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Sport: Fünf Tore in der Kälte

Aachen zelebriert seine Europa-Premiere in Island

Der Präsident lag in seinem Bussessel und grinste. Vielleicht liefen vor seinen Augen gerade noch einmal einzelne Szenen eines für ihn wunderbaren Fußballspiels ab. Dann lachte er plötzlich auf, rief „5:1 – unglaublich!“ in den Bus, um wieder zu seinem Spielfilm zurückzukehren. So wie Horst Heinrichs auf dem Heimweg erging es vielen Aachener Fans in dieser langen Nacht zwischen Island und Deutschland. Denn der Fußball-Zweitligist Alemannia Aachen hatte mit einem 5:1 am späten Donnerstagabend gegen FH Hafnarfjördur eine furiose Ankunft im europäischen Fußball-Wettbewerb gefeiert – wenn sich auch auf den Rängen des Nationalstadions von Reykjavik gerademal 1100 Interessierte verlaufen hatten. Fast die Hälfte von ihnen war aus Aachen angereist. Fast 500 deutsche Fans harrten bei kaltem Island-Wind im Stadion aus.

Sportlich war Aachens fast schon sensationelle Premiere im Uefa-Cup vor allem ein Spionageerfolg der Scout-Abteilung. Denn bei Studien vor dem Spiel hatten Aachens Betreuer große Schwächen auf der linken Abwehrseite der Isländer ausgemacht. Prompt wurden vier der fünf Treffer der Gäste über diesen Flügel vorbereitet. Nun erreicht der Verein, dessen Schuldenstand aktuell noch etwas mehr als eine Million Euro beträgt, die Gruppenphase des reformierten Uefa-Cups. Wie lukrativ die nächsten Auftritte auf Europas Fußballplätzen sein werden, ist noch offen, solange weder Gegner noch Vermarktungsmöglichkeiten feststehen.

Gefeiert wurde der Erfolg von den Aachenern nicht. Im Flugzeug schnappte sich eine Flugbegleiterin von der Mannschaft ein Käppi mit dem Aufdruck „Island und Uefa-Cup“ und lachte, mehr Einlagen gab es auf der Rückreise in der Nacht zu Freitag nicht. Die Party zur gelungenen Premiere ist verschoben – auf das Rückspiel am 30. September. Die Erholungszeit für die Spieler ist eng begrenzt. Die meisten Profis um den zweifachen Torschützen Kai Michalke dösten im Flugzeug. Am Morgen erreichte die Gruppe das Aachener Trainingsgelände, lief sich aus, um dann nach einem gemeinsamen Frühstück auszuschlafen.

Schon am morgigen Sonntag müssen sich die Aachener in der Zweiten Bundesliga behaupten. Dann kommt Erstliga-Absteiger 1. FC Köln zum Spitzenspiel in den Tivoli – „eine starke Mannschaft, bestückt mit Erstliga-Spielern“, wie Trainer Dieter Hecking sagt. „Hoffentlich können wir gegen die Kölner mithalten“, sagt Michalke, der auch gegen die Freizeitfußballer aus Island gute Form demonstrierte. Auch für Aachens Spione beginnt wieder der Alltag. Am Samstag beobachten sie Bayern Münchens Amateure in Offenbach. Die Münchner sind nächster Gegner im DFB-Pokal.

Christoph Pauli[Reykjavik]

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