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Fußball-Wetten: Spiel mit der Wahrheit

Der Fußball-Wettskandal hat eine Diskussion über das staatliche Glücksspielmonopol und neue Strafgesetze angestoßen. Kann man mit neuen Regeln und Kontrollendie Probleme lösen?

Fußball in Deutschland ist ein Riesengeschäft, das allerdings nur ein Geschäft bleibt, wenn seine Grundlage – das Spiel selbst – nicht zu verkaufen ist. Alles hängt davon ab. Die Fans, die ein Stadionticket lösen, wollen ehrliche Gefühle und authentische Stars. Die Sponsoren brauchen ehrliche Helden, um sich mit ihnen zu schmücken. Das TV-Publikum braucht ehrliche Spannung, um sich zu unterhalten. Und sogar wer mit dem Spiel spielt, wer tippt oder wettet, braucht das ehrliche Glück.

Die Glaubwürdigkeit des Spiels ist mit dem Wettskandal in die Krise geraten. Die Akteure und Funktionäre wissen das, und deshalb reagieren sie. Jeder auf seine Art, nach seinen Interessen. So etwa erkennt Theo Zwanziger, Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, einen Fall „organisierter Kriminalität mit internationalem Charakter“ – und delegiert das Problem damit an die Strafverfolgungsbehörden.

Der europäische Marktführer für Sportwetten und Online-Spiele, bwin, mit seinen 1,5 Millionen Sportwettenkunden zieht gegen das staatliche Glücksspielmonopol zu Felde, weil es nach Ansicht des Unternehmens den Schwarzmarkt blühen lässt. Und aufmerksamkeitsträchtig setzt auch die Politik das Thema auf die Agenda. Bei seiner ersten Sitzung will der Bundestagssportausschuss an diesem Mittwoch mögliche Reaktionen diskutieren, auch ein neuer Straftatbestand gehört dazu, um Manipulationen zu untersagen. Die designierte Vorsitzende Dagmar Freitag (SPD) hat für das neue Gesetz schon ihre Sympathie bekundet.

Alle haben gute Argumente. Eine andere Frage ist, was sich ändern würde, wenn sie sich mit ihren Ansichten durchsetzen. Die politisch gravierendste Entscheidung ist ohnehin gefallen, nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom März 2006. Die Richter hatten damals das bayerische Sportwettenmonopol gekippt und den Gesetzgeber vor die Wahl gestellt: Entweder der Staat behält sein Monopol, gestaltet es aber konsequent als Mittel zur Suchtbekämpfung aus. Oder er betraut lizenzierte Private, die er streng kontrolliert.

Die Politik entschied sich, gewiss auch angesichts verlockender Einnahmen aus dem Lottogeschäft und rund vier Milliarden Steuern jährlich, für die erste Variante. Die Organisation des Glücksspiels ist Ländersache, die Beteiligten haben sich aber mit dem Glücksspiele-Staatsvertrag, der zum Jahresanfang in Kraft getreten ist, zu gemeinsamen Regeln verpflichtet. Eine der wichtigsten und umstrittensten ist das Verbot öffentlicher Glücksspiele im Internet, gegen das in Karlsruhe vergeblich geklagt wurde. Die Richter geißelten die Netzangebote im Oktober 2008, weil sie jederzeit verfügbar seien und man es wegen des „hohen Abstraktionsgrads“ nicht mehr spüre, wenn man Geld verliert. Der Beschluss liegt ganz auf Linie der Richter, die Organisation des Glücksspiels in die Bekämpfung der Spielsucht umzuwidmen. Seitdem klingen auch alle Lotto-Funktionäre so: Wenn schon Glücksspiel, dann mit uns.

Mag sein. Von praktizierter Suchtbekämpfung kann trotzdem kaum die Rede sein, und wenn, dann scheint sie erfolglos. Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen errechnet rund ein Drittel mehr Glücksspielumsatz als noch vor zehn Jahren, aktuell sind es 30 Milliarden Euro. Mehr als eine halbe Million Menschen hätten mit Suchtproblemen zu kämpfen, heißt es.

Die wachsende Spiellust der Deutschen wird längst von ausländischen Anbietern im Internet befriedigt, wo erlaubt ist, was gefällt. Eine graue Konkurrenz, bei der auch lizenzierte deutsche Privatanbieter kaum mithalten könnten. Denn sie müssten ebenfalls die Sucht bekämpfen, statt die Anreize zu steigern.

Vergleichbar ernüchternd sind die absehbaren Erfolge eines neuen Straftatbestands „Sportbetrug“. Was würde er eigentlich schützen? Vor dem Hintergrund des Wettskandals wäre es praktisch eine Vorschrift zur Förderung des Glücksspiels – kein ehrenvolles Anliegen für einen Staat, der dieses eindämmen soll. Sportliche Fairness wiederum ist wichtig, aber kein Rechtsgut wie Leben, Freiheit, Gesundheit oder Eigentum. Da Fußballfreunde zudem leicht erregbar sind, könnten sie sich bei jeder Schwalbe im Strafraum bemüßigt fühlen, zum Staatsanwalt zu laufen. Will man das bei Zehntausenden von Spielen pro Jahr? Doping und insbesondere Spielmanipulation mit Gewinnabsicht sind ohnedies nach geltenden Gesetzen strafbar, wie der Bundesgerichtshof 2006 im Fall des Schiedsrichters Robert Hoyzer entschied.

Es hilft alles wenig. Das Kapital des Fußballs, das Spiel selbst, müssen die schützen, die es spielen.

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