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Zwischen den Stürmern. Löw muss zwischen Klose und Gomez (links) wählen. Dass er beide mitnimmt, ist unwahrscheinlich.

© Imago

Fußball-WM in Brasilien: Joachim Löw nominiert heute vorläufigen Kader

Bundestrainer Joachim Löw benennt heute seinen vorläufigen WM-Kader – so knifflig war die Aufgabe noch nie. Zwischen Zweifelsfällen wie Gomez und Klose muss er sich entscheiden, eine Ausnahme vom Leistungsprinzip macht er jedoch.

Berlin - Mario Gomez hat sich in den vergangenen Monaten große Verdienste um die medizinische Allgemeinbildung seiner Landsleute erworben. Dank seiner ausufernden Krankengeschichte müsste auch der ausschließlich sportinteressierte Teil des Landes inzwischen ausreichend über die Anatomie des menschlichen Knies informiert sein. Inzwischen weiß man sogar, dass das Knie ein Kollateralband besitzt. An dem ist Mario Gomez nämlich im Moment verletzt.

Er trainiert, er trainiert nicht, er trainiert … Seit Monaten dringen über den Fußball-Nationalspieler aus Florenz ständig wechselnde Nachrichten nach Deutschland. Die entscheidende Meldung aber hat bisher gefehlt: Er spielt. Mario Gomez hat ein verlorenes erstes Jahr in der Serie A hinter sich. Seit seiner ersten Knieverletzung Mitte September kam er nur zehn Mal für den AC Florenz zum Einsatz, ein einziges Mal blieb er die vollen 90 Minuten auf dem Platz. Und daran wird sich womöglich auch nichts mehr ändern. „Ich befürchte, dass wir Mario bis Ende der Saison nicht mehr sehen werden“, hat sein Klubtrainer Vincenzo Montella verkündet. Den WM-Chancen des Stürmers ist das nicht unbedingt zuträglich.

Löw steht vor einer kniffligen Rechenaufgabe

Heute Mittag (12.30 Uhr, Live-Übertragung bei N24) wird Bundestrainer Joachim Löw in der DFB-Zentrale in Frankfurt am Main seinen vorläufigen Kader für die Weltmeisterschaft in Brasilien bekannt geben. Bis zu 30 Spieler kann er benennen, aus denen er erst am 2. Juni sein endgültiges 23-Mann-Aufgebot bestimmen muss. Dass Löw diesen Rahmen voll ausschöpft, ist schon deshalb zu erwarten, weil in seinem Kader noch zu viele Unwägbarkeiten stecken. Eine derart knifflige Rechenaufgabe hat er schon lange nicht mehr gestellt bekommen: Wie viele Rekonvaleszenten und Spieler ohne Rhythmus verträgt der Kader, ohne dass er Gefahr läuft, zu kollabieren?

Hinzu kommt, dass Löw heute neben seinem WM-Aufgebot auch noch einen profanen Länderspielkader für das Freundschaftsspiel gegen Polen am Dienstag kommender Woche benennen muss. Zwischen beiden Kadern wird es nur geringe personelle Überschneidungen geben: Wegen des DFB-Pokalfinales fehlen in Hamburg sämtliche Bayern- und Dortmund-Spieler; entschuldigt sind außerdem Mesut Özil, Per Mertesacker und Lukas Podolski, die mit dem FC Arsenal im Endspiel des FA-Cups stehen, sowie Sami Khedira (Real Madrid), Miroslav Klose (Lazio Rom) und Mario Gomez, weil in Spanien und Italien die Saison erst eine Woche später endet als in der Bundesliga.

Die Ausnahmen von der Fitness-Regel

Möglicherweise finden sich im Kader für das Spiel gegen Polen ein paar junge Talente, die von den Personalproblemen der richtigen Nationalspieler kurzfristig noch profitieren und eine Woche später mit ins Trainingslager nach Südtirol reisen dürfen. Die beiden Schalker Leon Goretzka und Max Meyer zum Beispiel. Dass Löw gegen Polen ein besseres Perspektivteam aufbieten muss, ist jedenfalls weit weniger problematisch als die Suche nach der richtigen Zusammensetzung seines WM-Kaders.

Schon Ende vergangenen Jahres hat der Bundestrainer verkündet, er werde nur Spieler mit nach Brasilien nehmen, die über einen ausreichenden Spielrhythmus verfügen. Löw spricht gerne von der Urkraft, auf die sich seine Mannschaft in Brasilien einstellen müsse. Auch deshalb hat er gleich mehrmals verkündet: „Wir brauchen absolut fitte Spieler.“ Wenn er seine eigenen Worte ernst nimmt, müssten einige etablierte Kräfte durch das Raster fallen: Mario Gomez als Allererster, Benedikt Höwedes, der seit Mitte März kein Bundesligaspiel mehr bestritten hat, Sven Bender, der seit Ende Februar fehlt, und auch Marcell Jansen. Dass dessen Hamburger Kollegen René Adler und Heiko Westermann derzeit nicht WM-tauglich sind, ist weniger eine Frage der Fitness als der sportlichen Qualität.

Die Rigorosität in Löws Worten liegt auch in seiner eigenen Erfahrung begründet. 2008, bei seinem ersten Turnier als Bundestrainer, absolvierte Christoph Metzelder sein persönliches Rehaprogramm während der EM-Spiele – es trug nicht unbedingt zur Stabilität der deutschen Abwehr bei. Vier Jahre später machte Löw den gleichen Fehler wieder, als er auf den angeschlagenen Bastian Schweinsteiger setzte und Mario Götze in seinen Kader berief.

Eine Ausnahme wird es allerdings auch diesmal wieder geben. Für Sami Khedira gelten Löws strenge Regeln nur bedingt. Der Mittelfeldspieler hat am Wochenende knapp sechs Monate nach seinem Kreuzbandriss wieder im Kader von Real Madrid gestanden, trotz der langen Pause wird er in Brasilien dabei sein. „Es gibt natürlich immer den einen oder anderen Spieler, der einen Mehrwert für die Mannschaft hat, auch wenn er nur zu 80 oder 90 Prozent fit ist“, hat Löw gesagt. Ähnliches gilt vermutlich auch für Miroslav Klose, der kurz vor der WM 36 wird und eine Saison mit vielen Pausen und wenig Rhythmus hinter sich hat; der aber auf seiner Position keine echte Konkurrenz hat. Viel mehr Ausnahmen wird der Bundestrainer allerdings schon deshalb nicht machen können, weil es sonst keine Ausnahmen mehr sind.

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