zum Hauptinhalt
Ein Mann, ein Trauma. Diego Maradona wirkte an der Linie genauso hilflos wie seine Spieler auf dem Platz.

© AFP

Ausgeschieden: Argentinien verkommt zur Zirkusnummer

Maradonas Name warf Glanz auf Südafrika, doch sein Einfluss als Trainer ist mit Schuld daran, dass eine der größten Attraktionen des Turniers zu einer Zirkusnummer in einem ungleichen Kampf degradiert wurde.

Diego Maradona ertrug das Unheil an vorderster Front. An der Kreidelinie vor seiner Trainerbank, mit bestem Blick auf den schwarzen Wirbelsturm, der über seine Mannschaft hinwegfegte und nur noch Rudimente übrig ließ von dem, was einmal der Stolz der argentinischen Nation war. Als es endlich vorbei war, blieb er mannhaft stehen und herzte jeden seiner überforderten Spieler. Bevor noch so etwas wie eine Diskussion aufkommen konnte über die Diskrepanz zu dem, was seine Stars im Alltag im Verein und an den Festtagen in der Nationalmannschaft zur Aufführung bringen, schritt Maradona ein und machte das Desaster gegen die Deutschen zu seinem ganz persönlichen: „Das ist die schwerste Niederlage meines Lebens, ein Schlag mitten ins Gesicht. Das ist ungefähr genauso schlimm wie der Tag, an dem ich aufgehört habe Fußball zu spielen.“

Was immer man über den Trainer Diego Maradona sagen mag, über seine Fähigkeit, eine Mannschaft ihren Stärken entsprechend aufzustellen, sie mit einem Konzept auszustatten und mit den Grundbegriffen moderner Organisation vertraut zu machen – was immer man also schlechtes über Diego Maradona sagen kann, ein Feigling ist er nicht. Damit ist aber auch schon alles Gute gesagt über den prominentesten WM-Teilnehmer. Maradonas Name warf Glanz auf Südafrika, doch sein Einfluss als Trainer ist mit Schuld daran, dass eine der größten Attraktionen des Turniers zu einer Zirkusnummer in einem ungleichen Kampf degradiert wurde. Joachim Löw erlaubte sich in einer ersten Analyse die despektierliche Bemerkung, ihm sei lange vor dem Viertelfinale aufgefallen, dass diese argentinische Mannschaft in zwei Teilmannschaften zerfällt: „Vier, fünf Spieler arbeiten in der Defensive, aber dafür bringen sie nach vorne nichts. Und die anderen, die in der Offensive Gefahr schaffen können, die arbeiten nicht so gerne nach hinten.“

Dass eine derart organisierte Mannschaft auf höchstem internationalen Niveau schwerlich konkurrenzfähig sein kann, wäre ein schönes Prüfungsthema für einen ambitionierten Kreisligatrainer. Als ein argentinischer Reporter Maradona auf die Zwei-Mannschaften-In-Einer-Theorie ansprach, gab dieser zurück, der Fragesteller könne sich mit seinem Projekt gerne an den argentinischen Verband wenden, „die werden sich bestimmt dafür interessieren“. Er selbst hatte genug damit zu tun, die Hingabe und den Stolz seiner Spieler zu loben. In seiner Retrospektive lag der Grund des Übels im frühen 0:1, „wir wussten doch, wie die Deutschen spielen, aber danach haben wir es ihnen zu einfach gemacht. Sie hatten gute Ideen, wir nicht. Aber das Ergebnis spiegelt nicht das wider, was auf dem Platz geschah“.

Wie es nun weiter geht? „Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht, aber wer immer mir folgt, wird mit dieser Mannschaft einen guten Weg zurücklegen.“ Das telefonierten die argentinischen Reporter schnell als Ankündigung eines Rücktritts in die Heimat, aber diesen nachrichtlichen Scoop mochte Maradona seinen Feinden auf der anderen Seite des Absperrgitters dann doch nicht gönnen. Also ließ er die Meute mit den Mikrofonen wissen, es sei „jetzt nicht an der Zeit, über die Zukunft zu reden“. Die Gegenwart ist schlimm genug und Argentinien ein Land, „in dem wir Fußball leben und atmen“. Nur gespielt haben sie ihn nicht, am Samstagnachmittag im Green-Point-Stadion zu Kapstadt.

Zur Startseite