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Er hat es wieder allen gezeigt. Joachim Löws Taktik gegen Argentinien ging voll auf.

© rtr

Argentinien - Deutschland 0:4: Einfach Wahnsinn!

Deutschland schlägt Argentinien im WM-Viertelfinale sensationell 4:0. Miroslav Klose schießt seine WM-Tore Nummer 13 und 14 und hat nun genauso viele wie Gerd Müller - und sogar Arne Friedrich trifft.

Was soll eigentlich noch passieren, wenn selbst das Unmögliche möglich wird? 76 Länderspiele hat der Verteidiger Arne Friedrich für die deutsche Nationalmannschaft bestritten, nie hat er getroffen, lässt man das Eigentor für die Färöer im Jahr 2002 einmal außer Acht. Im Viertelfinale der Weltmeisterschaft gegen Argentinien und gegen Diego Maradona erzielte der frühere Berliner Friedrich eine knappe Viertelstunde vor Schluss nach einem genialen Solo von Bastian Schweinsteiger sein erstes Länderspieltor. Auf den ersten Blick war es kein besonders wichtiges mehr. Es war das 3:0 für die Deutschen – doch es war der Treffer, der den Widerstandswillen der Argentinier endgültig zum Erliegen brachte. Was für eine Mannschaft, was für ein Turnier! 4:0 (1:0) gegen Argentinien, einen der großen Favoriten auf den Titel. Dazu zählen nun mehr denn je auch die Deutschen, die bei ihrer 17. Teilnahme an einer WM-Endrunde zum zwölften Mal unter den besten vier stehen.

„Das ist die härteste Niederlage meines Lebens", sagte Maradona. "Das war ein Tiefschlag. Der Traum ist zu Ende." Seiner Mannschaft habe es an Kreativität gefehlt. "Ich weiß nicht, was morgen mit mir passiert. Aber ich möchte, dass der argentinische Fußball wieder zur vollen Blüte gelangt.“ Die lyrische Ankündigung eines Rücktritts? Maradonas Gegenspieler Joachim Löw blickte anders in die nähere Zukunft: "Jetzt sind wir unter den besten Vier der Welt, aber da gehört diese Mannschaft auch hin", sagte Löw.

Für die Deutschen verlief alles nach Wunsch: Besser kann ein K.-o.-Spiel nicht beginnen als das Viertelfinale der Deutschen gegen Argentinien. Zwei Minuten waren gespielt, als die Mannschaft von Bundestrainer Joachim Löw an ihrer linken Flanke einen Freistoß zugesprochen bekam. Eigentlich ist das kein Grund zu großer Sorge, Standards sind die große Schwäche der Nationalmannschaft. Doch diesmal fand Bastian Schweinsteigers Hereingabe den Kopf von Thomas Müller, der erwischte Argentiniens Torwart Sergio Romero auf dem falschen Fuß und traf zum 1:0. Wenn selbst die unmöglichen Dinge funktionieren, sollte das doch ein gutes Zeichen sein.

„Das ist Wahnsinn, was hier abgelaufen ist“, sagte Thomas Müller nach dem Abpfiff. „Deutschland bebt gerade – und das völlig zu Recht.“ Im März, bei der 0:1-Niederlage gegen Argentinien, hatte der Münchner sein Länderspieldebüt gegeben, inzwischen zählt er zu den auffälligsten Spielern der Deutschen. Das 1:0 gegen Argentinien war bereits sein vierter WM-Treffer – und zugleich das schnellste Tor bei dieser Weltmeisterschaft. Im Halbfinale allerdings fehlt Müller. Für ein Handspiel sah er seine zweite Gelbe Karte im Turnier, er ist nun gesperrt.

Diego Maradona auf der argentinischen Bank musste sich zum ersten Mal mit seinen Assistenten zur Beratung zurückziehen. Das musste sein Widerpart Joachim Löw zunächst nicht. Sein Plan sah so aus: erst ab der Mittellinie attackieren, den Raum verknappen und Lionel Messi vor allem dadurch aus dem Spiel zu nehmen, indem er erst gar keine Bälle bekommt. Und das funktionierte anfangs hervorragend. Argentiniens Nummer 10 musste teils weit in die eigene Hälfte zurück, damit er überhaupt am Geschehen teilhaben konnte. Die Deutschen blockierten geschickt die Passwege, gewannen viele zweite Bälle und hatten zu Beginn ihrerseits bei eigenem Ballbesitz erstaunlich große Freiräume.

Nach etwas mehr als 20 Minuten vergab Miroslav Klose in seinem Jubiläumsspiel die große Chance zum 2:0. Nach einer scheinbar endlosen Ballstafette stahl sich Müller in den argentinischen Strafraum, seinen Rückpass aber hebelte Klose über die Latte.

Die Argentinier kamen erst nach einer halben Stunde etwas besser ins Spiel. Manuel Neuer bekam den ersten Ball auf sein Tor, der Schuss von Angel di Maria stellte jedoch noch keine allzu große Gefahr dar. Zwei Minuten später wurde es bereits etwas kritischer. Gonzalo Higuain drehte seinen Gegenspieler Arne Friedrich ein, schoss auf den kurzen Pfosten, doch Neuer lenkte den Ball zur Ecke. Wiederum nur zwei Minuten darauf jubelten die Argentinier dann – allerdings nur kurz. Higuain feierte seinen fünften Turniertreffer vergebens, Lionel Messi hatte zuvor deutlich im Abseits gestanden.

Die Deutschen versäumten es in dieser Phase, entschlossener auf ein zweites Tor zu spielen. Anstatt ihre Angriffe entschieden zu Ende zu spielen, versuchten es die Spieler immer wieder mit Weitschüssen aus der Zone kurz vor dem Strafraum. Der Ertrag war gering. Zehn Schüsse verzeichnete die Statistik in der ersten Hälfte, nur einer flog auf das argentinische Tor – Müllers Kopfball zum 1:0 nach zwei Minuten.

Nach der Pause drängten die Argentinier noch stärker. Deren individuelle Offensivqualitäten kamen nun besser zur Geltung und konnten von den Deutschen nicht mehr so geschickt unterbunden werden wie in der Anfangsphase. Direkt nach Wiederanpfiff verfehlte di Maria mit einem Fernschuss nur knapp das deutsche Tor.

Joachim Löw ruderte an der Seitenlinie, weil seine Mannschaft nach abgefangenen Angriffen immer wieder zu schnell den Ball verlor. Das Geschehen ging in dieser Phase hin und her, die Argentinier aber waren dem Ziel immer ein Stückchen näher als die Deutschen, Manuel Neuer sammelte nun fleißig Ballkontakte – doch dann zeigte die deutsche Elf wieder das, was man ihr in ihrer Jugendlichkeit am wenigsten zugetraut hätte: eine erstaunliche Abgebrühtheit. Nach einem überlegten Querpass von Lukas Podolski musste Klose den Ball nur noch zum 2:0 ins leere Tor schieben. Die wichtigere Vorarbeit aber hatte Thomas Müller geleistet: Im Sitzen hatte er den vorentscheidenden Steilpass auf Klose gespielt.

Knapp 20 Minuten waren noch zu spielen, doch bevor die Argentinier, die zuvor alle vier WM-Spiele gewonnen hatten, ihren Druck entscheidend erhöhen konnten, kam Arne Friedrich – und bei Diego Maradona flossen zum ersten Mal die Tränen. „Ich habe nicht damit gerechnet, dass ich überhaupt noch ein Tor schieße“, sagte Friedrich. Miroslav Klose erhöhte in der Schlussphase nach einem Konter auf 4:0 und damit zum höchsten Sieg überhaupt gegen die Südamerikaner. Der Titelfavorit Argentinien war gestern. Und nun? „Es ist vieles drin“, sagte Joachim Löw. „Wir dürfen jetzt emotional nicht überdrehen. Aber die Mannschaft hat es in der Hand, was ganz Großes zu gewinnen.“ Inzwischen ist das alles andere als eine unzulässige Übertreibung.

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