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Alles ist klar. Bundestrainer Joachim Löw plagen angesichts der bereits feststehenden EM-Teilnahme vor den letzten beiden Qualifikationsspielen keine Sorgen. Nur die Dunkelheit im Mainzer Teamhotel sorgt kurzzeitig für Undurchsichtigkeit.

© dapd

Fußball-Nationalelf: Löw ruft Konkurrenzkampf aus

Eigentlich geht es in den nächsten Länderspielen, wie am Freitag gegen die Türkei, für die Nationalelf um nichts. Deshalb fördert Bundestrainer Löw die Rivalität um die Plätze im EM-Kader.

In Zeiten wie diesen, in denen die deutsche Fußball-Nationalmannschaft von echten Problemen nahezu verschont bleibt, erhalten schon kleinere Ungeschicke den Rang großer Nachrichten. Am gestrigen Montag unterlief Mesut Özil und Lukas Podolski ein solches, an sich lässliches Missgeschick. Beide versäumten die pünktliche Anreise zum Treffpunkt der Nationalmannschaft in Mainz. Sie standen im Stau, weil auf der A 3 ein Gefahrguttransporter verunglückt war und die Autobahn in der Folge gesperrt werden musste. Für die Weiterreise nach Istanbul zum EM-Qualifikationsspiel gegen die Türkei (Freitag, 20.30 Uhr, live in der ARD) drohen den Deutschen hingegen keine größeren Gefahren mehr – sieht man einmal davon ab, dass sie sich nicht dem Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung aussetzen wollen.

Mit den Spielen am Freitag und am kommenden Dienstag endet die Gruppenphase der EM-Qualifikation, die letzten Entscheidungen in Europa stehen an. Doch während bei den anderen Nationen die Nervosität wächst, wirkte Joachim Löw am Tag vor der Abreise nach Istanbul äußerst entspannt, was auch daran liegen könnte, dass die Deutschen der Konkurrenz mindestens zwei Schritte voraus sind. Die Nationalmannschaft ist nicht nur längst für die Europameisterschaft qualifiziert, sie hat auch ihr EM-Quartier in Danzig und die beiden Trainingslager zuvor bereits fest gebucht. Er freue sich sehr, so begann der Bundestrainer seine Ausführungen, „dass wir die Planung schon abgeschlossen haben“.

Der sportliche Erfolg hat Löw in eine Situation gebracht, um die er von einigen seiner Kollegen beneidet werden dürfte. Vor der Nominierung des EM-Kaders ist 2012 im internationalen Terminkalender nur noch ein Länderspiel (Ende Februar) vorgesehen. Löw aber erhält vier zusätzliche Möglichkeiten, weitere Kandidaten zu testen: am Freitag in der Türkei, nächsten Dienstag gegen Belgien und im November, an den beiden Relegationsspieltagen, gegen den EM-Gastgeber Ukraine und den Mitfavoriten Holland. All diese Begegnungen gedenkt der Bundestrainer zu taktischen und personellen Experimenten zu nutzen. Einerseits. Andererseits will er auch nicht zu viel rotieren, weil Belgien und die Türkei noch um ihre Teilnahme an der EM kämpfen und keiner von beiden durch deutsche Nachlässigkeit bevorzugt werden soll.

Auf der nächsten Seite lesen Sie, warum sich die Stamm-Elf bei Löw nicht zu sicher sein darf.

Dazu kommt der Wunsch, Geschichte zu schreiben. Die Nationalmannschaft hat die Chance, die Qualifikation mit zehn Siegen aus zehn Spielen abzuschließen. „Ein Meilenstein“ wäre das, sagte Löw, „größer kann die Motivation eigentlich nicht sein“. Die Frage ist nur, ob sie groß genug ist gegen eine Mannschaft, die um ein noch viel größeres Ziel, um die Teilnahme an der EM, spielt. Aus seiner Zeit als Trainer bei Fenerbahce Istanbul kennt Löw die Türken und ihre Mentalität. In den vergangenen Monaten sei die Nationalmannschaft durch den Manipulationsskandal in der Liga etwas in den Hintergrund geraten, sagte er, „aber ich weiß, dass die Türken alles mobilisieren werden, wenn es gegen Deutschland geht“.

Das hat im Hinspiel vor allem der Deutsch-Türke Özil erfahren, der von den türkischen Fans aufs Heftigste ausgepfiffen wurde; dem Dortmunder Ilkay Gündogan erspart Löw daher die möglicherweise grenzwertige Erfahrung, im Heimatland seiner Vorfahren für die deutsche Nationalmannschaft zu debütieren. Allerdings hat er Gündogan eine Nominierung für das Spiel gegen Belgien in Aussicht gestellt, womit der Mittelfeldspieler für die Türkei endgültig verloren wäre. Mit der künstlichen Herstellung von Motivation verhält es sich ähnlich wie mit der chemischen Gewinnung von Gold: Sie funktioniert in der Regel nicht. Der Bundestrainer setzt daher in den bedeutungslosen Pflichtspielen auch auf den Konkurrenzkampf um die wertvollen Plätze im EM-Kader und in seiner mutmaßlichen Stammelf.

Allzu sicher darf sich niemand sein, selbst Sami Khedira muss sich im zentralen Mittelfeld des zuletzt auffallend starken Toni Kroos erwehren, der für das Spiel in Istanbul aber wohl wegen einer Grippe ausfällt.

Khedira oder Kroos? Götze oder Özil? Klose oder Gomez? Schürrle oder Podolski? Hummels oder Mertesacker? Der Bundestrainer empfindet all diese Personalfragen keineswegs als lästig, der Konkurrenzkampf sei durchweg positiv und förderlich, gerade im Hinblick auf das bevorstehende Turnier. Vor allem aber wertet Löw den Zuwachs an Aspiranten als Ausdruck für die neue Stärke im deutschen Fußball. „Große Mannschaften haben einen großen Durchlauf“, sagte er. Und so groß wie zuletzt war der Durchlauf in der Nationalmannschaft nachweislich schon lange nicht mehr.

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