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Sport: Fußball unter dem Hakenkreuz: Kontrollierte Offensive

Mit geradezu vatikanischer Beharrlichkeit pflegt der Deutsche Fußball-Bund die Legende vom ausgebombten Archiv. Noch vor zwei Tagen teilte DFB-Generalsekretär Horst R.

Von Markus Hesselmann

Mit geradezu vatikanischer Beharrlichkeit pflegt der Deutsche Fußball-Bund die Legende vom ausgebombten Archiv. Noch vor zwei Tagen teilte DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt auf eine Anfrage zu Forschungen über die Nazi-Zeit mit: "Es gibt aus dieser Zeit in unserem Archiv nur sehr wenig Material. Dies hängt damit zusammen, dass die gesamten Bestände der damaligen Geschäftsstelle in Berlin nach unseren Erkenntnissen einem Flieger-Angriff zum Opfer gefallen sind, bei dem das Gebäude vollständig ausgebrannt sein soll."

Gerd Steins vom Forum für Sportgeschichte in Berlin hat andere Erkenntnisse. Die Gebäudeteile am Reichssportfeld, in denen sich die Fußballverwaltung befand, seien von besagtem Angriff nicht betroffen gewesen. Vielmehr seien nach Auskunft von Zeitzeugen große Mengen an Papieren "weg organisiert" worden.

Mit dem Verweis auf das ausgebombte Archiv wurden jahrelang Forscher abgespeist, die sich kritisch mit dem Thema befassen wollten. Arthur Heinrich ("Der Deutsche Fußballbund. Eine politische Geschichte") berichtet, dass auf Anfragen zuweilen überhaupt keine Antwort erging, nicht einmal eine Eingangsbestätigung. Schließlich durfte er in Frankfurt vorstellig werden, bekam aber nur bereits publiziertes Material zu Gesicht. Auch Gerhard Fischer und Ulrich Lindner ("Stürmer für Hitler") gaben bald den Versuch auf, über den DFB an Unterlagen zu kommen. Bei den Landesverbänden Hessen und Bayern hieß es ebenfalls: "Alles im Krieg zerstört." Die Autoren stützen sich deshalb auf Zeitzeugen- und Medienberichte.

Dabei liegt in Frankfurt durchaus einiges vor. Davon weiß Karl-Heinz Schwarz-Pich zu berichten. Für sein Buch "Der DFB im Dritten Reich" stöberte er nicht nur im bekannten und gut erfassten Sepp-Herberger-Archiv. Er sah auch die Nachlässe von Peco Bauwens, vor 1945 Funktionär im Weltverband Fifa, nach dem Krieg DFB-Präsident, sowie von Carl Koppehel, zu Nazi-Zeiten Pressewart des DFB. Schwarz-Pich kapitulierte vor der Fülle unsortierten Materials. "Das war für mich nicht zu bewältigen", sagt er. "Es müsste ein Archivierungsgesetz geben, das Verbände zwingt, Unterlagen aufzuheben und aufzuarbeiten. Der DFB jedenfalls hat sich nie dafür interessiert." Der Hobbyforscher war verblüfft, wie leicht es für ihn war, an den Nachlass des Reichstrainers Otto Nerz zu gelangen, der jetzt bei ihm im Keller lagert. "Ich habe einfach seinen Sohn gefragt."

Auch Gerd Steins rechnet damit, dass noch Akten auftauchen. Viel Arbeit für Klaus Hildebrand und Nils Havemann. Die Bonner Historiker wurden vom DFB beauftragt, die Rolle des Verbands in der Nazi-Zeit zu erforschen. Warum jetzt? "Der Druck auf den DFB ist sehr groß gewesen", sagt Havemann. Er betrete "wissenschaftliches Neuland". Von einem darf er keine Hilfe erwarten. Auch Schwarz-Pich hat der DFB mit seiner Hinhaltetaktik vergrätzt. Unterlagen für die "offizielle" Forschung will Schwarz-Pich nicht zur Verfügung stellen.

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