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Sport: Fußball-Bronze: Mit dem Ballgefühl von "Icke"

Renate Lingor hat ein Tor geschossen, auf das vermutlich sogar "Icke" Häßler stolz wäre. Mit dem Gefühl des Freistoßkünstlers vom TSV 1860 München schlenzte die Frankfurterin den Ball aus 18 Metern in den Torwinkel.

Renate Lingor hat ein Tor geschossen, auf das vermutlich sogar "Icke" Häßler stolz wäre. Mit dem Gefühl des Freistoßkünstlers vom TSV 1860 München schlenzte die Frankfurterin den Ball aus 18 Metern in den Torwinkel. 1:0 in der 64. Minute. Der Bann zum 2:0-Sieg über Brasilien und zum Gewinn der Bronzemedaille war endlich gebrochen. Die Frauen haben die Fahne des deutschen Fußballs also hoch gehalten bei Olympia, nachdem die Männer die Qualifikation nicht einmal geschafft hatten.

Bronze war auch das letzte Metall, das die deutschen Fußballstars bei Olympia gewannen, 1988 in Seoul. Mit dabei damals: Thomas Häßler. Ihr Vorbild sei "Icke" nicht, sagte die 24-jährige Studentin. "Ich himmle keinen männlichen Fußballstar an. Aber mir gefällt die Art, wie Icke spielt." Dem Schlusspfiff der koreanischen Schiedsrichterin im fast leeren Sydney Football Stadium folgte ein Aufkreischen der deutschen Mädchen. "Die bittere Enttäuschung des Halbfinales ist vergessen", sagte Bundestrainerin Tina Theune-Meyer sichtlich erleichtert. "Wir haben bewiesen, dass wir wieder zur Weltspitze gehören."

Durch ein auf besonders unglückliche Weise zu Stande gekommenes Eigentor hatte die DFB-Mannschaft in der Vorschlussrunde gegen Norwegen verloren. Bei der WM 1999 in den USA hatte es nur bis zum Viertelfinale gereicht. In Atlanta war das Frauen-Team nur Fünfter geworden. Doch diesmal ging die deutsche Mannschaft nicht mit leeren Händen aus dem Turnier. Der Sieg gegen die Brasilianerinnen, die den Deutschen schon im Gruppenspiel 1:2 unterlegen gewesen waren, war hoch verdient. Birgit Prinz, eine weitere von insgesamt sechs Frankfurterinnen im Team, hatte mit einem flachen Linksschuss zum 2:0 (79. Minute) den Erfolg gesichert.

Nur in der ersten halben Stunde tricksten die fixen brasilianischen Mädchen ein bisschen wie ihre berühmten männlichen Vorbilder. "Da haben wir uns gegen drei Spitzen sehr schwer getan", sagte die Bundestrainerin. Kapitän Sissi, die Spielmacherin mit der Nummer 10, Brasiliens bedeutendster Rückennummer, behandelte den Ball am kunstvollsten. Aus lauter Verehrung für Ronaldo hat sich die 33-Jährige den Kopf genauso kahl scheren lassen. Aber die wuseligen Mädchen aus Rio de Janeiro und Sao Paulo scheiterten immer wieder an den kräftigen Frankfurter Abwehrspielerinnen Steffi Jones und Doris Fitschen (31), mit über 130 Länderspielen deutsche Rekordnationalspielerin, und an der sicheren Torhüterin Silke Rottenberg (Brauweiler).

Nach dem Schlusspfiff weinten einige Brasilianerinnen, die fast alle aus ärmlichen Verhältnissen stammen. Umgerechnet 5000 Mark Prämie des Verbandes für die Medaille war ihnen entgangen. Die deutsche Mannschaft bleibt zusammen, um im nächsten Jahr den Europameistertitel zu verteidigen. Zwei Spielerinnen wandeln allerdings auf den Spuren von Lothar Matthäus: Bettina Wiegmann und Maren Meinert (beide Brauweiler) werden nun Profispielerinnen in den USA.

Dort werden sie sehr enttäuschte Amerikanerinnen trefen. Denn das US-Team, hoher Favorit auf den Gewinn der Goldmedaille, unterlagen in einem dramatischen Finale mit 2:3 (2:2, 1:1) durch das Golden Goal der Norwegerin Dagny Mellgren. Für die Skandinavierinnen war dies der größte Erfolg seit dem Gewinn der Weltmeisterschaft 1995, für die US-Profitruppe eine Riesen-Enttäuschung, denn vier Jahre zuvor in Atlanta hatte die Mannschaft noch Gold geholt.

Hartmut Scherzer

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