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Sport: Friedvoll und leise

Hertha BSC verliert 0:2 in München, versagt sich aber Schelte gegen den Schiedsrichter

München. Es war ein guter Moment, um wütend zu werden. Dieter Hoeneß sprang auf und machte eine abfällige Handbewegung. Und dann – dann setzte sich Dieter Hoeneß wieder hin. Respekt vor dem Schiedsrichter ist zurzeit in der Fußball-Bundesliga angesagt, und obwohl der Manager von Hertha BSC allen Grund gehabt hätte, sich von der Trainerbank lautstark einzubringen, blieb er erstaunlich ruhig in dieser 71. Minute des Spiels zwischen den Berlinern und dem FC Bayern München. Schiedsrichter Jürgen Jansen hatte gerade einen Elfmeter für die Gastgeber gegeben, den Michael Ballack zum 2:0 (1:0)-Endstand für die Münchner verwandelte.

Dem Strafstoß war eine Situation vorausgegangen, von der die eine Partei sagt: Foul. Und die andere: kein Foul. Marko Rehmer, Herthas Verteidiger, hatte Roque Santa Cruz, Bayerns Stürmer, bedrängt. Santa Cruz täuschte einen Schuss an, Rehmer hielt den Fuß davor, und als der Angreifer der Bayern „sieht, dass der Ball ins Aus geht, rennt er in mich rein“, sagte Rehmer. „Und der Schiedsrichter fällt drauf rein.“ Eine zu harte Entscheidung? „Auf jeden Fall.“

Wenn man es positiv sehen wollte, könnte man sagen: Die neue Harmonie zwischen Spielern, Trainern und Funktionären auf der einen Seite und den Schiedsrichtern auf der anderen hat auch das zweite Bundesligawochenende unbeschadet überstanden. „Bei den Schiedsrichtern muss man ja jetzt vorsichtig sein“, sagte Rehmer. Wohl auch deshalb mied Hoeneß nach dem Spiel den Kontakt zu den Journalisten, um gar nicht erst in Versuchung zu geraten, sein friedvolles Schweigen zu brechen. Herthas Trainer Huub Stevens hielt sich ebenfalls zurück.

So nachsichtig sind die Berliner im Münchner Olympiastadion zuletzt nicht immer mit den Schiedsrichtern umgegangen, was vor allem daran gelegen hat, dass sie sich bei den vergangenen beiden Spielen gegen die Bayern und den TSV 1860 massiv benachteiligt fühlten. Selbst als Stevens eine Viertelstunde vor Schluss auf die Tribüne verwiesen wurde, blieben die Berliner vergleichsweise ruhig. Stevens bedachte den Schiedsrichter zwar noch mit hämischem Applaus, dann aber fügte er sich in sein Schicksal.

Das Spiel war zu diesem Zeitpunkt ohnehin entschieden. „Man kann hier immer verlieren“, sagte Stevens. Aber bei Hertha wird das zum Dauerzustand. Dreimal hintereinander – das diesjährige Gastspiel bei den Sechzigern inbegriffen – hat Hertha nun in München keinen Punkt geholt, dreimal hintereinander schoss sie nicht mal ein Tor. Als die Berliner zuletzt bei den Bayern gewannen, spielten Saarbrücken, Braunschweig und Fortuna Düsseldorf noch in der Bundesliga. 1977 war das. 20-mal hat Hertha gegen die Münchner verloren – so oft wie gegen keine andere Mannschaft.

Der Plan sah so aus: hinten kompakt stehen, vorn mit schnellen Kontern zum Ziel kommen. So wie in der 39. Minute, als Hertha über Bart Goor einen flinken Gegenangriff einleitete. Am Ende landete der Ball von Marcelinhos rechtem Fuß am linken Pfosten des Münchner Tores. „Da hatten wir Glück“, sagte Bayerns Trainer Ottmar Hitzfeld. Es war Herthas einzige Chance des Spiels. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn die Berliner den Bayern nicht so deutlich signalisiert hätten, dass sie selbst gewinnen wollten; wenn sie also das Spiel weiter so vor sich hin hätten plätschern lassen. Wie eine Maus waren die Berliner zuvor unbehelligt um den schlafenden Löwen herumspaziert, und dann traten sie ihm voller Übermut auf den Schwanz. Zwei Minuten später führten die Bayern durch Ballack 1:0, und mit dem Sieg sicherten sich die Münchner vorzeitig die Herbstmeisterschaft.

Herthas Trainer Stevens klagte hinterher, dass seine Mannschaft nicht entschieden genug nach vorne gespielt habe. Aber: „Dazu braucht man Siegeswillen.“ Stattdessen habe sein Team selbst „die einfachen Bälle zu den Gegnern gespielt". So etwas machen sich Spitzenmannschaften wie die Bayern in der Regel zunutze. „Sie haben die Qualität, aus einer halben Chance ein Tor zu schießen“, sagte Stevens. „Das haben sie auch getan.“ Immerhin wissen die Berliner jetzt, was ihnen noch fehlt.

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