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Mit Riesenschritten. In weniger als einem Jahr verbesserte sich Angelique Kerber von Position 107 der Weltrangliste auf Rang zehn.

© rtr

French Open: Dreisatzkerber

Dank ihres unbändigen Siegeswillens steht Tennisprofi Angelique Kerber erstmals im Achtelfinale der French Open. Den hohen Erwartungen zeigt sich die Newcomerin des letzten Jahres zunehmend besser gewachsen.

Angelique Kerber zählt nicht zu jenen Spielerinnen, die sich im Umgang mit den Medien früh Allüren angewöhnt haben und jeder Frage mit kategorischem Misstrauen begegnen. Am späten Freitagabend, nach ihrem 4:6-, 6:3- und 6:2-Sieg über Flavia Pennetta in der dritten Runde der French Open, da rutschte Kerber aber doch ein entschiedenes „kein Kommentar“ heraus. Allerdings musste sie sofort lachen, und darin lag im Grunde die Antwort. Denn die 24 Jahre alte Kielerin war gefragt worden, wen sie in Paris zu den Titelfavoritinnen zählen würde. Sie wollte ihren eigenen Namen nicht nennen, doch sie zählt sich dazu. Mit vielsagendem Lächeln schob Kerber hinterher: „Man kann immer für eine Überraschung sorgen.“

Der Sprung in die Top Ten, der ihr vor zwei Wochen erstmals gelang, hat auch Kerbers Selbstvertrauen auf das Niveau einer Spitzenspielerin gehoben. Und dass die neuen Ansprüche gerechtfertigt sind, bewies sie nicht erst mit ihren bisherigen drei Auftritten in Paris. Im August letzten Jahres stand Kerber auf Platz 107 der Rangliste, dann kamen die US Open, und sie stürmte plötzlich furios in ihr erstes Grand-Slam-Halbfinale. „In New York hat es bei mir Klick gemacht“, sagte Kerber, „seitdem weiß ich, dass ich gegen alle Spielerinnen eine Chance habe.“ Der Glaube an sich, der ihr in der Vergangenheit oft gefehlt hatte, verhalf ihr seither zu einem rasanten Lauf. In neun Turnieren seit den US Open erreichte Kerber das Halbfinale oder mehr. Bei den Hallenevents in Paris und Kopenhagen gewann sie im Frühjahr ihre ersten Titel auf der WTA-Tour. Auch Top-Ten-Spielerinnen fürchtet sie seit dieser Saison nicht mehr, sechs Siege stehen schon auf Kerbers Konto.

„Im letzten Jahr um diese Zeit kannte mich noch keiner“, erinnert sie sich. Bei der Fed-Cup-Partie im April gegen Australien waren die hohen Erwartungen noch eine zu große Last für Kerber gewesen. Sie trug als deutsche Nummer eins die Verantwortung, aber sie versagte. Das erschreckte Kerber wohl selbst am meisten. „Ich habe sehr viel aus dem Fed-Cup-Auftritt gelernt“, sagte sie nun. In Paris ließ sich Kerber bisher nicht aus der Ruhe bringen, auch wenn Sand sonst „nie so mein Belag“ gewesen ist. Doch mit jeder Partie fühle sie sich wohler. Und ihre Entwicklung ist auf der roten Asche von Roland Garros deutlich sichtbar. In der ersten Runde wurde sie gegen die bissige chinesische Qualifikantin Shuai Zhang ihrer Favoritenrolle gerecht und stand gegen die Weißrussin Olga Goworzowa auch eine zweitägige Hängepartie unbeschadet durch. Früher hätte sie solches Matches meist verloren.

Auch gegen die starke Italienerin Pennetta musste Kerber wieder bis zum Abend ausharren. Sie verbrachte die Zeit mit Musik hören, lesen, etwas essen. Dann wurde es eine extrem harte Partie, die an den physischen und mentalen Kräften beider Akteurinnen nagte, und die Kerber kurz vor Einbruch der Dunkelheit vor allem aus zwei Gründen gewann: Aufgrund ihrer enorm verbesserten Physis, die sie sich in der Schüttler-Waske-Akademie antrainiert hatte, und weil Kerber keinen Ball verloren gab. Ihr Wille war immens, hinter jedem einzelnen Punkt steckte harte Arbeit. Doch die Kielerin scheute sich nicht, im Gegenteil, sie lief und lief und lief und gab keinen Ball verloren. „Ich habe keinen Moment lang gedacht, dass ich verliere“, sagte Kerber.

Nach diesem Abend stieg ihre Saisonbilanz bei Dreisatzmatches auf 14:0 an. Ihrer nächsten Gegnerin, der Kroatin Petra Martic, dürfte Kerbers Höhenflug nicht entgangen sein. Und auch wenn der Schiedsrichter in der ersten Runde noch konsequent „Angelika Kerber“ ansagte, dürfte in Roland Garros wohl bald jeder ihren Namen kennen.

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