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Sport: Fussball-Bundesliga: Der Betzenberg erwacht zu neuem Leben

Nach einer Stunde zogen der vom Fieber geschüttelte Teamchef Andreas Brehme und sein Trainer Reinhard Stumpf der Mannschaft den Hemmschuh aus. Mario Basler, als Relikt aus alten Rehhagel-Zeiten nicht gerade Publikumsliebling, ging.

Nach einer Stunde zogen der vom Fieber geschüttelte Teamchef Andreas Brehme und sein Trainer Reinhard Stumpf der Mannschaft den Hemmschuh aus. Mario Basler, als Relikt aus alten Rehhagel-Zeiten nicht gerade Publikumsliebling, ging. Olaf Marschall kam. Youri Djorkaeff, bis dahin Sturmspitze, spielte endlich dort, wo Basler nur pomadig herumspazierte, der Welt- und Europameister aber am besten und wirkungsvollsten ist: Als Dirigent hinter den Stürmern. Plötzlich war im Strafraum etwas los. Erst verstolperten nacheinander Mirolslav Klose und Marschall den Ball. Anschließend stolperte Marian Christov in dem Getümmel. Schiedsrichter Edgar Steinborn entschied auf Elfmeter, der keiner war. Der alte Betzenberg-Mythos lebte wieder auf. Harry Koch verwandelte mit einem strammen Flachschuss den unberechtigten Strafstoß (67.). Wie dem auch sei: Der 1.FC Kaiserslautern machte aus einem scheinbar hoffnungslosen 0:2-Rückstand noch einen triumphalen 3:2-Sieg gegen Schalke 04 durch weitere Treffer von Tomasz Klos (72.) und Olaf Marschall (85.). "Olaf Marschall Fußballgott", sangen die Fans. "Was für ein Comeback des Torjägers nach fünfmonatiger Verletzungspause. Natürlich war Christovs Ausrutscher die spielentscheidende Szene. "Das Spiel war gelaufen. Dieser Elfmeter hat Kaiserslautern zurück ins Spiel gebracht", schimpfte Schalkes Trainer Huub Stevens und behauptete: "Ohne diesen Elfmeter hätte Kaiserslautern kein Tor geschossen." Auf dem Betzenberg, resignierte Stevens, spiele man eben gegen zwölf Mann. "Ich überlasse es den Medien herauszufinden", merkte der Trainer zynisch an, "wer dieser zwölfte Mann ist." Die 41500 Pfälzer Zuschauer, die nach dem Anschlusstor zum 1:2 auf einmal wie ein Mann hinter ihrer Mannschaft standen, hatte Stevens sicherlich nicht gemeint. "Lächerlich, unglaublich", nannte der vermeintliche Übeltäter Tomasz Waldoch die Elfmeter-Entscheidung. "Ich habe Christov überhaupt nicht berührt. Er wiegt hundert Kilo und ist einfach umgefallen." Schalke, das bis dahin das Spiel cool und clever kontrolliert, keine nennenswerte Pfälzer Torchance zugelassen hatte, ging in der brodelnden Betzenberg- Begeisterung nun völlig unter. Nach Standardsituationen hatte Schalke seine Tore erzielt: durch Kopfbälle Ebbe Sands (37.) und Waldochs (56.) jeweils nach einem Eckball beziehungsweise einem Freistoß Jörg Böhmes. Sand war krank ins Spiel gegangen und blieb dann zur Pause in der Kabine. Kaiserslautern, mit den beiden Bundesliga-Debütanten Roman Weidenfeller im Tor und Rainer Hauck auf der rechten Seite angetreten, hatte bis zum Rückstand zwar optisch dominiert, trotz des frischen und forschen Angriffsschwungs des herausragenden jungen Klose aber keine echte Torchance herausgespielt. Die hatte Schalke durch Emile Mpenza (33.) nach einem Superpass von Nemec. Doch Klos schlug den Ball gerade noch für seinen bereits geschlagenen Torhüter von der Linie. Dass Schalke nach dem Elfmeter die Kontrolle über das Spiel verlor, war für Stevens "normal". "Da werden Emotionen frei." Zumal Andreas Möller nun völlig abtauchte. So dreht sich dann ein Spiel: Auf der einen Seite werden die Knie weich, auf der anderen schwillt die Brust. Djorkaeff wurde zum großen Antreiber des Pfälzer Spiels. Eine Unsicherheit Oliver Recks nutzte Klos zum Ausgleich. Eine gefühlvolle Flanke des Franzosen verwandelte Marschall wie in seinen besten Zeiten mit dem Kopf zum umjubelten Siegtreffer. "Die Mannschaft hat Moral bewiesen und nach dem 1:2 wieder daran geglaubt, das Spiel noch drehen zu können", sagte Stumpf stellvertretend für Brehme auf der Pressekonferenz. Und gab damit Stevens indirekt Recht: Der unberechtigte Elfmeter kippte das Spiel und führte - drei Tage nach dem schweren Pokal- K.o. in Mönchengladbach - zum fünften Sieg im fünften Bundesligaspiel unter Andreas Brehme.

Hartmut Scherzer

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