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Es wird eng. Bei der Eröffnungsfeier der WM 2006 in München mussten nur 32 Fahnen im Innenraum Platz finden. 2026 werden es 16 mehr sein.

© dpa

Fußball-WM-Planungsexperte: Turnier der 48: "Vielleicht ist dieses System nachhaltiger"

Stefan Klos war mit seiner Agentur in die Planung der WM's 2006, 2010 und 2022 eingebunden. Im Interview erzählt er, was das neue Turnierformat bedeutet.

Herr Klos, Sie planen für Ausrichter Olympische Spiele und Fußball-Weltmeisterschaften. Was bedeutet da die Aufstockung der WM auf 48 Mannschaften?

Ich gehe da ja nicht ideologisch ran. Man muss sich ein bisschen von der Arroganz verabschieden, dass der Fußball ein europäischer oder südamerikanischer Sport ist. Der Fußball gehört der Welt und damit kann man nicht sagen, dass nur die etablierten Mannschaften da spielen dürfen. Ich habe aber grundsätzlich ein Problem damit, wenn die Anforderungen bei Olympischen Spielen und Fußball-Weltmeisterschaften Länder und Kommunen mit Infrastruktur überfordern, die dort nicht gebraucht wird. Und diese Gefahr ist natürlich umso größer, je mehr Mannschaften teilnehmen.

Also überfordert diese WM den Ausrichter auch mehr als jemals zuvor.

Das muss nicht so kommen. Der detaillierte Spielplan liegt ja noch nicht vor. Es soll aber weiter im Zeitraum von einem Monat gespielt werden, zirka 30 Tage, mit sieben Spielen für den Turniersieger und in weiterhin maximal zwölf Stadien. Jetzt ist muss die Fifa nachweisen, dass das auch wirklich geht.

Wie muss sie das tun?

Die begrenzende Größe ist die Belastung des Rasens, also wie viele Spiele mit wie wenig Pause hält das Spielfeld aus? Bislang hat man gesagt, 72 Stunden muss der Rasen ruhen. Es gibt Beispiele mit 48 Stunden. Wenn man darunter geht, riskiert man schlechten Rasen und ungleiche Bedingungen. Das könnte wiederum zu verstärkten Investitionen führen. Man müsste den Rasen entweder zwischendurch austauschen oder das Schalke-Modell mit Wechselrasen nehmen oder aufwendige Technik einbauen, um den Rasen in den Ruhezeiten zu düngen, zu gießen und zu belichten. Das braucht man ja alles in einem normalen Ligaspielbetrieb nicht in diesem Ausmaß.

Warum sagen Sie dennoch, dass die WM die Ausrichter nicht überfordern müsse?

Wenn die Fifa einen intelligenten Plan hat, entsteht auf der Stadionseite nicht mehr Infrastruktur, auch nicht auf der Verkehrsseite. Man bringt die gleiche Anzahl von Menschen zu den Stadien hin und wieder weg. Das einzige, was sich wirklich erhöht, ist die Anzahl der benötigten Teamquartiere und Trainingsplätze. Das führt zu einer größeren geografischen Ausweitung, sodass sich entweder nur sehr große Länder bewerben oder eben mehrere zusammen. Vielleicht ist dieses System sogar eher noch nachhaltiger.

Warum?

Weil es vermeidet, dass man in einem Land Kapazitäten schafft, die man mit dem Ligabetrieb nicht auslasten kann. Bislang hat man bei einer WM zwölf Stadien mit einer durchschnittlichen Kapazität von 47 000 Zuschauern. Und es gibt keine Liga der Welt, die auf diesen Zuschauerschnitt kommt, nicht einmal die Bundesliga, die liegt knapp darunter. Die meisten anderen liegen sogar weit darunter. Mehr-Nationen-Bewerbungen könnten also tatsächlich zu weniger Überkapazitäten führen. Die meisten Fußballnationen haben in der Regel nur drei, vier, fünf Klubs, die regelmäßig Stadien mit mehr als 50 000 Zuschauern füllen können. Der Rest füllt sie nur, wenn diese großen Klubs zu Gast sind.

Stefan Klos, 41, ist Geschäftsführer der Agentur Proprojekt in Frankfurt am Main, die unter anderem an den Planungen der Fußball-WM’s 2006, 2010 und 2022 beteiligt war.
Stefan Klos, 41, ist Geschäftsführer der Agentur Proprojekt in Frankfurt am Main, die unter anderem an den Planungen der Fußball-WM’s 2006, 2010 und 2022 beteiligt war.

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Welche Ideen hätten Sie für die vielen benötigten Teamquartiere und Trainingsplätze?

Länder mit einer guten Fußball-Infrastruktur wie Deutschland haben natürlich mehr als genug gute Plätze und in der Nähe auch immer ein Hotel oder Teamquartier. Was manche als Campo Bahia im Kopf haben, das WM-Quartier der Nationalelf in Brasilien, gilt ja nicht für alle 48 Mannschaften. Es gibt auch große Mannschaften, die ganz normal ins Hotel gehen und dieses Hotel nicht mal exklusiv belegen. Aber vielleicht muss man auch über günstigere Lösungen nachdenken, modular, über eine Zwischennutzung von Appartements wie im Olympischen Dorf.

Ist die Zwei-Länder-WM in Japan und Südkorea vorbildhaft?

Ja. Dieses Thema ist auch viel weniger schwierig als bei Olympia. Bei Olympia macht es einen Riesenaufwand, weil es um die Einreiseformalitäten und Visa von viel mehr Akkreditierten und auch um die Einfuhrbedingungen von Tieren und Sportwaffen geht. Bei einer Fußball-WM ist es dagegen praktisch egal, ob die Spielstätten in einem oder zwei Ländern sind. Das Problem ist eher das Gemeinschaftsgefühl. Bei der Euro 2020 in 13 Nationen werden wir im Prinzip einfach Länderspiele erleben und weniger Identifikation nach innen beziehungsweise das Image nach außen, so wie wir es bei der Fußball-WM 2006 erleben durften.

Ein Turnier in mehreren Ländern kann auch längere Reisen für Mannschaften und Fans bedeuten. Muss man das in Kauf nehmen?

Nicht unbedingt. Das gilt ja nur für kleinere Länder. Wenn Sie 2018 in Russland von Sotschi nach St. Petersburg fahren, könnten Sie genauso gut 2026 von Madrid nach Stockholm reisen.

Was denken Sie über den Hauptvorwurf zur 48er WM, er werde zum Qualitätsverlust des Turniers führen?

Das ist glaube ich eine historisierende Verklärung. So wie früher alle Weihnachten weiß waren, so waren plötzlich auch die Vorrunden vergangener Turniere total spannend. Bei der Euro 2016 fand ich die Spiele mit den kleinsten Mannschaften am aufregendsten. Mit den Isländern zum Beispiel.

Die wären doch auch in einem 16er Feld dabei gewesen.

Richtig. Aber Island und Wales sind kleine Mannschaften und gerade kleinen Mannschaften wird jetzt vorgeworfen, sie würden die Vorrunde langweilig machen. Das war bei der Euro ganz und gar nicht der Fall.

Chancen sehen Sie mit dem großen Turnier außer der von Ihnen genannten Nachhaltigkeit?

Dass man neuen Nationen eine Bühne bieten kann, um den Fußball in ihrem Land populärer zu machen und damit langfristig international eine höhere Qualität bekommt. Das sieht man gerade an Ländern wie Katar und China, die Ambitionen haben, da hin zu kommen. Sie investieren in den Fußball, betreiben Nachwuchsförderung, machen Austauschprogramme und nehmen plötzlich auch die sozialen Effekte des Fußballs mit, nicht nur die Fernseheinnahmen.

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