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Krawalle

© dpa

Fußball-Krawalle: Angriff von beiden Flanken

In Italien haben sich linke und rechte Fußball-Ultras verbrüdert und kämpfen gemeinsam gegen den Staat: einheitlich vermummt, ohne Klubsymbole an der Kleidung.

Die Anhänger der beiden römischen Fußballklubs Lazio und AS haben normalerweise nur eines gemein: Sie sind verfeindet bis aufs Blut. Am Sonntag war nicht mehr zu erkennen, wer es mit Lazio und wer es mit der Roma hält. Die Fußballfans, die die Gegend um das Olympiastadion verwüsteten, trugen nicht mehr die kennzeichnenden und unterscheidenden Farben ihrer Vereine; sie hatten sich einheitlich schwarz vermummt. Und sie hatten es auch nicht aufeinander abgesehen, sondern gegen einen gemeinsamen Feind mobil gemacht: gegen den Staat, der zuvor einen der ihren getötet hatte.

Die Dinge sind aus den Fugen geraten in Italien, seit sich am Sonntag ein Schuss aus der Pistole eines Polizisten löste und den Lazio-Anhänger Gabriele Sandri tödlich traf. Dass eine schwer bewaffnete Polizeistation überfallen worden wäre, das hatte das Land nicht mal in der „bleiernen Zeit“ des Links- und des Rechtsterrorismus erlebt. Staatsanwälte, Polizei und Innenministerium haben einen „qualitativen Sprung“ in Struktur und Ausmaß jener Gewalt ausgemacht, die vom Fußball ihren Ausgang nimmt. Es gehe nicht mehr nur um Gewalt im Zusammenhang mit Fußball, sondern vielmehr um Terrorismus, „ausgerichtet auf den Umsturz oder die Destabilisierung grundlegender Einrichtungen eines Landes“.

Innenminister Giuliano Amato warnt schon seit längerem vor einer terroristischen Unterwanderung und Instrumentalisierung von Fan-Gruppen. Von 529 registrierten Vereinen der „Ultra“-Bewegung gelten laut Polizeieinschätzung 268 als „politisiert“ und nur 261 als „rein auf den Fußball ausgerichtet“. Die Gefahr von rechts scheint dabei besonders groß. Unter den landesweit 80 000 organisierten Ultras – das entspricht etwa 15 Prozent der regelmäßigen Stadionbesucher – sollen 14 600 zu rechtsextremen, 5300 zu linksextremen Gruppen zählen. Rechte bis rechtsextreme Fangruppen kontrollieren die Fan- Kurven beispielsweise in Norditalien, in Rom, in Neapel und Salerno. In Genua, Livorno und Bergamo, wo am Sonntag die gewalttätigsten Ausschreitungen stattfanden, sind die Tifosi rot bis tiefrot gefärbt.

Am vergangenen Wochenende aber verbündeten sich die Extremsten aus den entgegengesetzten Lagern. Gemeinsam mit den Anarchisten haben sie sich das „System“ als gemeinsames Ziel vorgenommen, den „repressiven, imperialistischen Kerkermeister-Staat“ und seinen bewaffneten Arm, die Polizei. Das Problem sei allerdings, so zitiert die Zeitung „La Repubblica“ einen Antiterror-Spezialisten, „dass es ein Umsturzversuch ohne konkretes Projekt ist, dass du (als Polizist) vor dir eine tiefe Nacht hast, in der alles Mögliche an Dramatik passieren kann – und du bist nicht in der Lage, die nächsten Schritte der Leute vorauszuahnen, die dir da gegenüberstehen.“

Restriktiv war „der Staat“ in den zurückliegenden Monaten durchaus. Die Mitte-Links-Regierung unter Romano Prodi setzte die Sicherheitsmaßnahmen rund um die Stadien durch, die der Mailänder Fußball- und frühere Regierungspräsident Silvio Berlusconi immer hatte schleifen lassen. Nach dem Tod eines sizilianischen Polizisten bei Ausschreitungen Anfang Februar verschärfte das Kabinett Prodi einige Regeln sogar noch: Zum Beispiel dürfen Eintrittskarten zu den Stadien nur noch individuell und gegen Personalausweis verkauft werden.

Damit aber verlieren gerade die Ultras einen beträchtlichen Teil ihres Geschäfts. Sie hatten sich bisher – mal mit den Klubs mauschelnd, mal sie erpressend – ganze Kartenkontingente zu vorteilhaften Konditionen gesichert, sie gezielt unter ihre Getreuen verteilt sowie die Schlachtenbummelei gewinnbringend und polemisch anheizend organisiert. Und für die farbenprächtige „Choreografie“ gemeinschaftlichen Stadienjubels ließen sie sich extra bezahlen.

Der harte Kurs der Regierung sowie ein beginnendes Umdenken in den Vereinen haben nun dazu geführt, dass die Ultras abgedrängt wurden, dass sich Klubs und andere Fangruppen von den Extremen ausdrücklich distanzieren. Die Randale in den Stadien und die Zahl der Verletzten sind in der laufenden Saison spürbar zurückgegangen, und auf den Rängen änderte sich die Atmosphäre: Juventus-Fans zum Beispiel hielten sogar einen Tifoso aus den eigenen Reihen fest und ließen ihn verhaften, weil er einen Feuerwerkskörper auf den Rasen geschossen hatte.

Die Folge: Die Randale verlagert sich aus dem Stadion nach draußen. Die Prügelei am Sonntagmorgen zwischen Lazio und Juve-Fans war nicht die erste, die in einer Autobahnraststätte ausgetragen wurde. Der tödliche Schuss des Polizisten diente danach nur als Vorwand, als Legitimation für Krawalle, die man ohnehin im Sinne hatte, für die es aber zuletzt keinen Ort mehr zu geben schien.

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