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Prinz in Plastik. Die Barbie-Puppe (rechts) ist Nationalstürmerin Birgit Prinz (links) nachempfunden. Das Einzelstück ist handbemalt.

© Reuters, promo; Montage: Krause

Frauenfußball: Kick it like Barbie

Der Spielzeugkonzern Mattel bringt zur Frauen-Weltmeisterschaft eine Puppe im Fußballdress auf den Markt. Beim DFB gibt man sich begeistert – die Frage ist: Warum?

Von Maris Hubschmid

Sie sind lang, sehr lang, und sehr graziös, die Beine. Was fällt noch auf? Diese Wahnsinns-Wespentaille, die vollen Lippen, das seidig glänzende Haar. Dann das Stupsnäschen, der zartbraun schimmernde Teint, die Rehaugen. Die Rede ist von Birgit Prinz.

Der Spielzeugkonzern Mattel hat eine Miniatur der Nationalspielerin erschaffen, Birgit Prinz als Barbiepuppe – obgleich nennenswerte Ähnlichkeiten, wenn man vom Nationaltrikot absieht, nicht erkennbar sind. Mit ihren dünnen Schenkeln könnte die zarte Plastikfrau wohl nicht einmal aufrecht stehen, geschweige denn einen Ball treten. Darum geht es aber auch nicht, sondern um die Ehre, sagt Stephanie Wegener, Sprecherin des Spielzeugfabrikanten. „Mehr als eine halbe Million Frauen spielen in Deutschland derzeit Fußball in einem Verein. Vorbildern wie Birgit Prinz ist es zu verdanken, dass Mädchen sich diesen Jungensport mehr und mehr erschließen.“

Die persönliche Kultpuppe soll also als Auszeichnung verstanden werden, als Zeugnis einer großen Popularität. Schließlich haben auch Angela Merkel und Harry-Potter-Autorin Joanne K. Rowling solche mehr oder weniger detailgetreuen Modelle ihrer selbst bekommen. Allerdings handelt es sich bei den Prominenten-Puppen um Sonderanfertigungen, die nicht für den Handel bestimmt sind. Sie sollen einstimmen auf ein verwandtes Produkt, das sehr wohl käuflich zu erwerben sein wird: Die nicht personifizierte Barbiepuppe im Fußballdress wird pünktlich zum Start der Frauen-Fußball-WM in den Regalen deutscher Spielzeugläden stehen. Eine Ausführung also, die noch weniger gemein haben wird mit Birgit Prinz. Mit blonden Haaren vielleicht.

Puppe für harte Mädchen

„Fußball mag ein durchaus passendes Spiel für harte Mädchen sein, als Spiel für feinsinnige Knaben ist es wohl kaum geeignet“, befand einst Oscar Wilde. Harte Mädchen – fraglich ist, ob Doris Fitschen an diesen Schlag Spielerinnen gedacht hat, als die Managerin der Frauenfußball-Nationalmannschaft der Wochenzeitung „Die Zeit“ mitteilte: „Die Fußballbarbie ist ein echtes Frauenprodukt. Wie gemacht für unsere Kerngruppe.“

Was aber macht die weiblichen Fans des Frauenfußballs wirklich aus? „Das sind sportbegeisterte Frauen, die sich nicht auf ihr Frausein reduziert oder schlimmer noch: dadurch eingeschränkt sehen wollen“, schreibt die Teilnehmerin eines Onlinechats. „Und sich deshalb für Frauen in einer männerdominierten Domäne stark machen“, eine andere. Das deutet nicht gerade darauf hin, dass irgendwer, der sich ernsthaft für Fußball interessiert, auf die Fußball-Barbie gewartet hätte. Mit der Aufnahme einer Spielerin in sein Sortiment wird das Unternehmen Mattel jedoch nur den Entwicklungen seiner Klientel gerecht: Jüngste Statistiken bestätigen dem Mädchenfußball zweistellige Zuwachsraten. Die neue Barbie erscheint im Rahmen der Reihe „Ich wäre gern“, in der Barbie mittlerweile auch als IT-Fachfrau erhältlich ist.

Fußball muss kerlig sein

Trotzdem: Irgendwie wollen die echte und die nachgemachte Fußballerin nicht recht zusammenpassen, obgleich die, Barbie figürlich gar nicht unähnliche, Schauspielerin Keira Knightly in der gefeierten Filmkomödie „Kick it like Beckham“ ein durchaus überzeugendes Bild einer Fußballspielerin abgegeben hat. Argumente liefert die Geschlechterforscherin Almut Sülze von der Humboldt-Universität Berlin: Sie kommt in ihrer wissenschaftlichen Arbeit „Titten unterwegs“ zu dem Fazit: „Alles, was rosa und zickig ist, hat im Stadion nichts zu suchen.“ Und die Wissenschaftlerin geht noch weiter: Traditionelle Weiblichkeit, vor allem ein Sich-schön-machen für den männlichen Blick, seien im Fanblock verpönt, hochhackige Schuhe und weiße Hosen unerwünscht. „Fußball funktioniert nicht ohne Männlichkeitskult.“

Wahrscheinlich muss Fußball also kerlig sein, roh und ungeschminkt. Das offizielle Motto der Frauen-WM, „2000ELF von seiner schönsten Seite“ sowie das Kätzchen-Maskottchen mit unverkennbarem Kajalstrich stehen dazu in einem gewissen Widerspruch. Die Organisatoren in den Verbänden, meist ältere Herren, wollen offenbar ein anderes Bild vom Frauenfußball vermitteln. Das zeigte sich auch in dem Umstand, dass der Weltverband Fifa ein Top-Model zur Auslosung der WM-Gruppen engagierte.

Testosteronkur für Barbie

Darum muss man die Sensation Fußball-Barbie von der anderen Seite her denken: Niemand sollte dem Fußball Barbies Attribute aufzuzwingen versuchen. Die wiederum verträgt aber sicher etwas Testosteron. Die Mädchen, die sein wollen wie Barbie, reich an Tüllkleidern und allzeit anmutig, erkennen dank der Fußballbarbie vielleicht, dass das eine das andere nicht ausschließt. Man kann morgens die Prinzessin sein – und am Nachmittag Bolzen gehen. Es gilt lediglich, Stiletto gegen Stollenschuh zu tauschen.

Nicht ganz im Sinne des Erfinders gestand Nationaltrainerin Silvia Neid unlängst auf der Nürnberger Spielwarenmesse übrigens, sie könne mit Barbie nicht viel anfangen, habe auch als Kind nie mit ihr gespielt. Und Birgit Prinz kam gar nicht erst zur feierlichen Übergabe.

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