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Fußball: Die Show des einfachen Menschen

Ribéry - der eingewechselte, zweifache Torschütze - glänzte beim 4:1 der Bayern gegen Stuttgart. Ein hochklassiges und unterhaltsames Spiel.

Auf einmal stand Luca Toni vor ihm, und da konnte Franck Ribéry nicht anders. Er lachte, und dann schraubte er mit der Hand vor seinem Ohr in der Luft herum, ja: Er äffte ihn nach, ihn, Toni, den Torjäger der Bayern, der genau das nach jedem seiner Treffer macht. Dabei war es doch Ribéry, der gerade getroffen hatte, zum zweiten Mal innerhalb von zwei Minuten. Der FC Bayern besiegte den VfB Stuttgart in der Fußball-Bundesliga am Sonntagnachmittag 4:1 (1:1) – dank Ribéry, mal wieder.

Es war kein hochklassiges, aber doch ein unterhaltsames Spiel, das die Münchner und die Stuttgarter dem Publikum boten. Wenngleich die Startformationen der beiden Klubs weit davon entfernt waren, als Bestbesetzung zu firmieren: Bei Stuttgart fehlten etwa die verletzten Fernando Meira, Thomas Hitzlsperger und Sami Khedira, und die Bayern liefen ohne Oliver Kahn, Lucio, Philipp Lahm auf, zudem nahmen Ribéry und Zé Roberto zunächst auf der Reservebank Platz. Miroslav Klose dagegen spielte, und das war erstaunlich, schließlich hatte Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld angekündigt, Klose werde wegen eines dreifachen Nasenbeinbruches „auf jeden Fall“ fehlen. Doch „Miro hat gesagt: Ich will zeigen, dass ich ein harter Kämpfer bin“, sagte Hitzfeld.

Ansonsten war die Hitzfeldsche Rotation der noch bevorstehenden, höheren Aufgabe geschuldet: Am Donnerstag, im „wichtigsten Spiel der vergangenen Jahre“ (Hitzfeld), wollen die Münchner ins Uefa-Cup-Finale. Die Meisterschaft dagegen ist bei nun zwölf Punkten Vorsprung so gut wie entschieden: „Es kann praktisch nichts mehr passieren“, sagte Hitzfeld und schmunzelte, „außer die Meisterschaft wird eingestellt.“ Dieses 4:1 gegen Stuttgart hatte also auch Hitzfelds sonst übliches nüchternes Understatement hinweggefegt. Die Meisterschaft wird nicht eingestellt, die Bayern sind quasi Meister. Nur noch nicht definitiv.

Alles begann nach acht Minuten. Luca Toni war einmal mehr zur richtigen Zeit am richtigen Ort: Hereingabe van Bommel, Stuttgarts Delpierre verstolpert den Ball, Toni muss aus drei Metern nur noch das Tor treffen – 1:0. Es entwickelte sich ein Spiel, in dem beide Mannschaften darauf bedacht waren, dem Gegner zu zeigen, dass sie hier gewinnen wollten, unbedingt. Doch es bedurfte eines Freistoßes, damit Stuttgart zum Ausgleich kam. In der 19. Minute legte sich Antonio da Silva den Ball zurecht, es waren 30 Meter bis zum Tor der Bayern. Er trat den Ball mit viel Schnitt nach vorne, der Ball segelte auf Michael Rensing zu, Mark van Bommel touchierte den Ball leicht mit dem Kopf – und Rensing sprang ins Leere. 1:1, Michael Rensing kniete auf dem Boden, den Kopf unter den Armen begraben. Er konnte nichts dafür, dieser Ball war für ihn unhaltbar. Vermutlich hätte er ihn abgewehrt, wenn der Ball nicht seine Flugbahn geändert hätte.

Die Erlösung kam in der 55. Minute: Klose wurde 20 Meter vor dem Tor gefoult, den Freistoß führte Mark van Bommel mit roher Gewalt aus und jagte den Ball ins untere Toreck. Es war van Bommels letzte Szene: Kurz darauf wurde er ausgewechselt, auch van Bommel spielte ja mit kaputter Nase.

Mit van Bommel holte Hitzfeld auch den abermals schwachen Willy Sagnol vom Platz; die Zuschauer verabschiedeten ihn mit Pfiffen. „Das hat mich schon ein bisschen beleidigt“, sagte Sagnol, „aber ich verstehe die Leute, ich war nicht gut drauf heute.“ Es kamen: Zé Roberto und Franck Ribéry.

„Wenn man Ribéry und Zé Roberto einwechseln kann, dann kann man den Verein nur beglückwünschen“, stellte Stuttgarts Mario Gomez fest. Er hatte Recht: Die Bayern übernahmen nun die Kontrolle. Es folgte die Entscheidung, begleitet durch den Lieblingsruf der Fans: „Ribéry, Ribéry“. Zuerst, in der 75. Minute, schoss Ribéry den Ball vom Strafraumeck so, dass er nach einer erstaunlichen Flugkurve im Kreuzeck landete, und in der 76. Minute ließ er die Stuttgarter Verteidigung mit einem Haken ins Leere laufen, um sofort mit links ins rechte Eck zu schießen. 4:1, der Nachmittag war gelaufen.

Als das Spiel vorbei war, trat Ribéry vor die Reporter und sagte, mit gewohnter Demut: „Ich bin ein einfacher Mensch und habe einfach nur Spaß am Fußball.“ Letzteres war am Sonntag nicht zu übersehen, mal wieder.

Michael Neudecker[München]

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