Sport: Frust als Motivation
Wie Dirk Nowitzki die verlorene NBA-Finalserie zu verarbeiten versucht
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein frustrierendes Erlebnis zu verarbeiten. Dirk Nowitzki wählte Schere und Rasierapparat und schnitt sich einen Tag, nachdem er mit den Dallas Mavericks die NBA-Finalserie verloren hatte, seine langen Haare und den Kinnbart ab. „Etwas musste passieren“, erklärt er. Nun trägt der 2,13 Meter große Basketballstar zwar eine praktische Sommerfrisur, doch die Rasiertherapie hat ihre psychologische Wirkung verfehlt. Dirk Nowitzki sagt: „Danach ging es mir auch nicht besser.“
Nowitzki knabbert noch immer am unglücklichen Ausgang der vergangenen Saison. „Die Frustration sitzt tief“, sagt der 28-Jährige bei einer Präsentation seines Ausrüsters in Frankfurt am Main, „aber ich hoffe, dass mich das pusht, noch härter zu arbeiten, um die Mavericks zum Titel zu führen.“ Auch der Deutsche Basketball-Bund könnte in den Genuss der aktiven Frustrationsbewältigung kommen, denn Nowitzki will der Nationalmannschaft erneut helfen, ein gutes Ergebnis zu erzielen, diesmal bei der Weltmeisterschaft in Japan (19. August bis 3. September). In rund zwei Wochen soll er zum Team stoßen, das gestern ins Trainingslager nach Mallorca aufgebrochen ist. Bis dahin trainiert er für sich. „Die Nationalmannschaft kann mir helfen, auf andere Gedanken zu kommen“, sagt er. Im vorigen Jahr hat er das frühe Ausscheiden in den NBA-Play-offs mit einem überraschenden zweiten Platz mit dem Nationalteam bei der Europameisterschaft in Serbien-Montenegro kompensiert. „Wenn der Erfolg da ist, macht es natürlich doppelt so viel Spaß“, sagt Nowitzki.
Dieser Sommer aber ist anders. Das verlorene Finale lässt ihn nicht los. Bei der Analyse hat er bereits einen dringend verbesserungswürdigen Punkt ausgemacht: Mavericks-Besitzer Mark Cuban. „Manchmal muss er einen Gang zurückschalten“, sagt Nowitzki. Der Milliardär sitzt bei den Spielen seiner Mannschaft in der ersten Reihe, beschwert sich regelmäßig über die Entscheidungen der Schiedsrichter und bezahlt deshalb ebenso regelmäßig Strafen an die Liga. „Zuletzt ist er mit einer Strafe von 250 000 Dollar davongekommen“, sagt Nowitzki. Cubans Streitereien könnten die Schiedsrichter negativ beeinflussen, glaubt er. Tatsächlich mussten die Mavericks in der Finalserie einige umstrittene Entscheidungen zu ihren Ungunsten hinnehmen. „Die Schiedsrichter sind vielleicht nicht gegen uns, aber es hilft uns auch nicht“, sagt Nowitzki.
Wenn einer in Dallas den mächtigen Teambesitzer kritisieren darf, ist es Dirk Nowitzki. „Er versteht sich sehr gut mit Mark Cuban“, sagt seine Schwester Silke Nowitzki, „zuletzt waren sie gemeinsam in Las Vegas.“ Wie hoch in Dallas die Wertschätzung für Nowitzki ist, zeigt auch das neue Vertragsangebot. Sein Vertrag läuft zwar noch bis 2008, doch die Mavericks bieten ihm einen Anschlussvertrag für drei Jahre in Höhe von insgesamt rund 60 Millionen Dollar. Bis Oktober muss er sich entscheiden. „So eine Entscheidung fällt man nicht so schnell“, sagt sein Berater Holger Geschwindner.
Dass er sich Zeit nimmt, darüber länger nachzudenken, ist auch ein Zeichen, dass sich Nowitzki mehr als früher für die geschäftliche Seite seines Sportes interessiert. Seit dem Vorwurf der Steuerhinterziehung gegen Geschwindner und dessen Untersuchungshaft im vergangenen Jahr hat er sein Management neu geordnet. Nun teilen sich Silke Nowitzki und Holger Geschwindner diese Aufgabe. „Und Dirk will jetzt auch mehr involviert werden“, sagt Silke Nowitzki.
Am Ende der Präsentation erhielt Nowitzki von seinem Ausrüster noch eine Trophäe, es ist die kopflose Göttin Nike. „Perfekt“, lügt Nowitzki – und jeder weiß es. Ihn kann nur eine Trophäe glücklich machen, und das ist der klobige Ring, den ein Spieler für einen NBA-Titel erhält. Selbst eine WM-Medaille kann da nicht mithalten. Aber sie wäre sicherlich ein sehr guter Trost – und eine weitere Methode zur aktiven Frustbewältigung.
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