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Und dann die Hände zum Himmel... Die DFB-Bubis sehen harmlos aus, wissen aber was sie wollen.

© dpa

Deutschland - Italien: Milchbubis ohne Furcht

Vor dem EM-Halbfinale in Warschau will Italiens grauer Mittelfeldstar Andrea Pirlo Angst bei den deutschen Spielern ausgemacht haben. Aber dieser Versuch wird den Italienern nichts nützen, denn er beruht auf einer falschen Annahme.

Es wurde dieser Tage immer mal wieder voller Bewunderung über die Gesichter der Italiener geredet. Es ging nicht um Züge von Filigranität oder Schönheit, es ging um andere Eigenschaften, die angeblich wie Bände sprächen: Verschlagenheit, Härte und, immer wieder genannt, Furchtlosigkeit. Und als ob die Italiener die Berichte dieser Tage akribisch kühl analysiert und ihre Schlussfolgerungen gezogen hätten, äußerte sich ihr wohl wichtigster Stratege in Sachen psychologischer Kriegsführung einen Tag vor dem Spiel exakt in diese Richtung. Die Deutschen, formulierte Andrea Pirlo selbstverständlich ohne einen Anflug von Emotionalität, hätten Angst. Es war der Versuch Pirlos, quasi eine Art verbalen Löffler schon vor dem Spiel loszulassen, in der Hoffnung, er mache die Moral der Deutschen so platt wie das Selbstbewusstsein des bemitleidenswerten englischen Torhüters Joe Hart. Psychologie ist auch die Kunst, so zu tun als ob.

Der Versuch, den Deutschen Angst einzureden, ist interessant. Denn er basiert auch auf der Tatsache, dass die Deutschen es zweimal nicht geschafft haben, ihre Vorbilder aus Spanien zu besiegen. In dieser Hinsicht besonders geeignet, um die Angst-These zu stützen, ist die Halbfinal-Niederlage bei der WM 2010. Damals beschied man den Deutschen zwar, keine Angst gehabt zu haben, aber mindestens zu brav, zu harmlos, ja vor allem zu naiv agiert zu haben. Hier sitzt der Stachel, den Pirlo nun wieder ein wenig fester ins deutsche Fleisch gedrückt hat. Aber man darf wohl sagen, dieser Versuch wird den Italienern und vielleicht auch den Spaniern nicht mehr von Nutzen sein. Weil er auf einer falschen Annahme beruht.

Deutschland hat zwar die jüngsten Spieler, aber viele ihrer Gesichter sind alt genug für den Titel. Die angeblichen Milchbubis sind auch Männer, denen man ihren Mut, ihren Willen, ja ihre Furchtlosigkeit ansehen kann. Man muss nur ein bisschen länger schauen, das liegt daran, dass die deutschen Gesichter schöner sind als die der Italiener. Aber hat jemand mal genau hingeschaut, wenn etwa Philipp Lahm mit hohlen Augen und verschwitzter Miene vor die Mikrofone tritt, selbst dann, wenn gerade der größte Traum dahoam, das Champions-League-Finale, unglücklich verloren gegangen ist? Lahm stellt sich, traut sich, sollen die Italiener doch denken, er habe Angst. Oder Holger Badstuber, ein grimmiger Bayer, dessen Ehrgeiz und Selbstbewusstsein ihm aus allen Poren sprießt, obwohl er immer wohlerzogene Worte findet. Der Mann will ins Finale! Oder Mats Hummels, von dem immer noch manche denken, er könne nicht international. Wer ihn anschaut, seine Ruhe wahrnimmt, der soll das mal ruhig verwechseln mit Angst. Oder Jerome Boateng, einer aus Berlin, der nachts noch immer gerne um die Häuser zieht, aber der sich reinhauen kann. Hat er Ronaldo gefürchtet? Ach ja, das Milchgesicht Özil! Hat einen Stammplatz beim spanischen Meister Real Madrid. Noch Fragen zur Angst? (Tsp)

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