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Real-Präsident Florentino Perez umgibt sich gerne mit Größen der Fußballwelt. Hier empfängt er mit Diego Maradona einen Vertreter der guten alten Zeit, als Steuersünden der Vereine als Kavaliersdelikt galten.

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Fußball und Ökonomie: Die Bundesliga profitiert von der Krise

Weil in Italien und Spanien das Geld knapp wird, verschieben sich im europäischen Fußball die Kräfte nach Norden. Deutschland und England zählen zu den Gewinnern.

Gewerkschafter stürmen eine Bank, sie protestieren gegen die harte Sparpolitik der Regierung. Es ist der 27. August 2012, schon lange wird Spanien von Demonstrationen erschüttert, mehr als eine Million Menschen sind mittlerweile auf Lebensmittelhilfen angewiesen. Auch Florentino Pérez, Präsident von Real Madrid, ist an diesem 27. August bei einer Bank. Er handelt letzte finanzielle Details aus und macht den 30 Millionen Euro-Transfer von Mittelfeldspieler Luka Modric perfekt. Geldinstitute kollabieren, Menschen protestieren, Politiker intervenieren – aber dem großen Fußball-Monopoly kann die Dauerkrise in Europa scheinbar nichts anhaben. Doch ist das wirklich so?

Gerade die spanische Primera Division steht vor einem Niedergang, der nicht durch die Krise ausgelöst, aber von ihr angestoßen wurde. Wirtschaftswissenschaftler Jose Maria Gayvon der Universität Barcelona glaubt, dass „der spanische Fußball stirbt.“ Fünf Jahre liege dieser hinter den andern Topligen zurück, die Stadien seien zu alt, Erfolgsaussichten nur bei Real Madrid und Barcelona vorhanden. Die sportlichen Erfolge der sich in ständigen „Clásicos“ duellierenden Großvereine verdecken, dass der mit 3,5 Milliarden verschuldeten Liga der Kollaps droht. Statt der gewohnten immensen Investitionen erzielten die Vereine der „La Liga“ vor dieser Saison notgedrungen einen Transferüberschuss von 60 Millionen Euro. Und nun will der Staat bis 2020 auch noch einen Teil jener insgesamt 1,2 Milliarden zurück, mit denen die Profiklubs bei ihm in der Kreide stehen. Ein Teil soll ihnen erlassen werden, was allerdings ein klarer Fall einer illegalen Subvention für jahrelange Steuerverweigerer wäre und den Spaniern seit Jahren den Vorwurf des „finanziellen Dopings“ einbringt.

Wie eng die Verzahnung von Sport, Politik und Wirtschaft in Spanien ist, hat nicht zuletzt die Bankenkrise gezeigt. Mitten in den Finanzturbulenzen hatte eine Madrider Sparkasse Real über 70 Millionen Euro geliehen. Das gestrauchelte Geldinstitut musste später mit Steuermilliarden gestützt und mit anderen Problembanken zur „Bankia“ fusioniert werden, die nun wiederum Steuergeld oder die Solidarität anderer europäischer Staaten zur Rettung braucht.

Joachim Gassen, Finanzexperte von der Humboldt-Universität Berlin, glaubt zwar nicht, dass die Regierung einen Niedergang der Vereine zulässt, sieht durch die Krise jedoch grundsätzliche Probleme: „Es ist gut möglich, dass die politischen Liebesdienste an die Vereine weniger werden. Politiker müssen abwägen was wichtiger ist: Faire Lastenverteilung oder gute Stimmung wegen fußballerischen Erfolgen.“ Nun will die spanische Regierung den verminderten Steuersatz für Spitzenfußballer abschaffen, die bislang nur so viel zahlen wie Hilfsarbeiter. Sollten die Privilegien entfallen, würden vor allem kleinere Klubs finanziell kaum noch mithalten können, da in Spanien die Fernsehgelder im Gegensatz zu den anderen Topligen dezentral vermarktet werden und Barca und Real das Groß abschöpfen. Real Madrid und Barcelona werden zwar auch in vielen Jahren noch Weltklubs sein, doch wenn sie die Konkurrenz immer weiter abhängen, schlägt sich das negativ auf das Fußballinteresse in Spanien insgesamt nieder.

Der schwierigste Patient ist die Serie A

Der 30-Millionen-Euro-Mann. Trotz Wirtschaftskrise investierte Real Madrid ein Vermögen in den Kroaten Luka Modric. Foto: dpa
Der 30-Millionen-Euro-Mann. Trotz Wirtschaftskrise investierte Real Madrid ein Vermögen in den Kroaten Luka Modric. Foto: dpa

© dapd

Mit noch größeren Problemen hat die italienische Serie A zu kämpfen. Den Übergang vom alten Bunga-Bunga-Klüngel zur neuen Seriosität illustriert Premierminister Mario Monti. Schon als EU-Wettbewerbskommissar prangerte er 2003 die unter seinem Vorgänger Berlusconi übliche „staatlich subventionierte Bilanzfälschung“ an, weil die Vereine ihre horrenden Schulden über zehn Jahre abschreiben konnten. Monti hat wegen der Krise nicht nur ein Ende dieser indirekten Subventionen veranlasst, sondern mit seinem Vorschlag einer Aussetzung des Spielbetriebs für Aufsehen gesorgt. So könne sich die Liga von Manipulationsskandalen erholen. „Die Situation in der Serie A hängt auch mit überalteten Stadien und dem sinkenden sportlichen Wert zusammen. In den 1990ern war der italienische Clubfußball das Nonplusultra“, sagt Andreas Ullmann, Senior Consultant bei Sport+Markt. Nur Juventus Turin besitzt eine eigene, neue Arena. Zahlreiche Versuche, arabische Investoren ins sinkende Boot zu holen, scheiterten zuletzt, wie der von Inter-Chef Massimo Moratti, der schon mehr als eine Milliarde Euro in seinen Verein gepumpt hat. Auch die Serie A hat vor dieser Spielzeit ein Transferplus erwirtschaften müssen, der Niedergang der mit 2, 6 Milliarden verschuldeten Liga – aktuell mit nur noch zwei Vereinen in der Champions League vertreten – ist kaum noch aufzuhalten. Eingebrochen sind vor allem die Zuschauerzahlen, auf nur noch 20725. Im Jahr 1985 lag der Schnitt trotz gleichzeitig sprunghaft steigender Arbeitslosigkeit noch bei über 38000. Die Krise macht mürbe – und die Italiener wenden sich von ihrem Lieblingssport ab.

Starke Rückgänge bei den Zuschauerzahlen gab es auch im von der Krise besonders hart getroffenen Griechenland, wo aktuell im Schnitt 4600 Zuschauer die Erstliga-Spiele besuchen und damit 20 Prozent weniger als vor sechs Jahren. Nach vielen Jahren, in denen die Hellas-Klubs vor allem in Beine investierten, mussten sie in den beiden letzten Spielzeiten mehr Geld für Spieler einnehmen als ausgeben. Auch portugiesische Vereine nahmen vor der aktuellen Spielzeit 129 Millionen Euro mehr ein, als sie in Spieler investierten. 

Was den europäischen Fußball am Laufen hält, ist die unvermindert hohe Bereitschaft der Fans, ihr weniger werdendes Geld immer mehr in ihre Lieblingsvereine zu investieren. Gab es während der Bankenkrise 2008/09 ein noch Absacken bei den Zuschauerzahlen, woraufhin beispielsweise die Preise in Spanien und England um bis zu 25 Prozent gesenkt wurden, ist dies bei der momentanen Euro-Krise nicht auszumachen. „Das Fanverhalten ist ausschlaggebend. Der Fan steht in der Mitte des Geldkreislaufs in der Fußballbranche und bislang ist die Zustimmung unverändert hoch. In Deutschland geben die Anhänger sogar mehr für ihre Fußballleidenschaft aus als vor fünf Jahren“, sagt Andreas Ullmann. Nach einer Sport+Markt-Berechnung für die Saison 2009/10 erzielten die Vereine der fünf Topliegen (Deutschland, England, Frankreich, Spanien und Italien) 631 Millionen Euro im Merchandising- und Lizenzgeschäft und damit sechs Prozent mehr als zwei Jahre zuvor. Krise hin, Krise her – die Europäer bleiben mit Trikot und Schal am Ball.

Die Gewinner sind Deutschland und - bislang - England

Die Gewinner der letzten Jahre heißen Deutschland und England. Zum siebten Mal hintereinander vermeldete die Bundesliga in der Saison 2010/11 einen Umsatzrekord, mit 1,94 Milliarden Euro nähert sie sich erstmals der Marke von Zwei Milliarden Euro. Zuschauerrekorde werden gebrochen, der dritte Platz in der für die Europapokal-Plätze entscheidenden Fünf-Jahreswertung ist schon von Italien erobert, das zweitplazierte Spanien ins Visier genommen. „Mit Spielern wie Ribery, Reus und Huntelaar hat die Bundesliga immer mehr Topstars zu bieten. Es ist gut möglich, dass die Entwicklung noch zunehmen wird“, glaubt Andreas Ullmann. Die englische Premier League profitiert vor allem vom neuen Fernsehvertrag, über drei Jahre sichert dieser der höchsten Fußball-Klasse im Königreich insgesamt 3,7 Milliarden Euro und damit 1,6 Milliarden mehr als bisher.

Während sich die kurzfristigen sportlichen Auswirkungen der Krise auf den Fußball in Europa in Grenzen halten, wird die Abschaffung der Steuerprivilegien in Südeuropa und die veraltete Infrastruktur der dortigen Ligen für eine Kräfteverschiebung nach Norden sorgen. Davon könnte vor allem die Bundesliga könnte profitieren. Der Wechsel der beiden spanischen Nationalspieler Álvaro Dominguez und Javi Martínez zu Mönchengladbach und Bayern ist ein Fingerzeig. Wobei sich in Zukunft vielleicht nicht nur die Krise auf den Fußball auswirkt, sondern auch der Fußball auf die Krise, wie  Joachim Gassen erklärt: „Es würde natürlich nicht gerade den europäischen Frieden fördern, wenn spanische Topspieler reihenweise nach Norden abwandern“.

Ob sich das von der Uefa eingeführte Financial Fair Play, das den Vereinen ausgeglichene Bilanzen vorschreibt, das Gefüge des Fußballs verändern wird, lässt sich bislang kaum abschätzen. „Es kann sogar sein, dass durch das Financial Fair Play aktuell kurzfristig mehr investiert wird, weil die Vereine denken: jetzt können wir ja noch“, glaubt Joachim Gassen. Potentiell hält er das neue Werkzeug jedoch durchaus für geeignet, den Vereinen Vernunft zu verordnen. „Solange es Mäzene gibt, die finanzielle Löcher stopfen, wird die Party weitergehen. Das Financial Fair Play der UEFA knüpft allerdings genau hier an, um dieses Vorgehen zur verhindern“, sagt Andreas Ullmann. Wenn, ja wenn die Uefa die neuen Regeln denn wirklich durchsetzt. Sollte dies der Fall sein, würde vor allem das Finanzierungsmodell der Premier League in Frage gestellt. Und das vom neureichen Paris St. Germain. Die Franzosen machten vor dieser Saison ein Transferminus von 144 Millionen Euro, holten Stars wie Thiago Silva und Zlatan Ibrahimovic. Dass beide vom kriselnden AC Milan kamen, ist dabei alles andere als ein Zufall.

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