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Frauen-WM: Das Problem steht im Tor

Über schlechtes Vorbereiten und gutes Schauspielern:  Acht Thesen und Trends zur Fußball-WM der Frauen.

1. Die Weltspitze im Frauenfußball ist enger zusammengerückt. Was zum einen für die nachrückenden Nationen spricht, zum anderen gegen das Establishment. Dass die seit Jahren stagnierenden Schweden mit vier Siegen in vier Spielen problemlos ins Halbfinale kamen, spricht nicht für einen gewachsenen Standard. Teams wie Deutschland oder Brasilien sind der Konkurrenz unfreiwillig entgegengekommen.

2. Lange Vorbereitung spricht nicht für lang anhaltenden Erfolg. Australien und Kanada etwa bereiteten sich fast ein halbes Jahr lang vor, Nordkorea wahrscheinlich noch länger, die Deutschen kasernierten ihre Mannschaft drei Monate. Kanada und Nordkorea scheiterten in der Vorrunde, Deutschland und Australien im Viertelfinale. Was die Finalisten betrifft: Die Japanerinnen konnten sich nur unzureichend vorbereiten, weil ihr Trainingszentrum in der Nachbarschaft von Fukushima liegt. Und die Amerikanerinnen kamen direkt aus ihrer Profiliga WPS, die für die WM nicht mal pausiert.

3. Das Problem steht im Tor. Auch die Spitzenmannschaften haben ganz hinten ein Problem. Nadine Angerer bekam kaum einen Ball aufs Tor und kassierte dennoch vier Gegentore in vier Spielen, darunter das unfassbare 0:1 gegen Japan. Die US-Amerikanerin Hope Solo schenkte Frankreich im Halbfinale den Ausgleich und hätte dem Gegner beinahe noch ein zweites Tor aufgelegt. Die Brasilianerin Andreia verschuldete in der Nachspielzeit das Ausscheiden gegen die USA, die kleine Japanerin Ayumi Kaihori ließ sich gegen England von einer seltenen Bogenlampe überlisten.

4. Offensive beginnt hinten. Moderner Angriffsfußball erfährt seine Spieleröffnung in der Innenverteidigung. Am besten ist das bei der modernsten Mannschaft zu sehen. „Wie Japans Abwehr gegen Deutschland gespielt hat, das war wirklich sehr, sehr gut“, sagt Lucien Favre, Trainer des Bundesligisten Borussia Mönchengladbach. Zwei Favoriten schwächelten in dieser Disziplin. Die Deutschen standen defensiv sicher, aber beim Umschalten rächte es sich, dass die zentralen Defensivstrateginnen Saskia Bartusiak und Annike Krahn nicht gerade eine Liebesbeziehung zum Ball unterhalten. Und Brasilien spielte tatsächlich mit Libero (so nennen die Frauen das, von Libera oder Liberette sprechen nur männliche Feministen).

5. Es muss nicht nur eine Stürmerin sein. Die meisten Mannschaften spielen im 4-2-3-1-System, weil die Deutschen damit seit Jahren erfolgreich waren. Das kann auch eine Einbahnstraße in Richtung Männerfußball der achtziger Jahre sein, wie dem deutschen Spiel anzusehen war: keine Pässe in die Tiefe, dafür das immer gleiche Angriffsmuster über die Flügel mit Flanken in die Mitte. Das lässt wenig Raum für Überraschungsmomente. Im Finale stehen zwei Mannschaften, die gegen den deutschen Trend mit zwei Stürmerinnen spielen.

6. Es gab auffällig viele Kopfballtore. In Erinnerung bleiben werden natürlich die beiden von Kerstin Garefrekes, vor allem aber jenes von Abby Wambach in der Nachspielzeit der Verlängerung gegen Brasilien. Dabei gelten Frauen eher als kopfballschwach, doch diese Zeiten scheinen vorbei. Dass Kopfballstärke allein nicht mehr ausreicht, hat das Spiel der Deutschen gegen Japan gezeigt.

7. Der Erfolg kommt von der Bank. Megan Rapinoe hat ihren Stammplatz im amerikanischen Team kurz vor der WM verloren, aber die Trainerin hat ihr diesen Verlust als Gewinn verkauft. „Megan weiß, dass sie den Unterschied machen kann, wenn sie reinkommt“, sagt Pia Sundhage. Gegen Kolumbien schoss Rapinoe gleich ein Tor, gegen Brasilien bereitete sie den späten Ausgleich vor, gegen Frankreich gab sie das Signal zur erfolgreichen Schlussoffensive. Auch Frankreichs Trainer Bruno Bini hatte mit Eugenie Le Sommer einen Joker auf der Bank, sein japanischer Kollege vertraut bei engen Spielständen auf die Dribbelkünste von Mana Iwabuchi, das Siegtor gegen Deutschland erzielte die eingewechselte Karina Maruyama. Nur die Deutschen hatten nichts zuzusetzen. Auf der Bank saß zuletzt Birgit Prinz, die einst weltbeste Stürmerin, von der die Bundestrainerin sagt, sie sei nun mal keine Einwechselspielerin.

8. Schauspielern können sie auch. Als einer der Vorteile zum Männerfußball wird immer genannt, dass Frauen weniger schauspielern. Die Brasilianerinnen bewiesen als Negativbeispiel, dass das nicht immer stimmt. Ihre Verteidigerin Erika fiel nicht nur mehrere Sekunden nach dem Zusammenprall mit einer Amerikanerin um und blieb dann in der Endphase der Verlängerung minutenlang im Strafraum liegen. Sie sprang kurz darauf auch noch quietschfidel von der Trage und sprintete zur Seitenlinie.

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