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11 Freunde Freitags: Große Verlierer

Für Argentinien wird’s schwer, Frankreich und Portugal kämpfen. Eine Erinnerung an ruhmreiche Teams, die gescheitert sind in der WM-Qualifikation

1954 Spanien

Von einem Schulbub rausgeschmissen

In den frühen Fünfzigerjahren war so eine WM-Qualifikation noch eine bequeme Angelegenheit. Spanien etwa musste nur zwei Spiele bestreiten – gegen die Türkei, damals noch ein Fußball-Entwicklungsland. Nach einem ungefährdeten 4:1 in Madrid flogen die Spanier reichlich überheblich zum Rückspiel. Zur Reisegesellschaft gehörte Ladislav Kubala, der sich auch Ladislao oder Laszlo nannte und eine ziemlich einzigartige Karriere als Nationalspieler vorweisen konnte. Kubala hatte erst für die Tschechoslowakei und dann für Ungarn gespielt, war 1949 nach Spanien geflohen und hatte beim FC Barcelona angeheuert. Ungarn protestierte gegen Kubalas Einbürgerung, aber zunächst scherte sich niemand darum. Die hochnäsigen Spanier verloren 0:1 in Istanbul, und weil das Torverhältnis keine Rolle spielte, kam es drei Tage später zu einem Entscheidungsspiel in Rom. Kaum waren die Spanier eingetroffen, erreichte sie ein Telegramm, unterzeichnet vom „Generalsekretariat der Fifa“. Die Spanier mögen doch bitte von einem Einsatz Kubalas absehen. Der Favorit lief also am 17. März 1954 ohne seinen besten Spieler auf und erreichte nur ein 2:2. Dabei blieb es auch nach der Verlängerung, und weil die Zeit noch nicht reif war für ein Elfmeterschießen, musste das Los entscheiden. Ein römischer Schuljunge zog es, mit verbundenen Augen, und darauf stand: „Türkei“. Trauer legte sich über Spanien, aber sie schlug schnell in Wut um, als eine Nachfrage ergab, dass niemand bei der Fifa ein Telegramm in Sachen Kubala verfasst hatte. Der Urheber ist bis heute unbekannt.

1970 Argentinien

Fair is foul and foul is fair

Argentiniens Leumund war in den Sechzigerjahren denkbar schlecht. Bei der WM 1966 in England hatten die Südamerikaner wild um sich getreten, und nach den Weltpokal-Spielen zwischen dem Europapokalsieger und dem Gewinner der Copa de Libertadores war das Bulletin der europäischen Vereinsärzte meist interessanter als der Spielbericht. „Fair play ist eine Erfindung der Engländer“, sagte Carlos Bilardo, damals Nationalspieler und später Weltmeistertrainer von 1986. Die WM 1970 hatte aus Sicht der Argentinier denkbar schlecht begonnen. Eigentlich hatten sie das Turnier ausrichten wollen, aber die Fifa entschied sich für Mexiko. Gleich die ersten beiden Qualifikationsspiele in Bolivien und Peru gingen verloren. Ein 1:0 gegen Bolivien aber ließ für das letzte Spiel am 31. August 1969 gegen Peru alles offen. Ein Sieg musste her, um ein Entscheidungsspiel zu erreichen, und die Argentinier wählten als Schauplatz die „Bombonera“, das stimmungsvolle Stadion der Boca Juniors, das noch jeden Gegner eingeschüchtert hatte. Trainer der Argentinier war Adolfo Pedernera, ein Held vergangener Tage, der für Bocas Erbfeind River Plate gespielt hatte. Ein schlechtes Omen für ein schlechtes Spiel. Oswaldo Ramirez schoss zwei Tore für Peru, erst kurz vor Schluss gelang Argentinien der 2:2-Ausgleich. Auf dem Platz rauchte Trainer Pedernera erst schweigend eine letzte Zigarette und trat dann zurück.

1974 England

Als Welt und Uhr stillstanden

Noch nach dem Viertelfinal-Aus bei der WM in Mexiko hatte Englands Trainer Alf Ramsey behauptet: „Wir haben nichts zu lernen von Brasilien.“ Das glaubten die Engländer bis zum letzten Qualifikationsspiel für Deutschland ’74, als es in Wembley gegen Polen um alles oder nichts ging und England nach dem 0:2 im Hinspiel siegen musste. Polen aber ging durch Jan Domarski 1:0 in Führung und verließ sich auf den großartigen Torhüter Jan Tomaszewski, den die Engländer vorher als Zirkusclown mit Handschuhen verspottet hatten. In Wembley hielt der Clown alles bis auf Allan Clarkes Elfmeter. Danach aber passierte nicht mehr viel, was auch dran lag, dass die Uhr von Ramsey stehen geblieben war. Der englische Trainer wähnte noch reichlich Zeit zu spielen, als er fünf Minuten vor Schluss das erste Mal auswechselte. Es blieb beim 1:1, Polen fuhr zur WM, und die „Sun“ sah „das Ende der Welt“ gekommen.

1994 Frankreich

Scheitern als Chance

Vier Jahre vor der WM daheim wollten sich die Franzosen in den USA schon mal einspielen für das Unternehmen Titelgewinn. Bei zwei noch ausstehenden Heimspielen musste in der Qualifikation nur noch ein Punkt her. Doch erst gab es ein unfassbares 2:3 gegen Israel, und zum Ausklang kamen die Bulgaren nach Paris. 48 000 Zuschauer kamen am 17. November 1993 in den Prinzenpark, und sie wähnten sich nach einer halben Stunde erlöst, als Eric Cantona seine Mannschaft in Führung schoss. Doch nicht der Weltstar von Manchester United wurde zum Helden dieses Abends, sondern ein Bulgare, der ein Jahr später zu Bayern München wechseln sollte. Emil Kostadinow schaffte fünf Minuten nach Cantonas Tor den Ausgleich, und die Franzosen wurden immer nervöser. Es liefen die letzten Sekunden der Nachspielzeit, da schlug Kostadinow ein zweites Mal zu. 2:1, Schluss, Aus, Frankreich raus. Die Franzosen schlichen erst weit nach Mitternacht aus dem Stadion, Trainer Houllier flüchtete sich auf den Posten des Sportdirektors. Seine segensreichste Tat war die Verpflichtung des neuen Trainers Aimé Jacquet, der zwar im Dauerkrieg mit den französischen Zeitungen stand, die Mannschaft aber vier Jahre später zum Weltmeister machte.

2002 Niederlande

Ohne Holland fahrn wir ...

Louis van Gaal definierte ein ihm angemessenes Ziel, als er im Jahr 2000 seinen Job als Trainer der niederländischen Nationalmannschaft antrat: „Ich will Weltmeister werden.“ Mit großartigen Fußballspielern wie Ruud van Nistelrooy, Patrick Kluivert oder Marc Overmars klang das so unrealistisch nicht. Vor einen Triumph in Yokohama aber hatte die Fifa das Qualifikationsspiel in Irland gesetzt. Die Holländer hatten vier Punkte gegen Portugal und zwei gegen Irland gelassen, sie mussten also in Dublin unbedingt gewinnen. Im Stadion an der Landsdown Road machten sie am 1. September 2001 eines ihrer besseren Spiele in dieser Qualifikationsrunde (am selben Tag spielten die Deutschen in München gegen England, aber das ist in diesem Zusammenhang nicht weiter von Belang). Pausenlos berannten die Holländer das irische Tor, und als Mitte der zweiten Halbzeit Irlands Verteidiger Gary Kelly vom Platz flog, da schien der Weg frei zu sein für den selbst ernannten WM-Favoriten. Zehn Minuten später fiel dann auch ein Tor. Jason McAteer schoss es für die dezimierten Iren. Dabei blieb es, auch bei Platz drei hinter Portugal und Irland in der Qualifikation. Van Gaal trat zurück, eine der besten Mannschaften der Welt blieb beim Turnier der Besten zu Hause und inspirierte einen Barden namens „Helmut aus Mallorca“ zu einem Lied, das unter den deutschen Fans zum Sommerhit avancierte: „Ohne Holland fahrn wir zur WM!“

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