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Sport: Frühes Tor, später Punkt

Im Eröffnungsspiel der neuen Bundesliga-Saison holt Hertha BSC ein 2:2-Unentschieden beim deutschen Fußball-Meister Borussia Dortmund

Von Stefan Hermanns

Dortmund. Ein Hauch von WM wehte gestern durch das ausverkaufte Westfalenstadion. Werner Hackmann, der Präsident der Deutschen Fußball Liga (DFL), erklärte mit vor dem Bauch verschränkten Armen die Spiele der 40. Bundesligasaison offiziell für eröffnet. Das Publikum tobte – weniger wegen der überflüssigen Reden, sondern weil es endlich wieder los ging. 40 Tage nach dem WM-Finale wurde gestern der Bundesligastart als Event zelebriert in einem auf Freitag vorgezogenen Eröffnungsspiel. Titelverteidiger Borussia Dortmund trennte sich vom Meisterschaftsvierten Hertha BSC 2:2 (2:1).

In Dortmund mögen sie einen solchen Event-Zauber im Fußballstadion nicht. „Gebt uns unser Spiel zurück“, stand auf einem Transparent. Treffender hätte es auch Matthias Sammer nicht formulieren können. Der Trainer von Borussia Dortmund hatte es nun überhaupt nicht gemocht, dass Vereinspräsident Gerd Niebaum auf dem Rasen vor aller Öffentlichkeit mit der Meister-Schale frohlockte. „Dafür können wir uns nichts mehr kaufen. Die Titelverteidigung ist kein Selbstläufer. Das muss jeder begreifen“, hatte Sammer einen Tag vor dem ersten Saisonspiel gesagt. „Der Rasen muss glühen.“

Und wie er glühte. Niebaum und Hackmann hatten noch nicht einmal ihre Tribünenplätze eingenommen haben, da machte sich Entsetzen breit beim Großteil der 68 000 Zuschauern. Gerade einmal 54 Sekunden war die Saison alt, da lag der Meister mit 0:1 zurück. Erinnerungen wurden wach an das erste Tor in der Geschichte der Fußball-Bundesliga. Das hatte der Dortmunder Timo Konietzka am 24. August 1963 gegen Werder Bremen nach 50 Sekunden erzielt. Dieses Mal traf ein Belgier. Einen weiten Einwurf von Andreas Schmidt hatte Kapitän Michael Preetz per Kopf ins Sturmzentrum verlängert. Da stand Bart Goor, der sich kurz drehte und abzog. Sein Gegenspieler Evanilson brachte sein Bein noch dazwischen, weshalb der Ball einen für Torwart Jens Lehmann unhaltbaren Dreh bekam. Noch ehe sich die Berliner an den seltenen Umstand einer Führung in Dortmund gewöhnt hatten, war sie wieder dahin. Nicht einmal drei Minuten später schickte Dortmunds Kapitän Jörg Heinrich Jan Koller auf die Reise durch Herthas Hintermannschaft, die auf Abseits spekuliert hatte. Koller und Torwart Gabor Kiraly lieferten sich einen halbminütigen Stellungskampf, ehe der lange Tscheche quer auf den heraneilenden Torsten Frings passte, der sich die Gelegenheit nicht entgehen ließ. Dortmunds 9-Millionen-Euro-Neuzugang egalisierte die Führung der Berliner.

In der Folgezeit entwickelte sich ein munteres, recht ansehnliches Spielchen mit besten Chancen auf beiden Seiten. Beide Mannschaften spielten offensiv und aggressiv, womit Schiedsrichter Merk gelegentlich seine Mühe hatte. In der 24. Minuten übersah er ein klares Foulspiel des Berliners Andreas Schmidt an Otto Addo im Strafraum. Der fällige Elfmeterpfiff blieb aus. Dortmund aber erhöhte den Druck. Nach einer Ecke, die Michael Preetz zu kurz abwehrte, kam Ewerthon an den Ball. Sein Kopfball prallte an beide Pfosten, ehe erneut der schlaksige Brasilianer am schnellsten reagierte. Den Abpraller schoss er am chancenlosen Kiraly vorbei ins Tor.

Dortmund führte. Das Übliche eben. Den letzten Sieg in Dortmund feierten die Berliner vor 30 Jahren (2:1 am 18. März 1972), bei den letzten neun Gastspielen gingen sie sogar als Verlierer vom Platz (4:27 Tore). Die Hoffnungen der Berliner ruhten auf den Stevens-Effekt. Denn in den bisherigen Duellen des ehemaligen Schalker Coaches Huub Stevens gegen seinen Kollegen Sammer steht es 9:0 für den Niederländer. Doch der wiegelte ab: „Mich interessiert keine Bilanz, sondern die Balance auf dem Platz.“

Die Balance fanden die Berliner sehr selten. Was in erster Linie daran lag, dass die Abwehrreihe um Schmidt, Arne Friedrich, Josip Simunic und Andreas Neuendorf nie die gewünschte Sicherheit fand. Das Fehlen von Marko Rehmer und Dick van Burik machte sich bemerkbar. Aber auch der Meister war ersatzgeschwächt angetreten – ohne Amoroso, Wörns und Ricken. Die Dortmunder aber, die alles andere als eine gelungene Vorbereitung durchliefen, zeigten sich zum Saisonauftakt topfit. Mit zunehmender Zeit zogen sie das Spiel an sich. Spielmacher Tomas Rosicky hätte das Spiel mehrfach entscheiden können. Einmal stand ihm bei einem Freistoß der Pfosten im Wege, ein anderes Mal Herthas Torhüter. Hertha hatte relativ wenig entgegenzusetzen. Was auch Stevens nicht entgangen war. Herthas Trainer, der sich für ein 4-4-2-System entschieden hatte, tauschte den defensiven Mittelfeldspieler Pal Dardai gegen den offensiven Flügelrenner Roberto Pinto ein. Neuendorf rückte auf ins Mittelfeld. Eine Maßnahme, die sich in der 85. Minute auszahlte. Einen Pass von Marcelinho, der sonst blass blieb, drückte Neuendorf unter Lehmann hindurch ins Tor. Herthas Manager Hoeneß jedenfalls jubelte nach dem aufregenden Auftaktspiel: „Klasse – wir waren noch nie so stark in Dortmund.“

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