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Sport: Fuß fassen auf Kunstrasen

Malik Fathi hat seinen Wechsel nach Moskau nicht bereut – auch wenn sportlich noch nicht alles stimmt

Malik Fathis Arbeitstage sind lang. Sein Arbeitgeber Spartak Moskau hat die Anwesenheitspflicht seiner Fußballprofis auf dem Klubgelände außerhalb der Stadt so geregelt, dass die Spieler erst abends wieder nach Hause kommen. Der Moskauer Verkehr streckt die Arbeitstage dann noch weiter. Im Vergleich zu Berlin sei der berufliche „Zeitaufwand viel größer“, sagt Fathi. Aber Spartak versucht, seinen ausländischen Spielern zu helfen, wo es nur geht.

Den Legionären wird ein Fahrer zur Seite gestellt, der sie über die achtspurigen Ausfallstraßen lotst, und eine Mitarbeiterin der „internationalen Abteilung“. Die verhandelt notfalls am Telefon mit der Verkehrspolizei, falls sich der Ausländer doch einmal selbst ans Steuer gesetzt hat. Sie unterbreitet auch diverse Wohnungsangebote. Malik Fathi ist im Wohnkomplex „Rote Segel“ untergebracht, einer der exklusivsten Adressen in der Stadt. Aus dem Fenster fällt der Blick auf die Moskwa und das Grün drumherum, aber auch auf ein massives Plattenbauviertel am anderen Ufer. Die Hochhaustürme der „Roten Segel“ sind eine Insel der Ruhe, umbrandet von Lärm und Gedränge. „Wie voll es in dieser Stadt ist – unglaublich“, hat auch Fathi festgestellt.

Zu seinen Nachbarn in der Wohnanlage gehören Mitspieler wie der kroatische Nationaltorhüter Stipe Pletikosa, der brasilianische Stürmer Welliton und der argentinische Mittelfeldspieler Cristian Maidana. Fathi ist der einstweilen letzte Ausländer, den Spartak verpflichtet hat, trotzdem ist es ihm bereits gelungen, die Russen zu beeindrucken – wenn auch weniger fußballerisch. Nach Niederlagen duckt sich der Berliner nicht weg oder verschwindet durch den Hinterausgang wie mitunter die halbe Mannschaft, sondern lässt sich in der Mixed Zone auf Englisch befragen. Und dann verblüfft er die Journalisten immer wieder mit ein paar Brocken Russisch. „Ich kann mich an keinen Legionär erinnern, der so schnell die Sprache gelernt hätte“, sagt Anton Lissin von der Sporttageszeitung „Sowjetski Sport“. Fathi winkt ab, sein Russisch sei nicht der Rede wert. „Hallo“, „Tschüs“, „Danke“, „Bitte“, spassibo, poschaluista.“ Dass er Hertha BSC verlassen hat, bereut Fathi keine Sekunde. „Das war keine Spinnerei damals“, bekräftigt der 24-Jährige seine Entscheidung vom März, als er für vier Millionen Euro von Hertha BSC nach Moskau wechselte, wenige Tage vor dem Saisonstart in Russland. „Ich wollte wirklich mal raus aus Berlin, eine andere kulturelle Erfahrung machen, eine neue Sprache lernen, aber dabei auch auf internationalem Niveau Fußball spielen.“ Wie Spartak ausgerechnet auf ihn gekommen sei, das frage er sich bis heute.

Ihm gefällt es in Moskau. Dabei steht der russische Fußball in dem Ruf, dass seine dicken Gehälter zum Teil auch Schmerzensgeld sind für alle erdenklichen Widrigkeiten. Für miese Kunstrasenplätze in veralteten Stadien mit einem Zuschauerschnitt, der selbst bei Spartak, dem landesweit populärsten Klub, nur bei rund 20 000 liegt. Für extreme Auswärtsreisen bis nach Wladiwostok. Für endlose Trainingslager in mehr als drei Monaten Winterpause. Das alles schreckt Fathi nicht: „Hier wird schnell und offensiv gespielt, mit viel Risiko.“ Der Uefa-Cup- Sieg von St. Petersburg und Russlands gute EM haben Fathi, wie er findet, recht gegeben. „Hier ist Geld da, hier werden im Moment Superstadien gebaut, Russland klettert mit jedem Jahr im internationalen Ranking höher.“

Bei Spartak läuft noch nicht alles rund in dieser Saison. Die letzten drei Spiele konnte Fathis Team nicht gewinnen, auf ein 1:3 bei Aufsteiger Terek Grosny folgte ein 1:5 gegen ZSKA im emotionalsten russischen Derby. Am vergangenen Sonnabend rettete sich Spartak nach einem 0:2-Rückstand gegen den Lokalrivalen Lokomotive noch zu einem 2:2, momentan ist der russische Rekordmeister nur Vierter in der Liga. Jetzt ist die Schonfrist für Fathi vorbei, der in bisher acht Saisoneinsätzen durchwachsene Leistungen abgeliefert hat. Aber er will sich durchbeißen. „Ich habe einen Vierjahresvertrag und will in Russland Fuß fassen“, sagt Malik Fathi. „Ich denke nicht daran, hier schnell wieder zu verschwinden.“

Tino Künzel[Moskau]

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