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Philipp Köster.

© Mike Wolff

Kolumne Europareise (16): Geschäfte mit Helles und Deutshland

In unserer täglichen Kolumne kommentieren Marcel Reif, Moritz Rinke, Lucien Favre, Philipp Köster und Jens Mühling im Wechsel die EM. Heute wundert sich Philipp Köster über die Rechtschreibschwäche der Fanartikelhändler.

Ein Turnier wie die EM ist nur auf den ersten Blick ein sportlicher Wettbewerb. Wer stattdessen in Danzig, Kiew und Posen genauer hinschaut, sieht in der Euro vor allem einen Tummelplatz für ulkige Geschäftsideen.

Das beginnt schon auf dem traditionellen Schwarzmarkt für Eintrittskarten. Bei jedem größeren Turnier lungern an der Strecke zum Stadion wenig vertrauenerweckende Herren mit Pappschildern herum und bieten Tickets zu überhöhten Preisen feil. So weit so gewöhnlich, zumal lobend erwähnt werden muss, dass in Polen und der Ukraine selten solch dreiste Mondpreise verlangt wurden, wie etwa 1998 bei der WM in Frankreich. Neu allerdings sind jene, die statt Tickets fürs Stadion lieber eigenhändig gestaltete Karten für das Public Viewing in der Innenstadt anbieten – das kostet nämlich gar nichts. Was uns von der Idee her doch stark an jenen legendären Berliner erinnert, der einst in der U-Bahn statt der Obdachlosenzeitung lieber das kostenlos ausliegende Kundenmagazin eines amerikanischen Schnellbräters anbot.

Nicht minder zahlreich lauern junge Damen mit Farbpaletten am Wegesrand, die für geringes Entgelt den Fans die Landesfarben auf die Wangen malen. Nun haben die Künstlerinnen jedoch fest mit dem Weiterkommen der Polen gerechnet und deshalb rote und weiße Farbe en gros im Angebot. Das rechnet sich nicht allzu gut, zumal auch noch die Dänen rausgeflogen sind. Hinzu kommt die eine oder andere Produktenttäuschung. Vor dem Spiel gegen Griechenland pinselte eine Malerin einem Anhänger aus Hamburg ein schwarzrotgoldenes Deutschland auf die Backe, allerdings in den Grenzen von 1989, ohne die neuen Bundesländer.

Unter Rechtschreibschwäche leiden hingegen die ebenfalls in Kompaniestärke angetretenen Direktvertriebler von gefälschten Fanartikeln. Weit verbreitet sind weiße Jacken mit „Deutshland“-Aufdruck und, besonders schön, deutsch-griechische Freundschaftsschals auf denen zwar die hiesige Seite richtig buchstabiert, aber das ruhmreiche »Hellas« in die Biersorte »Helles« verwandelt wurde. Der Absatz verlief eher schleppend.

Ich hab trotzdem zweimal zugeschlagen. Schon, weil nach ein paar Jahren Souvenirs vergangener Turniere, seien sie nun gefälscht oder nicht, immer im Wert steigen. Sogar Goleo, der debile Löwe ohne Hose von der WM 2006, ist inzwischen fast ein Sammlerstück. Genauso wie im Jahr 2020 meine neue Jacke mit „Deutshland“-Aufdruck

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