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Sport: Freispruch mit erhobenem Zeigefinger

Spionage-Affäre: McLaren wird vorerst nicht bestraft

Berlin/Paris - Nach fünf Stunden war der Albtraum für Ron Dennis vorbei. Der Chef des Formel-1-Teams McLaren-Mercedes war klopfenden Herzens nach Paris angereist, wo sich sein Team am Donnerstag in der Spionage-Affäre verantworten musste. Am Ende konnte Dennis das erste Mal seit Wochen wieder glücklich schauen: McLaren wurde nach der Anhörung vom Weltrat des Automobil-Weltverbandes (Fia) vom Verdacht der Spionage freigesprochen. Bei einem Schuldspruch hätte Dennis’ Team ein Punktabzug oder sogar der WM-Ausschluss gedroht. Nun können die beiden in der Weltmeisterschaft führenden McLaren-Piloten Lewis Hamilton und Fernando Alonso unbelastet in den Titelkampf mit Ferrari gehen. „Die Fia hat bestätigt, was wir von Anfang an gesagt haben“, erklärte Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug.

Dass sich Ron Dennis dennoch „nicht ganz zufrieden“ zeigte, lag daran, dass die Entscheidung nicht endgültig ist. Die Fia hielt sich einen Hinterausgang offen: Sollte sich doch noch herausstellen, dass sich McLaren durch geheime Ferrari-Dokumente in dieser Saison einen Wettbewerbsvorteil verschafft hat, drohe der WM-Ausschluss für 2007 und 2008. „Das ist für uns ohne jegliche Relevanz“, sagte Haug zu dem Urteil mit erhobenem Zeigefinger. „Denn wir haben nicht und wir werden nicht Ideen aus dem beanstandeten Material für uns verwenden.“

Genau dieser Verdacht war aufgekommen, nachdem der frühere Ferrari- Techniker Nigel Stepney dem inzwischen entlassenen McLaren-Chefdesigner Mike Coughlan 780 Seiten mit Details zur Bauweise des Ferrari zugespielt hatte. Außerdem hatten Zeitungen berichtet, dass Stepney McLaren in einer E-Mail auf den nicht regelkonformen Unterboden des Ferrari aufmerksam gemacht habe. McLaren hatte zu Saisonbeginn genau gegen dieses Bauteil erfolgreich Protest eingelegt. Die Italiener ließen über ihren Anwalt ausrichten: „Der Unterschied der beiden Teams ist so gering, dass es wahrscheinlich ist, dass der deutliche Vorsprung von McLaren eine Folge der Ferrari-Dokumente im Besitz des Chefdesigners ist.“

Der Weltrat der Fia teilte diese Ansicht am Donnerstag nicht. Zwar stelle der Besitz der Unterlagen einen Verstoß dar, es gebe aber keine ausreichenden Beweise, dass diese Informationen genutzt worden seien, um die WM nicht den Regeln entsprechend zu beeinflussen. „Daher sprechen wir keine Strafe aus“, teilte das 26-köpfige Gremium mit. „Es gab keinen Beweis, mehr konnte man nicht machen“, sagte das italienische Gremiumsmitglied Luigi Macaluso. Der Titelkampf kann nun auf der Rennstrecke fortgesetzt werden. Vorerst. Christian Hönicke (mit dpa)

Christian Hönicke (mit dpa)

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