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Sport: Für den Teamgeist – gegen den Körper?

Der Kölner Milivoje Novakovic lässt sich fit spritzen, er ist nicht der einzige Fußballprofi

Irgendwann packte Christoph Daum das Bedürfnis, sich einmal bei einem seiner Spieler zu bedanken. Ziel seiner anerkennenden Worte war Milivoje Novakovic. Der Kölner Angreifer hat mit seinen Toren und seinen Vorlagen einen großen Anteil daran, dass der Aufsteiger derzeit einen gesicherten Mittelfeldplatz in der Bundesliga belegt. Dabei ist der Einsatz des Slowenen nicht selbstverständlich. Er quält sich seit einiger Zeit mit einer Muskelverletzung im Rücken herum, am normalen Trainingsbetrieb kann er kaum noch teilnehmen. „Das ist ein Zeichen besonderen Teamgeists, mindestens zwei Tage in der Woche beim Arzt zuzubringen und sich für unsere Spiele trotz eines gesundheitlichen Risikos zur Verfügung zu stellen“, sagt Christoph Daum, der Trainer des 1. FC Köln.

Gut für den Teamgeist, aber auch gut für den eigenen Körper? In Zeiten der gezielten Manipulation im Profisport geraten solche medizinische Hilfen schnell in Verdacht: Soll mit verbotenen Substanzen die Leistungsfähigkeit des Spielers wieder hergestellt werden? Toni Graf- Baumann, Chef der Anti-Doping-Kommission des Fußball-Weltverbandes Fifa, hat erst vor kurzem die exzessive Einnahme von Schmerzmitteln im Profifußball angeprangert: „Es ist erschreckend, wie unkritisch im Fußball mit Schmerzmitteln umgegangen wird. Voltaren, Ibuprofen oder auch Aspirin werden mit einer Selbstverständlichkeit geschluckt, als würde man einen Kaffee trinken.“

Inoffiziell erzählen Mannschaftsärzte auch schon mal, dass sie von Trainern oder Managern gedrängt würden, verletzte Spieler zu früh wieder einsatzfähig zu melden. Vor allem bei Leistungsträgern gehört es zur Normalität, dass Schmerzen durch das Fitspritzen gelindert werden – so war es auch beim unter einer Wadenverletzung leidenden Kapitän der Nationalmannschaft Michael Ballack vor dem EM-Finale gegen Spanien. Sportärzte versuchen, die Spieler meist mit einem Mix an Maßnahmen wieder fit zu bekommen. Neben physikalischen Therapien wie Ultraschall sollen Massagen, Entspannungs- und Dehntechniken helfen – und eben Medikamente. „Letztlich müssen Arzt, Trainer und Spieler gemeinsam abwägen: Wie groß ist das Risiko, den Spieler einzusetzen?“, sagt der Berliner Sportarzt Torsten Dolla.

Es ist nicht lange her, dass die allgemeine Praxis fatale Folgen gezeitigt hat: im Fall des früheren Bremers Ivan Klasnic. Der Kroate kann nur dank einer Spenderniere überhaupt noch Fußball spielen, inzwischen beim französischen Erstligisten FC Nantes. Klasnic hat Bremens Mannschaftsärzte verklagt, weil sie seine Nierenerkrankung nicht erkannt haben sollen. Stattdessen wurden ihm über vier Jahre insgesamt 3250 Milligramm des Wirkstoffs Diclofenac verabreicht, meist in Form des Schmerzmittels Voltaren – für eine geschädigte Niere das pure Gift.

Der Fall Novakovic ist damit nicht zu vergleichen. „Der Spieler hat Muskelverhärtungen und erhält Injektionen. Es ist trotzdem leicht möglich, damit zu spielen“, sagt Peter Schäferhoff, Kölns Mannschaftsarzt. „Wir lehnen Dinge ab, die den Sportler schädigen. Aber wenn es Dinge sind, die helfen und die Situation des Betroffenen nicht verschlechtern, ist es absolut angezeigt, und in diesem Fall ist es das.“

Milivoje Novakovic selbst nimmt das Risiko einer gesundheitlichen Schädigung bewusst in Kauf. „Das ist mein großer Wille. Man muss auch mal über die Schmerzgrenze hinausgehen“, sagt er. Er stehe im ständigen Austausch mit seinem Therapeuten; deshalb sei dieses Risiko einschätzbar und überschaubar.

Mit Verletzungen, die so behandelt wurden, dass er für die Spiele einsatzfähig ist, hat der 29-Jährige bereits Erfahrungen gemacht. „So was habe ich schon öfter gemacht – freiwillig. Da muss ich als Profi durch, weil ich unbedingt dabei sein will“, sagt Novakovic. Und Arzt Schäferhoff will noch eines klarstellen. „Wir kaschieren keine Dinge, die dann bei Belastung zu einer Verschlechterung führen. Sondern wir verbessern seine körperliche Konstitution. Ende.“

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