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xxxx. Die kanadische Torhüterin Erin McLeod hält einen Schuss der Schweizerin Vanessa Bernauer.

© AFP

Fußball-WM der Frauen: Die Stadien sind voll - wenn Kanada spielt

Für Frauenfußball können sich die Eishockey-verrückten Kanadier begeistern, aber nur wenn ihr Team spielt. Sonst sind die Fanmeilen leer.

Sogar einen Spitznamen haben die Kanadier ihrer Frauen-WM schon verpasst. „Christine’s Cup“ nennen sie das Turnier. Christine Sinclair ist der Star der Nationalmannschaft, mit ihren 226 Länderspielen ist sie populärer als jeder männliche Fußballer Kanadas. Und die 32-jährige Stürmerin ist das Gesicht dieser WM. Im Fernsehen laufen ständig Werbespots mit ihr: für Limonade, für ein Computerspiel – überall ist Christine Sinclair.

Auf ihr ruhten all die Hoffnungen, als das Nationalteam in der Nacht auf Montag im Achtelfinale auf die Außenseiter aus der Schweiz traf. Die Kanadierinnen schafften wie die Deutschen einen Tag zuvor auch den Sprung ins Viertelfinale, allerdings tatetn sie sich lange schwer und das Tor zum Sieg schoss dann auch nicht Sinclair: Die Mannschaft von Trainer John Herdman gewann in Vancouver knapp mit 1:0 (0:0) gegen den lange gleichwertigen WM-Neuling Schweiz, dem es aber an Durchschlagskraft fehlte. Vor 53.855 Zuschauern im voll besetzten Stadion gelang Josee Belanger in der 52. Spielminute der umjubelte Siegtreffer. In der 78. Minute bewahrte Kanadas Torhüterin Erin McLeod mit einer tollen Parade gegen Vanessa Bernauer ihr Team noch vor dem möglichen Ausgleich. Die Kanadierinnen treffen in der Runde der letzten Acht am kommenden Samstag in Vancouver auf Norwegen oder England.

Wieder also nur ein Tor - viele Anhänger fürchteten schon vor dem Schweiz-Spiel das Aus im Turnier. Zuvor hatte die Mannschaft nur zwei Tore geschossen in den drei Vorrundenspielen. Hinzu kommt, dass die Kanadierinnen von ihren bislang zehn WM-Partien gegen europäische Teams neun verloren haben – und kein einziges gewonnen. Und so musste Nationaltrainer John Herdman vor allem Optimismus verbreiten. „Das wird ein großes Spiel für unser Land“, sagte er vor dem Achtelfinale.

Allerdings hält sich das WM-Fieber in der Bevölkerung in Grenzen. Das zeigt sich etwa beim Besuch in der Fanzone von Edmonton während des dritten Gruppenspiels von Kanada gegen die Niederlande (1:1). Nicht mehr als 50 Fans haben sich auf dem großen Platz im Stadtzentrum eingefunden, um es sich gemeinsam anzusehen. Eine Freiwillige verteilt Klatschpappen, die Angestellten eines Tattoostudios malen einigen Fans Ahornblätter auf die Wangen. Ein Straßenkünstler hat mit Kreide Fußballerinnen auf den Asphalt gezeichnet – und natürlich das WM-Logo. Alles hübsch, alles gut gemeint, aber es mutet provinziell an.

Die Fanmeilen sind leer, wenn Kanada nicht spielt

In Winnipeg beklagten sich die lokalen Organisatoren, sie hätten gern Fanmeilen mit Leinwänden und Bier nach deutschem Vorbild eingerichtet, zumal 15.000 US-amerikanische Fußballfans in der Stadt waren. Aber die Fifa hätte ihnen „aus Kostengründen“ davon abgeraten. Deshalb findet die WM im Stadtbild von Winnipeg kaum statt. Genauso in Ottawa – im Unterschied zu den zeitgleichen Jazzfesten. Nicht anders ist es in Montreal, abgesehen von einigen WM-Fähnchen am Straßenrand. Auch in Vancouvers belebter Innenstadt hängen an den Decken vieler Kneipen Girlanden mit Flaggen der WM-Teilnehmer und es werden die WM-Partien gezeigt. Dass die WM stattfindet, das weiß der Großteil der Menschen auch. Aber wirklich mitgerissen wirken sie davon nicht. Dabei hat das Turnier kaum sportliche Konkurrenz, schließlich haben in der vergangenen Woche die Eishockey-Liga NHL und die Basketballer der NBA ihre Meister erkoren.

Die Frauen-WM ist vor allem im Fernsehen und in den Stadien ein Renner. Die Sender TSN und CTV übertragen alle 52 Partien live, mit Topquoten. Und die Kulissen in den Arenen stimmen auch. So strömten 54.000 Zuschauer zum Eröffnungsspiel Kanada gegen China (1:0) in das Commonwealth Stadium von Edmonton. Nie zuvor hatten in irgendeiner Sportart so viele Zuschauer ein Spiel eines kanadischen Nationalteams besucht, auch nicht bei den Männern. Fast 45.000 Besucher betrug in der Vorrunde der Zuschauerschnitt bei den drei Spielen der Kanadierinnen, damit steuern sie auf Rang zwei zu im historischen WM-Vergleich – hinter dem Zuschauerschnitt von 69.000 bei Partien des Heimteams der WM 1999 in den USA.

Bisher veranschaulicht die WM insbesondere eines: Für Frauenfußball können sich die Eishockey-verrückten Kanadier begeistern, noch viel mehr als für Männerfußball. Christine Sinclair und ihre Teamkolleginnen haben immerhin auch Erfolge vorzuweisen, etwa Olympiabronze vor drei Jahren in London. Sie waren an sechs der sieben Weltmeisterschaften vertreten und erreichten 2003 das Halbfinale. Die Männer vermochten sich erst einmal, 1986, zu qualifizieren. Die Frauen sind die Nummer acht der Welt, die Männer die Nummer 109, hinter dem Sudan oder den Färöern.

So schwärmt auch Victor Montagliani, Präsident des kanadischen Fußball-Verbands, vor allem für den Frauenfußball, „weil das eine sehr reine Form des Fußballs ist“. Doch wie stark dieser reine Fußball die Kanadier bei der WM noch in den Bann ziehen wird, hängt dann eben auch davon ab, wie weit Christine Sinclair bei Christine’s Cup noch kommt.

Lukas Kuchen, Inga Radel

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