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Sport: Fußball unter dem Hakenkreuz: Der Ball ist braun

Beleuchten ist wohl das beste Wort für die jetzt einsetzende Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des deutschen Fußballs durch Verbände und Vereine. Denn nach bisheriger Lesart herrschte während der Jahre 1933 bis 1945 vor allem ein Elektrifizierungsproblem.

Beleuchten ist wohl das beste Wort für die jetzt einsetzende Aufarbeitung der NS-Vergangenheit des deutschen Fußballs durch Verbände und Vereine. Denn nach bisheriger Lesart herrschte während der Jahre 1933 bis 1945 vor allem ein Elektrifizierungsproblem. "Dunkelheit brach über Deutschland hinein", lautet eine beliebte Formulierung in Vereinschroniken. Weshalb sich offenbar schlecht ermitteln ließ, was sich in den Vereinen in dieser Zeit tatsächlich zutrug. Stattdessen vage Andeutungen, die den Verein als wehrloses Opfer einer politischen Vergewaltigung erscheinen lassen. Dank großer Kameradschaft überlebt die tapfere Sportlerschar - zunächst die Nazis, dann die Kriegsführung der Alliierten, deren Bomben punktgenau jene Teile des Archivs ausradieren, die von dieser Zeit handeln, schließlich auch noch die Drangsalierung durch Siegermächte, denen man sich mit Akten zivilen Ungehorsams widersetzt.

Die rote Borussia

Als erster Erstligaverein hat nun Borussia Dortmund eine Aufarbeitung der NS-Jahre angekündigt. Laut BVB-Archivar Gerd Kolbe war die traditionelle Mitgliederklientel rund um den Borsigplatz im sozialistischen und kommunistischen Milieu verankert. Nur auf Druck der Nazis habe es 1933 einen Wechsel an der Spitze des Vereins gegeben, als die eher linksorientierte Führung um Egon Pentrup dem NSDAP- und SA-Mitglied August Busse weichen musste. Wie die meisten Vereine war wohl auch der BVB in seiner Haltung gespalten. In einer Festschrift zum 30. Geburtstag 1939 hieß es aber, 80 Prozent der ersten Mannschaft seien SA-Mitglieder.

Zu denen, die sich nicht arrangierten, gehörte der Platzwart. Heinrich Czerkus wurde 1945 beim Karfreitag-Massaker in der Dortmunder Bittermark mit 266 weiteren Regimegegnern ermordet.

Die Schalker Profis

Auch Schalke 04 war vor 1933 eher ein "roter" Verein. Für die Nazis offenbar kein Problem. Das Regime benutzte den Klub und seine Erfolge, um sein soldatisches Bild vom deutschen Arbeiter, gekennzeichnet durch harten Einsatz in der Produktion, bedingungsloses Pflichtbewusstein gegenüber der "Volksgemeinschaft" und eine militante Intellektuellenfeindlichkeit zu transportieren sowie die Erfolgsträchtigkeit ihrer Ertüchtigungsideologie zu propagieren.

Dass die Schalker zwischen 1933 und 1945 sechsmal Meister wurden, hatte nur mittelbar mit dem Regime zu tun. Die Legalisierung des Profitums wurde gestoppt. Hiervon profitierten solche Vereine, die Verbindungen zur Schwerindustrie unterhielten und dort mit Schein-Arbeitsplätzen versorgt wurden. So wurden die so legendären Schalker Knappen schon seit einiger Zeit auf den Zechen nur pro forma als Bergleute geführt, konnten ansonsten aber unter recht professionellen Bedingungen trainieren.

"Judenklub" Bayern München

Bei vielen Arbeitervereinen verlief die Umstellung auf die neuen Machthaber weniger problematisch als bei so mancher bürgerlichen Adresse. Ein Grund dürfte eine gewisse wechselseitige soziale Ablehnung der sich plebejisch gebenden Nazis und der bürgerlichen "Lackschuhklubs" gewesen sein. Ein weiterer Grund war sicherlich, dass Juden eher in bürgerlichen Klubs als in Arbeitervereinen anzutreffen waren. Seine politische Meinung konnte man anpassen oder verbergen, seine jüdische Identität nicht.

Ein Beispiel ist der FC Bayern München, der kürzlich eine - bislang allein vom FC St. Pauli geleistete - Zahlung in den Entschädigungsfonds für ehemalige Zwangsarbeiter mit dem Hinweis ablehnte, selbst zu den Nazi-Opfern zu gehören. Wobei erstaunt, dass sich hierzu in Publikationen des Vereins nur einige dürre Sätze finden. Dass der Klub vor 1933 vielen Juden eine sportliche Heimat bot, weshalb ihn seine Gegner den "Juden-Klub" nannten, schien der Bayern-Führung sonst eher peinlich zu sein.

Dass der FC Bayern in den Zwanzigern und frühen Dreißigern zu einem nationalen Spitzenklub aufstieg, verdankte er nicht zuletzt seinem jüdischen Präsidenten Kurt Landauer, dem dann noch rechtzeitig die Flucht aus Deutschland gelang. Auch nach der "Arisierung" des FC Bayern, die erheblich mehr Zeit in Anspruch nahm als bei vielen anderen Münchener Vereinen, konnten sich die Nazis für den Klub nicht erwärmen. Ihre Sympathien galten vielmehr dem im proletarischen oder kleinbürgerlichen Milieu beheimateten Lokalrivalen TSV 1860.

Nazis raus - und wieder rein

Im Ruhrgebiet waren die ersten Nachkriegs-Vorsitzenden häufig Sozialdemokraten und Kommunisten, die zuvor in die innere Emigration abgetaucht waren. Ihre unverdächtige Biographie ermöglichte die für den Sportbetrieb notwendige Genehmigung durch die alliierten Behörden, die der Auffassung waren, die Vereine hätten während der NS-Zeit als "mächtiges Werkzeug zur Verbreitung von Nazilehren und Einprägung von Militarismus" gedient. Häufig waren diese Leute lediglich Übergangspräsidenten.

Wie scheinbar reibungslos der Wechsel von der Weimarer Republik ins Nazi-Reich und von dort in die Bonner Republik verlief, dokumentiert das Beispiel des VfL Altenbögge. Der am östlichen Rand des Ruhrgebiets angesiedelte Bergbauverein war Anfang der vierziger Jahre im "Gau Westfalen" die Nummer zwei hinter Schalke. Während der NS-Zeit übernahm eine lokale NSDAP-Größe die Geschicke des Vereins, allerdings ohne großen politischen Einfluss auf die Mitglieder auszuüben, die stark in der Tradition der Weimarer Linken lag.

Nach 1945 wurde ein Kommunist Vorsitzender, bevor der inzwischen "entnazifierte" ehemalige Vereinsführer erneut an die Spitze gewählt wurde. Die "Entnazifizierung" verlief also nicht weniger reibungslos als die "Nazifizierung". Im Interesse des dörflichen Friedens wie des Neuanfangs wurde auf Abrechnungen verzichtet. Zuweilen waren es gerade die sozialdemokratischen und kommunistischen Mitglieder, die die Entlastung ihrer ehemals nationalsozialistischen Vereinskameraden betrieben.

Wie im Kleinen, so im Großen: Dem Deutschen Fußball-Bund stand von 1962 bis 1975 der Anwalt und Notar Hermann Gösmann vor. Während der Nazizeit hatte er als Vorsitzender des VfL Osnabrück im Vereinsblatt die "großgeschichtliche Tat" der "Heimführung unserer österreichischen und sudetendeutschen Brüder ins großdeutsche Reich" gelobt. Den Einmarsch in Frankreich hatte Gösmann so kommentiert: "Ganz Deutschland steht in Ergriffenheit vor dem Führer."

Dietrich Schulze-Marmeling

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