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Sport: Fünf Mal die Beste

Stockbauer feiert über 800 m Freistil einen historischen Sieg

Barcelona. Auf den letzten 50 Metern hatte Hannah Stockbauer nur noch ein Gefühl: den Schmerz. „Meine Beine brannten höllisch“, erzählte die Schwimmerin später über ihre letzte Wegstrecke vor dem Zielanschlag. Aber Hannah Stockbauer kämpfte gegen ihr Gefühl an. Sie holte den letzten Funken Kraft, den letzten Spritzer Elan aus ihrem ausgepumpten Körper. Und dann, als sie endlich am Beckenrand anschlug, hatte die 21-Jährige aus Erlangen deutsche Schwimm-Geschichte geschrieben. Hannah Stockbauer gewann am Samstagabend in Barcelona das WM-Rennen über 800 m Freistil. Damit hatte sie ihren fünften Weltmeisterschafts-Titel auf einer Einzelstrecke errungen. Kein Schwimmer und keine Schwimmerin aus Deutschland haben jemals auf einer Einzelstrecke so viele WM-Titel gewonnen wie die Geographiestudentin.

Deutsche Schwimmer sind Erfolge gewöhnt. Michael Groß aus Offenbach und Kornelia Ender, die für die DDR startete, hatten jeweils vier WM-Titel geholt. Stockbauer hat nun einen mehr – weil sie es in Barcelona am Wochenende bereits auf das dritte Einzelgold brachte. Zuvor hatte Stockbauer über 400 m und 1500 m gewonnen. Damit ist sie beim laufenden Turnier die beste Einzelschwimmerin. Und sie ist Deutschlands Beste. Denn beim Turnier 2001 im japanischen Fukuoka hatte sie über 800 m und 1500 m gesiegt.

Doch der Erfolg war keine leichte Sache. Hannah Stockbauer musste bis zum letzten Zentimeter kämpfen. Selten war ein Finish bei der WM so spannend wie in diesem Rennen. Bei der letzten Wende lag die US-Amerikanerin Diana Munz noch eine halbe Sekunde vor der 21-Jährigen. Dann aber schwamm Stockbauer mit 28,5 Sekunden die letzten 50 Meter so schnell, wie sie das noch nie in einem 800-Meter-Rennen geschafft hatte. „Ich weiß gar nicht, ob jemals jemand schneller auf der letzten Bahn war als sie“, sagte ihr Trainer Roland Böller voller Bewunderung. Hannah Stockbauer war jedenfalls so erschöpft, dass sie nach ihrem Sieg die Hände nur mit Mühe zur Faust ballen konnte. Erst als sie aus dem Becken gestiegen war, konnte sie ihren rechten Arm heben, um dem begeisterten Publikum zuzuwinken.

„Diesmal habe ich mich nicht auf meinen Schlussspurt verlassen können“, sagte die Weltmeisterin nach ihrem Erfolg. Für eine solche taktische Variante war Konkurrentin Munz einfach viel zu stark. Die US-Amerikanerin und Stockbauer hatten sich die ganze Zeit über einen packenden Zweikampf geliefert. Bei zwei Wenden waren sie sogar bis auf die Hundertstelsekunde gleich schnell. „Auf der letzten Bahn habe ich sogar versucht, überhaupt nicht mehr zu atmen, aber das ging dann natürlich auch nicht“, sagte Stockbauer, die ihre Leistung selbst kaum begreifen konnte. Zudem war sie auch verwundert darüber, dass Eva Ristov nicht ihre schärfste Konkurrentin war. Doch die Ungarin blieb überraschend schwach und landete letztlich nur auf dem siebten Platz.

Der Cheftrainer der deutschen Schwimmer, Ralf Beckmann, war nach dem historischen Erfolg gerührt. Freudestrahlend kam er von der Tribüne herunter an den Beckenrand, wo Hannah Stockbauer gerade ihrem Trainer Roland Böller um den Hals fiel. „So etwas hat es in Deutschland noch nie gegeben“, sagte er ergriffen. Böller ergänzte: „Ich kann es noch gar nicht realisieren, was da passiert ist.“ Für den Trainer gab es noch eine andere Leistung zu würdigen: Jana Henke aus Potsdam, die Europameisterin von 2002 über 800 m Freistil, wurde in dem aufregenden Rennen gute Fünfte.

Am Samstag war der Tag der Überraschungen. Besonders beim 100 m Schmetterling gab es ein unerwartetes Ergebnis. Der hochfavorisierte US-Star Michael Phelps, der die WM bisher bei den Männern dominiert hatte (siehe nebenstehenden Artikel) gewann den Titel nicht. Sein Landsmann Ian Crocker war schneller. Dazu musste der aber mit 50,98 Sekunden schon den Weltrekord verbessern, den Phelps am Freitagabend noch aufgestellt hatte. Der 18-jährige Phelps, der in Barcelona vier Weltrekorde erzielt hatte, musste wohl doch den Anstrengungen der letzten Tage Tribut zollen. Thomas Rupprath, Europameister auf dieser Distanz, belegte in 51,98 Sekunden Platz fünf. Der 26-Jährige blieb aber nur eine Zehntelsekunde über seiner persönlichen Bestzeit. Bundestrainer Manfred Thiesmann war deshalb auch zufrieden mit der Leistung des Deutschen: „Thomas Rupprath hat eine Bombenzeit erreicht.“ Dass auf dieser Strecke gleich zwei Schwimmer unter dem alten Weltrekord bleiben würden, sei nicht zu erwarten gewesen. „Was in diesem Rennen geboten wurde, ist schon überaus erstaunlich.“ Sieger Crocker hatte seine persönliche Bestzeit um 1,5 Sekunen verbessert – eine im Schwimmen fast schon unglaubliche Zeit.

Eine Medaille verpasste am Samstag auch die deutsche Lagen-Staffel, die eigentlich Bronze angepeilt hatte. Trotzdem war auch dieses Rennen eher ein Erfolg als eine Niederlage. Antje Buschschulte schwamm als Startschwimmerin mit 1:0033 Minuten einen deutschen Rekord. Den deutschen Staffelrekord verfehlte das Quartett nur knapp. Bundestrainer Thiesmann hatte jedenfalls keinen Anlass zur Trauer. „Ich bin zufrieden“, sagte er und ging.

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