das ist ein Anachronismus! Ich habe eigentlich keine Angst vor Körperlichkeit. Meine Freunde begrüße ich in der Regel mit einer Umarmung. Allerdings gibt es da schon einige Unterschiede: Von der eher ironischen Schulterklopferei bis zur aufrichtigen Umarmung, die lange, dann allerdings auch wieder nicht allzu lange dauern darf, ist eigentlich alles vertreten. Einer meiner ältesten Freunde begrüßt mich bis heute nur mit einem Handschlag und einem aufmerksamen Blick. Das kann auch Power haben. Zum Thema Umarmung fällt mir noch eine Geschichte ein: Im vergangenen Jahr habe ich Rudi Dutschke gespielt, den Studentenführer. Bei der Vorbereitung für den Film war ich sehr fasziniert von Dutschkes Freundschaft zu Gaston Salvatore, der bis zum Attentat seine rechte Hand war. Die Beziehung der beiden war politisch und hatte gleichzeitig etwas Brüderliches: Sie stritten für die Sache des Sozialismus, waren aber trotzdem sehr herzlich miteinander. Es gibt ein Foto, wo beide in einer Umarmung versunken sind. Sie sitzen am Tisch und besprechen sich – es wirkt, als ob sie ihre Pose darüber vergessen haben. Das ist ein wunderschönes Bild, wie sie so verharren, während sie nach den richtigen Worten suchen. Und lustigerweise gibt es eine ähnliche Szene in „66/67“, wenn Florian und meine Figur Otto, untergehakt wie friedliche Senioren, durch Istanbul schlendern – und dabei auf ihre Art über die jüngsten Zumutungen des Kapitalismus diskutieren.

MÄNNER BRAUCHEN RITUALE
Seit einigen Jahren habe ich einen Freund, mit dem ich einmal im Jahr wandern gehe. Es muss keine klassische Wanderroute sein. Letztes Jahr sind wir zehn Tage quer durch Berlin gestreift und haben in Pensionen übernachtet. Für die Zukunft ist eine Durchquerung des Ruhrgebiets geplant. Dieses Jahr sind wir in die Waldkarpaten gefahren, ein abgelegenes Mittelgebirge im südlichen Polen, in dem es noch wilde Bären und Wölfe gibt, die wir aber selbstverständlich nicht zu Gesicht bekommen haben. Ich erinnere mich an das wunderbare Tagebuch von Karl Hennetmair, das vor einigen Jahren veröffentlicht wurde. Er war ein enger Freund von Thomas Bernhard, sie wohnten als Nachbarn in den Bergen – und wenn es Hennetmair oder eben Bernhard nach einer zünftigen Bergbesteigung verlangte, haben sie beieinander angeklopft. Es wurde erwartet, dass der andere mitkommt, ohne große Worte, jetzt, sofort, bei Wind und Wetter. Das war wie ein Wettkampf. Das ist toll und irgendwie auch anrührend. Und klar, solche Gedanken spielen auf den Wanderungen eine Rolle. Wer kann länger marschieren, wer braucht längere Pausen, wieso läuft der schon wieder 100 Meter weiter vorne und ich saufe hinten ab?

FRAUEN ZERSTÖREN EINE MÄNNERFREUNDSCHAFT
Na ja, das kommt sehr darauf an. Wenn das bedeuten soll, eine Liebesbeziehung gefährdet eine Männerfreundschaft, weil sie wenig neben sich duldet, dann habe ich immer wieder gegenteilige Erfahrungen gemacht. Ich erlebe sogar, dass ich eingebunden werde in die Beziehungen meiner Freunde, also die Freundinnen ganz gut kennenlerne. Der Horror ist, finde ich, wenn man sich in einer Paarbeziehung total verschließt – und dann beide jeweils mit ihrem besten Freund oder der besten Freundin alleine zusammensitzen und über die Unvereinbarkeit von Frauen und Männern reden. Was ich einem Freund nicht verzeihen könnte, wäre Ausspannerei. Und sollte ich selbst mal einem Freund die Frau ausspannen, dann könnte ich sehr gut verstehen, wenn der mir dann die Freundschaft kündigen würde. Mehr als das: Würde er es nicht tun, wäre ich mit seiner Loyalität sogar irgendwie überfordert. Ist mir beides aber zum Glück noch nicht passiert.

Protokoll: Ulf Lippitz

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