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Sport: Frühstück nach der Verlängerung

Mannheims Delmore erlebte einen historischen Moment in der NHL – als dort noch gespielt wurde

Berlin - Die Mellon Arena war noch gut gefüllt. Jedenfalls für einen frühen Freitagmorgen. Allerdings gab es einige leere Sitze. Und das war erstaunlich für eine Play-off-Partie der NHL im eishockeyverrückten Pittsburgh. Exakt um 2.35 Uhr war es, als Keith Primeau den tapferen Teil der anfangs über 17 000 Zuschauer sowie die insgesamt 40 Spieler von ihrem Leiden erlöste: Primeau schoss das Tor zum plötzlichen Sieg, dem „Sudden Death“. Der Gast aus Philadelphia hatte gewonnen, in der fünften Verlängerung. Die erschöpften und enttäuschten Fans der Pittsburgh Penguins hatten das längste Eishockeyspiel seit 1936 gesehen. Zwischen dem ersten Bully und dem Tor von Primeau in der fünften Verlängerung lagen siebeneinhalb Stunden.

Einer der Spieler des Siegers dieses denkwürdigen Spiels vom 4. Mai 2000 war Andy Delmore. Der kanadische Verteidiger erinnert sich: „Die Fans waren in der letzten Stunde richtig fertig. Auf den Tribünen war es total leise.“ Schlimmer noch fühlten sich er und seine Teamkollegen: wie die Roboter. „Das lief nur noch mechanisch ab, der Kopf war völlig leer“, sagt Delmore. Und als endlich alles vorbei war? „So ein Gefühl kann man nicht erklären. Natürlich bist du glücklich, aber auch so erschöpft, dass du gar nichts mehr spürst.“ Essen, trinken, schlafen – das sei das, was ihn nur noch interessiert habe. Heute, mit dem Abstand von vier Jahren kann er darüber lachen. „So ein Erlebnis hast du als Eishockey-Spieler eben nur in der NHL.“

Zurzeit gibt es allerdings in der besten Eishockey-Liga der Welt gar nichts zu erleben. Nachdem sich Spielergewerkschaft und Klubbesitzer am Dienstag wieder nicht über eine Einführung einer Gehaltsobergrenze für die Spieler einigen konnten, ist es nur noch eine Frage von Tagen, bis die komplette NHL-Saison abgesagt wird. Es gibt nicht mal einen neuen Termin für Verhandlungen. „Ich würde den Spielern raten, nach Europa zu gehen“, sagte Spielervertreter Trent Klatt.

Andy Delmore ist schon seit dem Sommer in Europa. Seit Saisonbeginn spielt er für Adler Mannheim in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL). 296 Spiele hat der stämmige, 28-jährige Verteidiger in der NHL absolviert. Vergangene Saison war er noch im Aufgebot der Buffalo Sabres. Was sich momentan in Nordamerika abspielt oder eben nicht abspielt, bewegt ihn. „Das ist ganz bitter für die Fans dort.“ Und auch für das Eishockey, das sich aus dem Bewusstsein der US-amerikanischen Bevölkerung spielt: Noch nie wurde in einer Profiliga Nordamerikas eine Saison abgesagt. In Kanada mussten Farmteams in größere Städte umziehen, steht ein Sportsender wegen der nicht spielenden NHL vor der Pleite. Aber wenn es ums Gehalt geht, hört der Spaß eben auf. Auch wenn die von den Vereinsbesitzern geforderte Gehaltsobergrenze nur die Eishockey-Millionäre trifft. „Die NHL-Spieler machen halt das, was sie für richtig halten“, sagt Delmore.

Delmore denkt nun vorrangig an seinen Arbeitgeber aus der DEL. Für die Adler hat er in 28 Spielen schon 18 Scorerpunkte erzielt, ist der mit Abstand erfolgreichste Verteidiger im Team. „Ich sollte es nicht laut sagen: Aber für uns in Mannheim ist die Pause in der NHL ein Segen.“ Schließlich stehen mit Jochen Hecht, Cristobal Huet und Sven Butenschön drei aktuelle NHL-Profis im Aufgebot der Adler. „Und die NHL wird diese Saison nicht mehr spielen, also werden die drei bei uns bleiben.“ Das scheinen bei den Adlern alle zu glauben: Sie haben vor ein paar Tagen schon mal den gebürtigen Mannheimer Hecht zum Kapitän gekürt.

Heute spielen die Adler bei den Berliner Eisbären (14.30 Uhr, Sportforum), die zuletzt unterschiedliche Resultate hatten, am Freitag 1:2 in Krefeld verloren. Nach dem Trainerwechsel – Helmut de Raaf ging, Kotrainer Stephane Richer übernahm sein Amt – hat Mannheim dagegen zuletzt gute Auftritte gehabt. „Es läuft wieder besser, nachdem wir Spieler zwischendurch wohl alle ein wenig müde waren“, sagt Andy Delmore. Dann muss er lachen und wieder an das Spiel vom Mai 2000 denken. „Relativ müde jedenfalls.“

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