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Sport: Für den Berliner Ruderer Dirk Meusel wird ein Traum wahr: Schlagmann im Achter

Es gibt solche Traumjobs. Amerikanische Jungs träumen zum Beispiel davon, einmal als Quarterback im Super Bowl zu spielen.

Es gibt solche Traumjobs. Amerikanische Jungs träumen zum Beispiel davon, einmal als Quarterback im Super Bowl zu spielen. Kapitän in einem Rad-Team bei der Tour de France ist auch nicht schlecht. Für Ruderer gibt es nur eines: Schlagmann im Achter. "Ja, das ist ein Traum", sagt der 22-Jährige am Rande der Regattastrecke auf dem Berliner Hohenzollernkanal. Für ihn hat er sich allerdings schon erfüllt: Dirk Meusel. So ganz traut er der Sache allerdings noch nicht. Er spricht von "vorläufig" und "möglichen Änderungen". Ist das Bescheidenheit? Vielleicht. Diplomatie? Sicher. Mangelndes Selbstbewusstsein? Auf gar keinen Fall. Ein Sensibelchen am Schlag im Achter? Eher wird Bill Gates Chef der US-amerikanischen Wettbewerbsaufsicht.

Zwei Ruderer hatte Bundestrainer Ralf Holtmeyer für die wichtigste Position im Flaggschiff des Deutschen Ruderverbands im Blick. "Dirk hat sich durchgesetzt", erklärt der Coach. Hinter den dürren Worten verstecken sich Messboottest, Leistungstest, und natürlich wurde Dirk Meusel auch charakterlich auf den Prüfstand gestellt. "Der Schlagmann muss Sicherheit ausstrahlen und die Mannschaft führen können", lautet das Anforderungsprofil aus dem Mund des Bundestrainers.

Dirk Meusel geht ins Detail: "Ein guter Schlagmann muss einen guten Rhythmus fahren, im Kopf frei sein, und er muss ein Kämpfer sein, der auch noch über den Punkt hinaus geht, an dem es weh tut." Solch eine Einstellung dürfte den Trainer freuen, denn noch etwas anderes gilt für diese Position: Der Schlagmann ist des Trainers verlängerter Arm im Boot. Letztlich macht es die Mischung. "Der Schlagmann muss nicht der Beste im Boot sein", erläutert Dirk Meusel. "Jemand kann physisch der Stärkste sein, ist aber im Mittelboot besser aufgehoben."

Beim Langstreckentest der Zweier auf dem Hohenzollernkanal landete Meusel lediglich auf dem siebenten Rang. Da Holtmeyer den Achter aus den stärksten Zweiern bilden will, müsste das ja ein Alarmsignal sein. Doch Meusel winkt gelangweilt ab. Vor drei Wochen fand er sich plötzlich mit dem Würzburger Stefan Forster in einem Boot wieder. "Vor uns sind mindestens fünf eingefahrene Boote ins Ziel gekommen, in denen die Teams schon mehr als 1000 Kilometer hinter sich gebracht haben. Da sind wir mit Platz sieben ganz zufrieden."

Es gibt noch einen anderen Grund, warum der neue Schlagmann beim Bundestrainer offenbar gute Karten hat: Dirk Meusel hat sich zu hundert Prozent seiner Sportart verschrieben. Auf die Frage nach seinem "richtigen Leben" reagiert er mit völligem Unverständnis. Gibt es denn außer Rudern noch etwas auf dieser Welt? "Schlafen, Essen, Freundin", meint er ein wenig ratlos und erklärt: "Neben dem Rudern bleibt mir nicht viel Zeit." Es scheint nicht so, als vermisse er etwas.

Mit der Unbekümmertheit der Jugend geht er an diese Aufgabe heran. Nein, Druck verspüre er nicht nach der verpatzten Weltmeisterschaft des Achters in Kanada. "Ich saß ja glücklicherweise nicht in dem Boot." Doch unter anderem wird es an ihm liegen, den ramponierten Ruf des einstigen Paradebootes wiederherzustellen. Nicht weniger als sechs Ruderer, die das Paradeboot in Kanada mit einem zehnten Platz in die internationale Zweitklassigkeit manövriert hatten, mussten die Plätze räumen. Neben Meusel sitzt mit Stefan Heinze ein weiterer Berliner im neuen Boot.

Die Qualifikation wird hart, aber Meusel ist ebenso wie der Bundestrainer davon überzeugt, dass es auf dem Rotsee in Luzern klappen wird. Und wenn nicht? Meusel zeigt, dass er auch den Umgang mit markigen Worten beherrscht: "Wenn es der Achter nicht schafft, dann hat er bei den Olympischen Spielen auch nichts verloren." Dabei geht es auch für Dirk Meusel um viel. Patzt er mit dem Paradeboot, dann wird er mit großer Sicherheit auch nicht zu den Spielen fahren. "Soweit ich weiß, dürfen die Ruderer aus dem Achter nicht in anderen Booten eingesetzt werden", kommentiert er.

Ein Scheitern auf dem Rotsee würde für ihn bereits das Saisonende bedeuten. Er könne dann bestenfalls versuchen, noch in einem Boot bei der Weltmeisterschaft für nichtolympische Bootsklassen unterzukommen. Doch so richtig begeistert klingt er bei dieser Aussicht nicht. Klar, wer mal bei den Dallas Cowboys Quarterback war, will auch nicht mehr bei Berlin Thunder den Fullback spielen.

Peter Kaspar

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