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Iker Romero, 34, ist mittlerweile Handball-Rentner - und sein Trikot hängt unter dem Dach der Max-Schmeling-Halle. Trotzdem haben die Füchse Berlin die Nummer des Spaniers wieder vergeben, an Hans Lindberg nämlich.

© dpa/Schulze

Füchse Berlin: Iker Romero über seinen Abschied: „Die Grenze der Belastbarkeit ist erreicht“

Iker Romero spricht über seinen Abschied nach 20 Jahren Profihandball, seine müden Knochen und den Sieg im EHF-Pokal mit den Füchsen Berlin.

Iker Romero, Sie haben als Treffpunkt ein Hotel mitten in der City gewählt, am Kurfürstendamm. Leben Sie hier?

Ja, hier habe ich die letzten vier Jahre gewohnt, von Anfang an. Ich bin nie umgezogen. Das Beste an diesem Ort ist, dass du im Zentrum bist, aber wenn du das Fahrrad nimmst, bist du in zehn Minuten in einem gewaltigen Park. Da ist es grün, viel Natur. Perfekt!

Grün, viel Natur. Klingt nach Ihrer Heimat, dem Baskenland.

Genau, dort ist alles grün. Die Berge sind ganz nah, es gibt Wälder und die Städte sind viel kleiner als Berlin oder Barcelona, wo ich die meiste Zeit meiner Karriere verbracht habe.

Fiel es Ihnen schwer, sich an das Großstadtleben zu gewöhnen?

Barcelona und Berlin sind Metropolen und das Leben hat dort viel zu bieten. Ich habe es genossen, dort zu leben, aber jetzt zieht es mich nach Hause. Ich bin in meinem Inneren immer ein Kleinstadttyp geblieben. Ich liebe es, in den Bergen zu sein, durch den Wald zu wandern. Das ist ein anderes Leben als hier in Berlin. Ich fühle, dass es an der Zeit ist, nach Hause zu gehen.

Welche Rolle hat die Stadt Berlin bei Ihrer Entscheidung gespielt, als Sie vor vier Jahren in die Bundesliga gewechselt sind?

Ich hätte schon einmal nach Deutschland wechseln können, vor etwa zehn Jahren muss das gewesen sein. Aber das ist eine andere Geschichte.

Erzählen Sie!

Damals kam der Manager des TBV Lemgo zu Gesprächen nach Spanien. Barcelona war natürlich mein erster Ansprechpartner, aber ich wollte mir das wenigstens mal anhören. Er hat mir dann auch ein sehr gutes Angebot vorgelegt, aber ich hatte ein anderes Problem.

"Nach Lemgo? Das kam für mich nicht in Frage"

Nämlich?

Berlin, Hamburg, München, Köln, das hatte ich alles schon mal gehört und gesehen, aber Lemgo? Damals hatte ich keine Ahnung, wo das liegt, wie viele Menschen da leben, wie die Stadt so ist. Ich habe dann ein bisschen in den Prospekten und Büchern geblättert, die man mir mitgebracht hatte. Danach war die Entscheidung recht schnell gefallen: Ich bleibe erst mal in Barcelona! Ganz ehrlich: Damals hätte ich kaum gedacht, dass ich doch noch einmal ins Ausland wechseln würde.

Jetzt beginnt ein anderes Leben für Sie. Eines ohne Handball?

Korrekt. Das wird etwas ganz Neues für mich, schließlich habe ich jetzt 20 Jahre Profihandball in den Knochen, mehr als mein halbes Leben. Aber es fühlt sich richtig an, ich habe Lust auf diese neue Etappe.

Herr Romero, jetzt mal ehrlich: Ganz ohne Handball?

Ja, das können Sie ruhig glauben. Ich kenne viele Leute, die den Absprung nicht geschafft haben, die sich ein Leben nach dem Sport nie wirklich vorstellen konnten und dann irgendwas gemacht haben, nur um dabeizubleiben. Aber ich bin nicht so. Für mich ist Handball sehr wichtig, das Spiel hat mir viel gegeben, viel Freude. Aber es ist nicht alles. Wenn ich jetzt mit bald 35 nicht etwas Neues probiere, wann dann?

Wie geht’s jetzt für Sie weiter?

Zuerst geht’s nach Hause, zu meiner Familie. Zwei, drei Monate werde ich meinen Körper ausruhen. Und meinen Kopf, das ist sehr wichtig. Strand, Wandern, gutes Essen. Erst wenn ich davon genug habe, wende ich mich neuen Dingen zu. Ich interessiere mich fürs Jagen und Fischen, in diesem Bereich will ich was machen. Auf jeden Fall wird es etwas ohne Sport.

Vor einem Jahr um diese Zeit war das Karriereende schon einmal beschlossene Sache, dann wurde Ihr Vertrag im letzten Augenblick doch noch mal verlängert. Haben Sie sich zur Sicherheit sagen lassen, wann die Füchse mit der Vorbereitung beginnen?

Ach, das weiß ich auch so. Am 7. Juli glaube ich geht’s los. Ich werde dann am Strand liegen, ein Foto von mir machen und es der Mannschaft schicken. Mit dem Untertitel: „Viel Glück, Jungs.“

Wie fühlt sich Ihr Körper an nach 20 Jahren Handball?

Ganz ehrlich: sehr, sehr müde. Die letzten zwei, drei Jahre waren sehr schön, aber sehr anstrengend. Ich habe immer auf höchstem Niveau gespielt, all die Trainingseinheiten und Spiele immer am Limit bestritten. Ich spüre, dass nun die Grenze der Belastbarkeit erreicht ist. Ich will sie nicht überschreiten. Mit 35 bin ich als Sportler alt, aber im Leben immer noch jung.

Ist Ihnen das Aufstehen zuletzt immer schwerer gefallen nach Spielen?

Ja, gerade nach so langen Auswärtsreisen. In Barcelona sind wir meistens geflogen, bei den Füchsen ging es oft mit dem Bus los, und das waren richtig lange Touren. Manchmal waren wir neun, zehn Stunden unterwegs. Mit meinen langen Gräten war das kein Vergnügen.

"Früher wog ich mehr 113 Kilo - schon mit 16 Jahren!"

Wer sich alte Bilder von Ihnen ansieht, dem fällt auf, dass Sie in den letzten Karrierejahren extrem viel Gewicht verloren haben.

Glauben Sie mir: Das habe ich mir nicht freiwillig ausgesucht. Ich musste das machen, weil mein rechtes Bein im Spiel nur noch eine Funktion hat: Es hilft mir dabei, nicht umzukippen, größere Belastung ist nicht mehr möglich. Aber das ist auch kein Wunder: Vor meinem Debüt in der Junioren-Nationalmannschaft habe ich 113 Kilo gewogen. Mit 16 Jahren!

Dieses Gewicht haben Sie über zehn Jahre Profisport gehalten …

… bis mir alle Ärzte und Spezialisten in Berlin gesagt haben, dass ich abnehmen muss, falls ich weiterspielen möchte – und das wollte ich vor zwei Jahren unbedingt.

Inwiefern hat das Ihre Spielweise verändert?

Ich musste mich komplett umstellen. Vor fünf, sechs Jahren war ich ein ganz anderer Spieler: immer Vollkontakt, immer volle Pulle, ich habe von meiner Stärke gelebt, bin in jeden Zweikampf gegangen. Mit 92 Kilogramm kann ich das heute nicht mehr machen, da heben mich die Gegenspieler einfach hoch. Deshalb habe ich in den letzten Jahren eher von meiner Technik und meinem Auge gelebt. Ich habe nicht mehr so oft geworfen, sondern das Spiel eher gesteuert, mehr für die Mannschaft gespielt.

Was haben Sie in 20 Jahren Profisport am meisten vermisst?

Meine Familie. Ich habe zum Beispiel fünf Neffen und Nichten, von denen sehe ich meist nur Bilder übers Internet. Jetzt freue ich mich, Zeit mit ihnen zu verbringen.

War es schwer für Sie, sich an das Leben in Deutschland zu gewöhnen?

Ja, vor allem was den Rhythmus angeht. Wir in Spanien stehen auf, und dann schauen wir, was passiert. Nach dem Motto: Was machen wir heute? Dann entscheiden wir uns für was. Vielleicht machen wir es, vielleicht aber auch erst morgen. Wir sind spontan und relaxed. In Deutschland geht alles zack, zack, zack. Der Termin muss eingehalten werden, wenn es heißt 11 Uhr, dann 11 Uhr. Elf Punkt null. Nicht elf Punkt zehn und schon gar nicht morgen. Das ist gut, aber ich musste mich erst dran gewöhnen.

Zum Abschluss Ihrer Karriere haben Sie kürzlich mit den Füchsen den EHF-Pokal gewonnen. Ein traumhaftes Ende, oder?

Ganz ehrlich: Ich weiß gar nicht, wie viele Titel ich in meiner Karriere gewonnen habe, aber ich weiß, dass ich mit meinen Teams auch ein paar große Titel verloren habe. Für mich persönlich und meinen Eintrag bei Wikipedia ist der EHF-Pokal bestimmt nicht der wichtigste in der Karriere, aber für die Füchse ist er enorm wertvoll, es war der erste Europapokalsieg der Vereinsgeschichte. Und ich bin stolz, ein Teil davon gewesen zu sein.

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