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24 Teams aus Europa kicken ab Freitag in Frankreich um die Trophäe.

© dpa

Fußball-EM 2016: Ein europäisches Fest voller Sorge, Hoffnung, Sehnsucht

Wohl selten war eine EM von so vielen äußeren Faktoren belastet wie diese. Am Ende aber bleibt Fußball ein Spiel mit 22 Leuten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Friedhard Teuffel

Noch fünf Tage bis zum Anstoß. Noch fünf Tage, um die innere Aufstellung vorzunehmen. Vor dieser Fußball-Europameisterschaft in Frankreich zerren schließlich gerade zahlreiche Gefühle an den Menschen. Überspielen wir einfach mal, dass viele schon jetzt von diesem Turnier genug haben, weil es kein Auto und keine Bratwurst mehr gibt, die nicht mit Fußball beworben werden. Kommen wir gleich zu den tieferen Gefühlen vor dieser EM: Sorge, Hoffnung, Sehnsucht.

Selten wirkte eine sportliche Großveranstaltung so verletzlich wie diese. Sicherheit ist diesmal keine Angelegenheit von behördenmäßiger Routine. Dazu hallen die Explosionen vor dem Stade de France im November zu sehr nach. Die Vorgeschichte eines großen Fußballturniers war wohl noch nie so düster. Die Sorge in Hoffnung und Entspannung umzuwandeln, wird gerade am Anfang die große Herausforderung, um sich ganz auf den Fußball einzulassen.

Die EM ist auch ein europäisches Fest, daran denken sicher vor allem diejenigen, die es gut mit Europa meinen, mit dem europäischen Zusammenhalt, auch dem institutionellen. Sie haben Sehnsucht nach europäischer Gemeinschaft. Es ist ein Turnier inmitten der Flüchtlingskrise, inmitten eines Wachstums national-populistischer Parteien. Was ein Fußballturnier politisch ausrichten kann? Nicht viel, wenn man es von vorneherein erwartet, verlangt – und damit überfrachtet. Die Griechen können sich für ihren märchenhaften Europameistertitel von 2004 schon lange nichts mehr kaufen.

Der organisierte europäische Fußball steht ohnehin nicht gut da. Der Mann, der den Siegerpokal mit überreichen sollte, Europas ehemals bester Fußballspieler Michel Platini, ist als Präsident des europäischen Verbands gesperrt. Verstrickt wie Joseph Blatter in das Selbstbedienungssystem des internationalen Fußballs. Er darf die Veranstaltung, die er selbst mit konzipiert hat, nicht im Stadion erleben.

Denn um gewählt zu werden, versprach er mehr Teilnehmer. So spielen diesmal 24 statt 16 Mannschaften. Ganz europäisch eigentlich, die Lösung, die von Liebhabern des Sportlich-Elitären gegeißelt, von Freunden der Underdogs gefeiert wird. Nun sind die Ungarn dabei, in der europäischen Gemeinschaft politisch zuletzt eher umstritten, EU-Beitrittskandidat Albanien und Island, das bei jedem internationalen Finanzskandal immer für einen Sidekick gut zu sein scheint. Das Vereinigte Königreich ist gleich dreifach vertreten, mit England, Nordirland und Wales. Während das Land über den Brexit streitet, spielen seine einzelnen Teile so stark wie nie auf europäischer Bühne mit.

Das alles ist zunächst Symbolik. Wenn daraus mehr europäischer Zusammenhalt werden sollte, dann bietet der Sport sich immerhin als Rahmenhandlung an. Gespielt wird aber auch um innergesellschaftlichen Zusammenhalt. Das macht etwa die deutsche Nationalelf. Ohne Gastarbeiter kein wirtschaftlicher Erfolg, ohne Einwandererkinder kein sportlicher. Da ist der Gastgeber Frankreich Vorbild mit seiner Equipe multiculturelle, die 1998 im eigenen Land Weltmeister wurde. In Zeiten gesellschaftlicher Desorientierung muss auch das Selbstverständliche offenbar betont werden: Fußball ist ein Spiel mit 22 Leuten, Boateng hält die Abwehr zusammen und vorne macht Özil das Spiel. Wer im Abseits ist, entscheidet der Schiedsrichter.

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