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Führt Ball und Spieler. Khedira erhielt für seinen Auftritt Lob vom Bundestrainer. Foto: dpa

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3:0 gegen Ungarn: Nur wenig Aufschluss

Zwischen den in der Qualifikation knapp gescheiterten Ungarn und den ohne drei potenzielle Stammspieler angetretenen Deutschen bestand am Samstag ein so nicht erwarteter Klassenunterschied.

Hätte ja auch schiefgehen können gegen die Ungarn. So wie im Juni 2004, als deren Trainer noch Lothar Matthäus hieß und derselbe aufgeplustert wie ein Pfau über den Betzenberg stolzierte, nach einem 2:0 über die deutsche Mannschaft, die sich hatte einspielen wollen für die Europameisterschaft in Portugal. Das Ende der Geschichte ist bekannt. Deutschland reiste schon nach der Vorrunde heim, Teamchef Rudi Völler warf seinen Job hin und wurde nur deshalb nicht beerbt vom fortschrittsfeindlichen Otto Rehhagel, weil der gerade keine Lust hatte.

Wer mag so weit noch zurückdenken, nach dem 3:0 am Samstag im vorletzten Testspiel vor der Weltmeisterschaft in Südafrika? Wie viel sich in der deutschen Nationalmannschaft getan hat, zeigt auch der Vergleich mit den Ungarn. 20 000 Zuschauer dösten in dieser lauen Frühlingsnacht im halbleeren Ferenc-Puskas-Stadion vor sich hin. Zu deutlich waren die Gewichte verteilt, als dass sich ein spannendes Spiel hätte entwickeln können. Zwei Wochen und einen Tag vor dem ersten WM-Spiel gegen Australien fiel der deutsche Sieg eher noch zu knapp aus. Als Joachim Löw etwas Nettes sagen sollte zu dem hoffnungslos unterlegenen Gegner, wirkte er sehr viel hilfloser als zuvor seine Spieler auf dem Rasen. Der Bundestrainer rang nach Formulierungen, er sprach von Jugend und Perspektive und lobte dann doch nur die angenehme Atmosphäre in Budapest. Zwischen den in der Qualifikation knapp gescheiterten Ungarn und den vom WM-Trainingslager ausgezehrten und ohne drei potenzielle Stammspieler angetretenen Deutschen bestand am Samstag ein so nicht erwarteter Klassenunterschied.

Deutschlands Fußball hat an Struktur und Stabilität gewonnen seit jenem Kaiserslauterer Offenbarungseid 2004. Damals hatten Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski debütiert, beide 19 Jahre jung und so etwas wie ein Versprechen auf eine Zukunft, an die niemand so recht glauben wollte. Zwei Europameisterschaften und eine Weltmeisterschaft später ist die deutsche Mannschaft ohne Schweinsteiger kaum mehr vorstellbar und ein Länderspiel gegen Ungarn immerhin gut genug, um dem kriselnden Podolski als therapeutische Maßnahme zu dienen. Der Kölner schoss ein Tor (wenn auch nur vom Elfmeterpunkt) und durfte 90 Minuten lang durchspielen, zum Schluss sogar auf der strategisch anspruchsvollen Position im defensiven Mittelfeld.

Bastian Schweinsteiger begibt sich am Montag in Südtirol wie seine Münchner Klubkollegen Philipp Lahm, Thomas Müller und Jörg Butt ins Mannschaftstraining, es ist ein Tag, den Joachim Löw herbeigesehnt hat. „Endlich können alle zusammen trainieren“, sagte Löw und freute sich über „die vielen guten Dinge, die ich vor allem in der ersten Halbzeit gesehen habe, die schönen Kombinationen, das kompakte Spiel in der Defensive“, und das ohne die geschonten Stammspieler Schweinsteiger und Lahm sowie den offensiven Allrounder Müller, die große Entdeckung dieser Saison. In der Besetzung des Sonntags werden die Deutschen bei der Weltmeisterschaft nicht auflaufen, auch deswegen taugte die Nacht von Budapest nur bedingt zur Einstimmung auf das, was kommen wird in Südafrika. Die Kunst des Bundestrainers wird darin liegen, das Positive nicht zu ernst zu nehmen, das Negative aber als Warnung zu verstehen.

So imponierend es auch wirkte, wie selbstverständlich Sami Khedira im Mittelfeld seinen Führungsanspruch demonstrierte – bei einer Weltmeisterschaft herrschen andere Rahmenbedingungen, und der Schatten des verletzten Kapitäns Michael Ballack ist lang. „Wir haben viele gute Spieler, aber die haben nicht allzu viel Erfahrung. Wie sie bei der WM reagieren, wissen wir noch nicht. Einige werden uns überraschen, andere nicht“, sagte Löw zu der Perspektive seiner verjüngten Mannschaft im Allgemeinen. Zu Khedira im Besonderen fand er ausschließlich positive Worte: „Sami ist dazu in der Lage, eine gute WM spielen, er ist ein Leader, ein guter Organisator.“ Am späten Donnerstagabend wir der Bundestrainer schlauer sein, nach dem letzten WM-Test gegen Bosnien-Herzegowina in Frankfurt, wo Khedira das zentrale Mittelfeld erstmals gemeinsam mit dem neuen, heimlichen Chef Bastian Schweinsteiger verantworten darf.

Wahrscheinlich wird es Löw am Donnerstag auch wieder mit Miroslav Klose versuchen. Er kann ja gar nicht anders, wenn er in Südafrika von der Turniererfahrung seines der Statistik nach erfolgreichsten Stürmers profitieren will. Klose braucht die Spielpraxis, die er beim FC Bayern nicht bekommen hat. Wie dringend er diese Praxis braucht, war am Samstag nicht zu übersehen. Wenn es gegen die unbedarften Ungarn nicht einmal zu einer halben Torchance reicht, muss das den Bundestrainer bedenklich stimmen. „Es wird schwer für Miro“, sagte Löw, „er muss im Training arbeiten, um sich das Selbstbewusstsein zu holen, das ein Stürmer braucht, aber dafür hat er ja noch Zeit.“ Nach dem Spiel gegen die Ungarn blieben Klose noch zwei Wochen und ein Tag.

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