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Das legendäre Westsachsenstadion von Zwickau. Inzwischen ist es nur noch eine Ruine.

© Imago

Update

Fußball und Rechtsextremismus: Der Terror köchelt in Zwickau

Unser Fußball-Kolumnist Frank Willmann schreibt diesmal über den FSV Zwickau, der in den letzten Wochen im Zuge der Ermittlungen gegen die Neonazi-Terrorgruppe NSU in die Schlagzeilen geriet.

Gigantische Mengen von Fußballern benutzen ihren Kopf ausschließlich zum Kopfballspielen und Kohlehydratverputzen. Dieses schöne Klischee erfüllte ein Zwickauer Fußballspieler in bester Manier. Nach dem letzten Heimsieg seines FSV jodelte er fidel beim Sängerwettstreit in der Kabine. Die Mannschaft intonierte einen "Sieg", der Spieler fügte dem ein "Heil" an. (Anm.: Der Name des Spielers ist dem Tagesspiegel bekannt, d. Red.). Geht’s dümmer frage ich mich? Rassismus im deutschen  Fußball ist keine Neuigkeit. Er findet jede Woche, meist versteckt und am Rande, in großen und kleinen deutschen Ligen statt.

Neu ist indes, dass immer mehr Stadionbesucher keinen Bock auf Naziparolen und rechte Sprüche haben. Das ist auch in Zwickau so. Nur dank aufmerksamer Beobachter gelangte ein Video inklusive der Sangeseinlage in die Öffentlichkeit. Dankenswerter Weise hatte es der FSV Zwickau kurz auf seiner Internetseite präsentiert. Ohne sich über den Inhalt klar zu sein. Als ein findiger Fuchs nach einer Weile feststellte, was auf dem Filmchen unter anderem zu hören war, wurde es ganz fix wieder offline geholt. Als hätte es nie etwas Derartiges gegeben. Dann erst mal schweigen, bis die Kritiker den Wattebausch auspackten. 

Letzten Freitag gab der Klub den Namen des dödeligen Sängers an den Staatsschutz weiter. Unsere Staatswacht ist neuerdings in Zwickau und Umgebung sehr zart besaitet unterwegs. Denn Terror köchelt in Zwickau. Des Sängers Namensnennung  ging ein putziges Hickhack voraus. Vorstandssprecher Neef kannte am Mittwoch seinen Namen, um einen Tag später diese Aussage in der "Freien Presse" zu widerrufen. Am Freitag fiel er ihm wieder ein. Seither wird gewiss mit Eifer bei den Schlapphüten ermittelt.

Ich empfehle Mannschaft samt Sangeskünstler einen Ausflug in die nächstgelegene KZ-Gedenkstätte. Vielleicht Buchenwald? Dort hat man bei schönem Wetter einen guten Ausblick aufs unschuldige Thüringen. Noch eines von diesen schwierigen neuen Bundesländern. Terrorstadt Jena. In der Gedenkstätte Buchenwald kann sich jeder mit der Lizenz zum Nachdenken anschauen, was die deutschen Nationalsozialisten von 1933-1945 angestellt haben. Sich mit Geist berieseln lassen, vielleicht bleibt ja was in der Fönfrisur hängen.

Sportlich läuft es beim FSV - in der fünften Liga

Dabei läuft es fußballtechnisch ja so gut wie lange nicht in Zwickau. Seit über zehn Jahren dümpelt der FSV in den traurigen Niederungen der fünften Liga. Eine unbarmherzige Saison durfte man gar in der sechsten Liga absitzen. Eine ganz bittere Pille für den Klub, der 1949-50 unter dem Namen ZSG Horch Zwickau erster DDR-Fußballmeister wurde. Der berühmteste Spieler Zwickaus ist  Jürgen Croy. Er hütete 94-mal das Tor für die DDR-Nationalmannschaft. Er war auf ewig Zwickauer. Und folgte keinem noch so verlockenden Angebot eines  DDR-Spitzenvereins. Es mag heute komisch klingen, doch Croy war einfach glücklich in seiner Heimatstadt und pfiff auf mehr Geld und Ruhm. Zu Croys Zeit hieß der Verein übrigens  BSG Sachsenring Zwickau und fand sich meist im unteren Drittel der DDR-Oberliga wieder. Zwickau wechselte zu DDR-Zeiten insgesamt viermal den Klubnamen.

Das Zwickauer Fußball-Idol Jürgen Croy. Der Torwart hielt seinem Klub in seiner gesamten Karriere die Treue.
Das Zwickauer Fußball-Idol Jürgen Croy. Der Torwart hielt seinem Klub in seiner gesamten Karriere die Treue.

© dpa

Bis letzte Saison spielte der FSV im sagenhaften Westsachsenstadion, das früher auch für den Radsport genutzt worden ist. Das "Wesa", wie es von den Fans liebevoll genannt wurde, ließen die Stadt und das Land Sachsen über die Jahre dermaßen verrotten, dass man seit dieser Saison die Heimspiele im Sportforum "Sojus 31" austragen darf. Der Stadionumbau des Westsachsenstadions wurde vor kurzem wegen explodierender Kosten gestoppt, nun wartet die Gemeinde darauf, dass ihnen der Fußballteufel über Nacht ein Stadion hinzaubert.

Stimmung herrscht im "Sojus 31" auch nicht so recht, da die Zwickauer Ultras mit dem Verein im Clinch liegen und die Spiele geschlossen vor dem Stadiontor genießen. Der Anlass für das Missverhältnis ist vergleichsweise banal, ich hoffe Verein und Ultras setzen sich in der Winterpause an einen Tisch und haben sich wieder lieb, bzw. respektieren wenigstens einander.

Aktuell stehen bei Heimspielen schon mal 40 junge Menschen vor dem Tor und machen dort mehr Stimmung als die Besucher im Stadion. Die Zwickauer Ultras sind aufgeweckte junge Leute und keineswegs dem rechten Lager zuzuordnen. Freilich gibt es in Zwickau eine lebendige rechte Szene, die auch gern mal zum Fußball geht. Seit etwa drei Wochen dürfen sie im Stadion nicht mehr in Rechte-Szene-Klamotten einlaufen. Beim Heimspiel gegen Erzgebirge Aue II am 25. November zeigten sie sich frisch herausgeputzt und präsentierten ihren Sinneswandel mit einem Banner. Dort teilten sie mit, sich für ihren Verein neu einzukleiden.

Zwickau ist kein Hort der rechten Bewegung

Provokationen gehören zum Fußball wie das Amen in der Kirche. Der Gegner muss selbstverständlich verhöhnt und bis aufs Blut gepiesackt werden. Doch es gibt Grenzen. Insgesamt erwarte ich gerade bei Lokalderbys höchste Achtung der Gäste, zumal sie naturgemäß in der Minderzahl sind. Beim Spiel gegen Aue II ließen einige Deppen diesen Respekt vermissen, indem sie den Gegner u. a. mit "Juden Wismut Aue" begrüßten und auch sonst allerhand Dummheiten aus der nationalen Ecke anstimmten. Sicher spielt bei einigen der Provokateure der Reiz am Verbotenen zu rühren, etwas Morbides zu verkünden, eine Rolle. Freilich gab es eine große Gruppe couragierter Zuschauer, die diese Gesänge sofort mit neutralen Zwickauer Fanliedern übertönten (siehe dazu auch die Mitteilung des Fanprojekts Zwickau).

Wie wir Dank des  Bielefelder Sozialforscher Wilhelm Heitmeyer wissen, erleben wir in den letzten Jahren deutschlandweit zunehmende Fremdenfeindlichkeit in Deutschland. Etwa zehn Prozent der Deutschen denken durch und durch rechts. Der Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung sieht daneben auch eine zunehmend negative Einstellung gegenüber Minderheiten. Seine über zehn Jahre dauernde Studie zeige eine Abwertung von Langzeitarbeitslosen, Zuwanderern und Behinderten.

Lasst uns die Nazis beim Fußball auslachen. Zeigen wir ihnen die lange Nase und den Storch Heinar. Der Fußball gehört uns. Bei meinem letzten Besuch in Zwickau im Herbst dieses Jahres konnte ich die progressiven Kräfte beim Feiern bewundern. Zwickau ist sicher kein Hort der Bewegung. Wenn alle im und um den Verein schön die Augen offen halten.

Der FSV geht übrigens als Spitzenreiter und brühend heißer Aufstiegskandidat in die Winterpause. Am Wochenende stopfte der FSV vor 320 Zuschauern und 100 Polizisten in der Terrorstadt Gotha dem Gastgeber sechs Törchen in den Gabensack. Die Hälfte der Zuschauer kam aus Zwickau, vorm Tor standen wieder die Zwickauer Ultras.

Frank Willmann, 48, hat mehrere Bücher zur Fußballkultur in der DDR veröffentlicht. Zuletzt erschien 2011 im Verlag Neues Leben Berlin 2011 "Zonenfußball: Von Wismut Aue bis Rotes Banner Trinwillershagen". Willmann lebt in Berlin. Für Tagesspiegel.de schreibt ab sofort regelmäßig über den Fußball in den neuen Bundesländern.

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