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Sport: Fußball aus der Seele

Sven Goldmann über den Gewinn eines Pokalfinals

Ach, der Pokal! Große Momente auf grünem Rasen. Modernes Drama mit richtigen, logischen Helden, am Samstag waren es die scheidenden Münchner Oliver Kahn und Ottmar Hitzfeld. Im Pokal verbietet sich das böse Wort vom Plastikfußball. Das Finale vor einem Jahr zwischen Nürnberg und Stuttgart war ein Fest der Schönheit, der erste Schritt auf dem Weg zur Renaissance eines Wettbewerbs, der vor ein paar Jahren noch so gut wie tot war. Das Endspiel zwischen den Bayern und Borussia Dortmund war nun noch ein Schritt weiter, zurück zu den Wurzeln eines Spiels, das im dritten Jahrtausend allzu oft in den Ruf gerät, eine seelenlose Veranstaltung zur Mehrung des Wohlstands einiger weniger Privilegierter zu sein.

Wann sieht man schon kickende Millionäre, die sich wie kleine Kinder gebärden? Den Weltmeister Luca Toni, wie er seine Kollegen nach einem dramatischen Finale wort- und gestenreich in Richtung Fankurve trieb. Den Teeniehelden Lukas Podolski, der in Euphorie und im infantilen Glück des späten Sieges seinen Kollegen Christian Lell im Mittelkreis umtrat. Den Zauberer Franck Ribéry, der, obwohl mit seinen Kräften völlig am Ende, gegen alle Regeln des Protokolls noch während der Siegerehrung den Pokal griff und über das halbe Spielfeld lief. All das war nicht inszeniert. Es kam aus der Seele.

Nur im Pokal können Verlierer auch Helden sein. Thomas Doll wird seinen Job in Dortmund vielleicht auch deshalb erst einmal behalten, weil seine Mannschaft, beflügelt vom Geist des Wettbewerbs, das beste Spiel einer ansonsten völlig missratenen Saison zeigte. Ein riesiges Spruchband in der Dortmunder Kurve verkündete: „Träumt einer, ist es ein Traum. Träumen viele, ist es der Beginn von etwas Großem.“ Im Pokal lässt der Fußball noch Träume zu. 90 Minuten, in denen es noch um alles oder nichts geht. Hier gewinnt nicht automatisch die teurer und damit besser zusammen gekaufte Mannschaft, die sich im Marathon einer kräftezehrenden Saison in der Regel durchsetzt. Im Pokal zeigt der Fußball noch, was ihm in Zeiten zunehmender Kommerzialisierung angeblich längst verloren gilt: Herz und Leidenschaft.

Was daraus folgt? Zweierlei. Erstens: Der Pokal lebt, und er wird weiterleben. Er hat im Terminkalender einen besseren Platz verdient als einen beliebigen Tag im April, zwischen zwei beliebigen Bundesliga-Spieltagen. Zweitens: Die moderne Fußball-Industrie sollte mal darüber nachdenken, woher der Pokal seine Faszination bezieht. Es ist der K.o.-Modus, der Zwang, sich in einem einzigen Spiel die Seele aus dem Leib zu spielen. Warum sollte man sein Spannung stiftendes Moment nicht in die Bundesliga transferieren, etwa in Form einer Play-off-Runde? Es sollte zumindest eine Überlegung wert sein. So viel zum nationalen Aspekt.

Darüber hinaus: Von Michel Platini, dem Präsidenten des europäischen Dachverbands Uefa, stammt die Idee, die Pokalsieger der großen Nationen automatisch für die Champions League zu qualifizieren. Was spricht eigentlich dagegen?

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