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Fußball-EM in Schweden: Nur Deutschland stört

Deutschland trifft am Mittwoch im Halbfinale der Fußball-EM auf die Gastgeberinnen aus Schweden, die sich vor den Deutschen aus Erfahrung fürchten. Dabei kommt es auch zum Duell der Trainerinnen Sundhage und Neid.

Als Silvia Neid und Pia Sundhage ihre Karrieren begannen, war es noch merkwürdig, dass Mädchen Fußball spielten. Silvia Neid musste in den 1970er Jahren in Walldürn im Odenwald mit den Jungen spielen. Bei Pia Sundhage war es in Ulricehamn in Westgotland genauso. „Wir waren anders, man fand das seltsam“, erinnert sich Sundhage. „Weibliche Vorbilder gab es nicht. Meine waren Cruyff, Pelé und Beckenbauer.“ Sie hat für Schweden in 146 Länderspielen mit 71 Toren etliche Erfolge gefeiert. Neid steht ihr mit 48 Treffern in 111 Spielen für Deutschland nur wenig nach. Gemeinsam gehören sie zu den großen Persönlichkeiten des Frauenfußballs, beide wurden von der Fifa schon als Welt-Trainerin des Jahres ausgezeichnet. Nun treffen sie mit ihren Mannschaften am Mittwoch in Göteborg im Halbfinale der Europameisterschaft aufeinander (20.30 Uhr/ ZDF und Eurosport live).

Sundhage beherrscht in Schweden aktuell die Schlagzeilen, noch mehr als Lotta Schelin, die mit fünf Treffern erfolgreichste EM-Torjägerin. „Pia hat das Sieger-Gen“ schrieb die Zeitung „Expressen“. Zweimal hat sie das US-Team zur Olympia-Goldmedaille geführt, die im Frauenfußball höher bewertet wird als ein WM-Titel. „Für mich ist Pia eine Frau, die Fußball lebt. Sie lebt ihn nicht nur, sie liebt ihn auch“, sagt Neid.

Bei dieser skandinavischen EM mit Schweden, Norwegen und Dänemark im Halbfinale stört nur noch Deutschland – das Trauma des schwedischen Frauenfußballs schlechthin. Zwei Endspiele gingen gegen die deutschen Frauen verloren, 2003 das WM-Finale in den USA durch das Golden Goal von Nia Künzer und 2001 bei der EM in Deutschland. Dreimal stoppte das DFB-Team die Schwedinnen bei Olympia (2000, 2004, 2008). 1997 war die deutsche Hürde im EM-Halbfinale zu hoch. Nun soll endlich der deutschen Dominanz ein Ende gesetzt werden.

Silvia Neid, die an den vielen deutschen Erfolgen direkt als Spielerin oder Trainerin beteiligt war, genießt in Skandinavien hohe Wertschätzung. „Sie leistet großartige Arbeit“, sagt Sundhage und schlug sie 2011 sogar als Nachfolgerin von Joachim Löw bei den DFB-Männern vor, als Neid ansonsten nach dem WM-Aus im eigenen Land hart kritisiert wurde. Während Neid nur den DFB kennt, war Sundhage als Trainerin in China, Norwegen und den USA unterwegs. Im August 2012 holte sie mit den US-Amerikanerinnen noch Gold bei Olympia in London, im vergangenen Dezember wurde sie endlich auch schwedische Nationaltrainerin, nachdem sie früher nur Vereine im Land gecoacht hatte. Und plötzlich sind die Schwedinnen besser denn je. Alles ist bereitet für eine Sensation gegen die Deutschen, von denen auch die Schwedinnen wissen, dass etablierte Spielerinnen fehlen und die jungen noch nicht ganz so weit sind.

Und schon einmal war Sundhage schneller als Neid – weil sie vier Jahre älter ist. Da der DFB seine Frauen 1982 noch nicht für gut genug befand, wurden sie nicht für den Europapokal der Nationalmannschaften angemeldet, den die Uefa nachträglich in eine EM umwandelte. Gewonnen wurde sie 1984 von Schweden durch ein 4:3 im Elfmeterschießen in Leeds gegen England. Sundhage schoss den siegbringenden Elfmeter, was während der EM bei jeder Fernsehübertragung immer wieder gezeigt wird.

„Ich habe es über 100 Mal gesehen, auch die Freude, die ich hatte. Die Situation, in der es um Alles oder Nichts geht, habe ich damals schon geliebt“, sagt Sundhage und verrät damit viel über ihren Charakter. „Wir möchten die Europameisterschaft im eigenen Land gewinnen, mit dem zwölften Spieler“, sagt Sundhage und packt damit die Mannschaft und die Fans. US-Rekordspielerin Kristine Lilly sagte einmal zu Sundhage: „Deine Begeisterung hat noch jeden angesteckt.“ Aber noch nie habe eine Trainerin mehr von ihr verlangt. Wenn Sundhage am Sonntag als zweite Frau nach Neid nicht nur als Spielerin, sondern auch als Trainerin den EM-Titel gewinnt, wäre das für die Schweden einfach nur logisch.

Gregor Derichs

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