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Ein WM-Pokal in der Innenstadt von Doha. Die Kataris wollen Vorfreude wecken.

© dpa

Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar: Welche Konsequenzen hat eine WM im Winter?

Die Verschiebung der WM in Katar in die Vorweihnachtszeit freut Spieler und Ärzte, stellt aber den Klubfußball vor große Probleme. Lesen Sie hier die Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar soll im Winter 2022 und nicht wie gewohnt in den Sommermonaten stattfinden. Darauf hat sich die Task Force des Weltverbands Fifa am Dienstag auf ihrer Sitzung in der katarischen Hauptstadt Doha verständigt. Seit der WM-Vergabe im Dezember 2010 war heftig darüber gestritten worden, wann das Turnier ausgetragen wird. Wegen der sengenden Hitze im Wüstenstaat soll jetzt im November und im Dezember gespielt werden. Die Mitglieder des Exekutiv-Komitees müssen die Entscheidung allerdings noch förmlich bestätigen. Dieses Gremium trifft sich am 19. und 20. März in Zürich.

Wie kam es zu dieser Entscheidung?

Vier Jahre nach der Vergabe musste der Weltverband langsam reagieren. Nun beugen sich die Fifa-Granden dem fortwährenden öffentlichen Druck von Sportlern, Verbänden, Vereinen und Medizinern. Angesichts der enormen Temperaturen, die im Sommer bei über 50 Grad Celsius liegen, hatte Fifa-Präsident Sepp Blatter die Entscheidung für Katar erst kürzlich als „Fehler“ bezeichnet. Andere hochrangige Sportfunktionäre, unter ihnen der ehemalige Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Theo Zwanziger, erneuerten ihre Kritik daraufhin. Der Termin im November und Dezember sei der „brauchbarste“ gewesen und habe die Unterstützung aller sechs Kontinentalverbände, heißt es in einer Stellungnahme der Fifa.

Ist Katar im November und Dezember wirklich so viel angenehmer als im Sommer?

Ja, ja und noch mal ja. In den Sommermonaten sorgt die Kombination aus hohen Temperaturen und extremer Luftfeuchtigkeit bisweilen dafür, dass Scheiben in klimatisierten Gebäuden von außen beschlagen. Damit Besucher und Fans da nicht reihenweise umkippen, hatte das katarische Organisationskomitee auch schon Lösungen erdacht: Die geplanten Fan-Zonen in Doha sollten ebenso klimatisiert und auf maximal 27 Grad heruntergekühlt werden wie die Stadien. Dabei sollte eine neue Technologie zum Einsatz kommen, die Sonnenenergie in Kälte umwandelt. Das ist nun hinfällig, obwohl die neue Technik so oder so in den Arenen landet.

Welche Alternativen gab es?

Zunächst deutete einiges darauf hin, dass die WM in die Monate Januar/Februar verlegt wird. Die Idee wurde aber schnell verworfen, denn dieser Termin kollidiert mit den Olympischen Winterspielen, die 2022 in Peking oder Almaty stattfinden. Die Vereinigung Europäischer Fußballklubs (ECA) schlug ihrerseits eine Verlegung ins Frühjahr vor, aber auch das gestaltete sich schwierig: Im Mai liegen die Temperaturen in Katar bei weit über 30 Grad. Zudem beginnt der Fastenmonat Ramadan im Jahr 2022 am 2. April, was zum einen die Gastgebernation betreffen würde und zum anderen viele muslimische Spieler.

Wer profitiert vom neuen Termin? Wer sind die Verlierer?

Für Fans und Spieler ist die Verlegung eine Wohltat. Jeder Reiseführer empfiehlt, die Golf-Region in den vergleichsweise milden Monaten zu besuchen, also im Frühjahr oder im Herbst. Bei der Handball-WM im Januar herrschte im Grunde ideales Fußball-Wetter: 25 Grad, niedrige Luftfeuchtigkeit, kühle Nächte. Als Verlierer dürfen sich die großen europäischen Ligen fühlen, weil sie ihre Spielpläne in das von der Fifa vorgegebene Termin-Korsett zwängen müssen. Und auch der Weltverband selbst kann sich nicht einfach aus der Verantwortung nehmen, obwohl Fifa-Präsident Blatter den neuen Termin als seine Idee verkauft. Wie ungeeignet das Sommerwetter am Persischen Golf für Sportveranstaltungen ist, war allerdings schon vor vier Jahren bei der Vergabe des Turniers nach Katar hinlänglich bekannt.

Wie reagiert der Wintersport?

Gefasst. Gian Franco Kasper, der Präsident des Internationalen Skiverbandes FIS, ist schon mal zufrieden damit, „dass die WM nicht mit den Olympischen Winterspielen kollidiert“. Rein rechtlich hätte es keine Handhabe gegeben, der Fifa eine Ausrichtung ihres Turniers im klassischen Olympiamonat Februar zu untersagen. Doch schon die generelle Verlegung in den Winter hat in der Welt des Wintersports zu allgemeinem Murren geführt. „Der nun geplante Zeitraum fällt zwar nicht in unseren Kernwinter, aber zu der Zeit finden bereits zahlreiche hochkarätige Skisport-Veranstaltungen statt“, sagt Franz Steinle, Präsident des Deutschen Skiverbandes (DSV). „Dass es hier zu Interessenskollisionen kommen wird, liegt auf der Hand.“ Diese Kollisionen betreffen vor allem die Fernsehübertragungen. Eine Fußball-Weltmeisterschaft absorbiert nun einmal sehr viel mehr Aufmerksamkeit als etwa ein Ski-Weltcup oder eine Eisschnelllauf-Europameisterschaft. Dieter Gruschwitz, Sportchef des ZDF, kündigt bereits an: „Wenn es so kommt, wird es Parallelitäten bei den Übertragungen geben.“

Welch Konsequenzen hat die Verlegung für den Klub-Fußball?

Einige. Der Chilene Harold Mayne-Nicholls, unter dessen Führung die Fifa-Inspektionsgruppe Katars Bewerbung geprüft hatte, geht davon aus, dass weltweit 50 Ligen betroffen sind. Bei einem gerafften Zeitplan mit weniger Ruhetagen könnte das Turnier um eine knappe Woche verkürzt werden, aber das allein ist zu wenig für die großen europäischen Ligen und die internationalen Wettbewerbe. Das Fifa-Reglement verlangt, dass die Klubs ihre Spieler 25 Tage vor dem Turnierbeginn für die Nationalmannschaften freistellen müssen. Bei einem geplanten WM-Start am 26. November hieße dies, dass der Spielbetrieb ab Anfang November ruhen würde, und das voraussichtlich bis Mitte Januar. Schwer trifft es die Engländer, die keine Winterpause kennen und mit dem Spieltag am Boxing Day, dem 26. Dezember, das beste Geschäft machen. Richard Scudamore, der Vorsitzende der Premier League, hat bereits verlauten lassen, er fühle sich vom europäischen Dachverband Uefa „im Stich gelassen“. Uefa-Präsident Michel Platini ist ein Fürsprecher Katars. Auch die Bundesliga steht vor organisatorischen Problemen, sie werden nicht nur die WM-Saison betreffen, sondern schon die vorangehenden Spielzeiten. Generell gilt, dass der Saisonstart auf den Frühsommer vorgezogen und das Finale bis weit in den Juni hinein geschoben wird. Karl-Heinz Rummenigge, Vorsitzender des FC Bayern München und der Europäischen Klub-Vereinigung, spricht von einer „sehr schwierigen und anspruchsvollen Aufgabe“. Es könne den Klubs nicht zugemutet werden, „allein den Preis für die Verlegung der WM in den Winter zu bezahlen. Wir erwarten ebenso die seriöse Bereitschaft, den Schaden für die Klubs fair zu kompensieren“. Soll heißen: Die Klubs werden sich ihre Kompromissbereitschaft gut bezahlen lassen.

Kann das umstrittene Turnier den Katarern noch entzogen werden?

Theoretisch: ja. Die Wahrscheinlichkeit für dieses Szenario tendiert aber stark gegen Null, dafür sind mittlerweile zu viele Dinge angelaufen: Ausschreibungen, Vergabeverfahren, Werbeverträge. Dazu würde die Fifa vor erheblichen Regressansprüchen der Katarer stehen. Im Moment wird zwar nur an einem der acht WM-Stadien gearbeitet, die anderen sieben warten auf den Baustart. Auf die grundsätzliche Entscheidung dürfte das jedoch keinen Einfluss nehmen.

Was sagen die Katarer?

Sie geben sich keineswegs beleidigt, sondern eher gleichgültig. „Für unsere Vorbereitungen macht es keinen Unterschied, ob wir im Sommer oder im Winter spielen“, sagte der Chef des WM-Organisationskomitees, Nasser al Khater, bei einer Bilanzveranstaltung zu den Turniervorbereitungen Anfang Februar. „So oder so: Die Stadien sind spätestens 2020 fertig.“

Gibt es auch Vorteile einer Winter-WM?

Ja, allerdings sehr dosiert. Aus sportlicher Sicht könnte ausgerechnet die ungeliebte Wüsten-Weltmeisterschaft die beste aller Zeiten werden. Bisher war es so, dass die Spieler nach einer kräftezehrenden Saison ausgelaugt zu ihren Nationalmannschaften kamen. Im Falle eines Winterturniers stünden sie nach gut drei Monaten im Spielbetrieb im Zenit ihrer Leistungsfähigkeit. Im Umkehrschluss bedeutet das natürlich auch, dass die Klubs ihre Angestellten nicht gerade in bester körperlicher Verfassung zurück bekommen.

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