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Wie Romário und Ronaldo? Neymar will, wie schon seine Vorbilder, den WM-Titel mit Brasilien gewinnen.

© Reuters

Fußball-WM 2014: Brasilien hofft auf Neymar und den sechsten WM-Sieg

Brasiliens Nationalteam bereitet sich auf die Weltmeisterschaft im eigenen Land vor – die erfolgreichste Fußball-Nation der Welt weiß um den großen Erwartungsdruck, der auf ihr lastet, vor allem auf ihrem 22-jährigen Star.

Die Australier sind schon da. Spät am Mittwochabend sind sie in Vitória gelandet, der Hauptstadt des Bundesstaates Espírito Santo. Als erste Mannschaft überhaupt bei der WM in Brasilien, zweieinhalb Wochen vor ihrem Auftaktspiel gegen Chile. Das brasilianische Fernsehen hat dazu gespenstische Bilder gesendet. Von einem Polizei-Konvoi, der den Mannschaftsbus durch die Dunkelheit begleitete, weiter oben leuchtete ein Hubschrauber das Terrain aus. Dann sprangen die Australier aus dem Bus und huschten in ihr Hotel, ohne dass einer stehen geblieben wäre und in die Kamera gelächelt hätte.

Es ist eine seltsame Stimmung, die sich in den Wochen vor dem größten Sportereignis der Welt über Brasilien legt. Die Vorfreude auf die Fußball-Weltmeisterschaft lässt noch auf sich warten im Land des Fußballs. Das passt zu dem trüben Regenwetter in Rio de Janeiro und São Paulo, den beiden größten Städten des Landes. Die brasilianische Nationalmannschaft hat relativ spät ihr WM-Quartier in Teresópolis nahe Rio bezogen. Erst am Montag, drei Tage vor der Ankunft der Australier, rückte die Seleção in der Sportschule Granja Comary ein.

Bei der Abreise blockierten um die 200 Demonstranten den Bus und skandierten die mittlerweile weit über Brasilien hinaus bekannte Formel: „Não vai ter Copa!“ – Es wird keine WM geben. Bei der Ankunft im Nebel der Berge der Serra dos Órgãos gab es dasselbe Bild. Zur Sicherung der Anlange war ein gewaltiges Polizeiaufgebot aufmarschiert.

Eine Stellungnahme des Verbandes und seiner prominentesten Angestellten blieb aus. Nationaltrainer Luiz Felipe Scolari hat seine Spieler zu öffentlicher Zurückhaltung aufgefordert, „sie sollen sich auf den Fußball konzentrieren“.

Nur vier brasilianische WM-Spieler verdienen ihr Geld in der Heimat

Das fällt ihnen so schwer nicht. Tagsüber scheucht Scolari seine Spieler über den Rasen von Granja Comary, und abends sitzen sie zusammen vor dem Fernseher und schauen ihren Landsleuten zu. Die brasilianische Série A läuft noch bis zum Sonntag weiter. Fluminense, einer der großen Klubs aus Rio, hat gerade das Spitzenspiel bei Atlético Mineiro 0:2 verloren, ohne seinen besten Stürmer Fred, der für die Seleção abgestellt wurde.

Fred ist einer von vier brasilianischen WM-Spielern, die ihr Geld in der Heimat verdienen. Fluminenses Stadtrivale Flamengo musste für sein Heimspiel gegen Figueirense nach São Paulo ausweichen, weil das heimische Maracanã-Stadion schon vom Weltverband Fifa in Besitz genommen ist.

Die brasilianischen Nationalspieler wissen um den Druck. Es liegt vor allem an ihnen, welchen emotionalen Verlauf diese WM nehmen wird. Ein Sieg im Eröffnungsspiel von São Paulo gegen Kroatien könnte einiges lösen von der öffentlichen Verkrampfung, von der Fokussierung auf die Explosion der WM-Kosten, auf die ungerechte Verteilung der Mittel und die schlechte Infrastruktur im Land. Der größte Druck lastet auf einem gerade 22 Jahre alten Bürschchen, dem Stürmer Neymar, den sie sich in Brasilien schon als neuen Pelé ausgeguckt haben. Neymar sagt, er mache sich nichts aus der allgemeinen Erwartungshaltung, „ich will und werde diese Weltmeisterschaft genießen. Als kleiner Junge habe ich gesehen, wie Romário und Ronaldo Weltmeister wurden, und das will ich auch.“

Als der Stürmer Romario die Seleção 1994 in den USA zum Titel schoss, war Neymar zwei Jahre alt, die Erinnerung dürfte also eine vergleichsweise vage sein. Romário hat damals für den FC Barcelona gespielt, dessen Trikot seit einem Jahr auch sein späterer Nachfolger Neymar trägt. „Es war für uns sehr wichtig, dass er diesen Schritt gegangen ist“, sagt Carlos Alberto Parreira. „Das Jahr in Barcelona hat Neymar gutgetan. Er kommt mit mehr Erfahrung zurück, und davon werden wir profitieren. Er ist unser bester Mann.“

Parreira glaubt: "Wir haben schon eine Hand am Pokal!"

Parreira führt den Titel eines Technischen Koordinators und ist der engste Vertraute von Scolari, den sie in Brasilien alle nur Felipão nennen, den großen Felipe. Gemeinsam können die beiden einiges vorweisen. Parreira war Trainer der Weltmeistermannschaft von 1994, Scolari verantwortete den Triumph von 2002 in Fernost; es war der bislang letzte der Brasilianer, mit einem 2:0-Sieg im Finale von Yokohama über Deutschland. Ronaldo schoss beide Tore und der zehn Jahre alte Neymar feierte vor dem Fernseher.

Nun ruhen die Hoffnungen auf Neymar selbst. „Hexa“ lautet die Vokabel, die in diesen Tagen am meisten in Zusammenhang mit der Nationalmannschaft zu hören ist. Hexa steht für Brasiliens wie selbstverständlich vorgetragenen Anspruch, den sechsten WM-Titel zu gewinnen. Bei den Turnieren 2006 in Deutschland und 2010 in Südafrika ist die erfolgreichste Fußball-Nation der Welt diesem Anspruch kaum gerecht geworden. Für den nächsten Anlauf hat Scolari alle zusammen, die er wollte. Kein einziger seiner Kandidaten ist mit dem Handicap einer Verletzung angereist. Als Letzter traf am Mittwoch der Mittelfeldspieler Marcelo vom Champions-League-Sieger Real Madrid ein. Die medizinischen Untersuchungen der ersten Tage verliefen so zufriedenstellend, dass Carlos Alberto Parreira sich zu einer bemerkenswerten Frühoffensive der rhetorischen Art hinreißen ließ: „Wir haben schon eine Hand am Pokal!“

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