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An der Pfeife der Beste.

© AFP

Sport: Englands Ehrenmann

Nach der EM 2008 erhielt er Morddrohungen – nun darf Howard Webb das Endspiel pfeifen

Der polnische Ministerpräsident Donald Tusk und der niederländische Fußballtrainer Leo Beenhakker haben eines gemeinsam: Sie gelten als Gentlemen. Doch ein Mann hat es geschafft, sie alle Manieren vergessen zu lassen: Howard Webb.

Der englische Schiedsrichter wird heute das WM-Finale leiten. Doch 2008 pfiff er im EM-Gruppenspiel einen umstrittenen Elfmeter gegen Polen. Österreich glich zum 1:1 aus. Danach stampfte Polens Trainer Beenhakker fluchend durch die Wiener Stadionkatakomben und brüllte: „Englischer Schiedsrichter! Verdammte Schweinerei!“ Premier Tusk giftete nach dem Spiel Richtung Webb: „Ich wollte jemanden umbringen, wie alle Polen.“ Auch die Österreicher waren unzufrieden, denn Polens 1:0 war ein Abseitstreffer gewesen.

Es war der tiefste Punkt in Webbs mittlerweile 17-jährigen Refereekarriere – vor den Augen seines Vaters, ebenfalls Schiedsrichter und als Zuschauer auf der Tribüne. Nach dem Spiel von Wien erhielt Howard Webb Morddrohungen. Polnische Zeitungen druckten Todesanzeigen für ihn und im Internet kursierten Videos, die ihn als Hitler zeigten. Die Familie des Berufspolizisten stand unter Polizeischutz, während Webb in der Kabine tief getroffen in sich zusammensackte. Das EM-Turnier war für ihn nach der Vorrunde beendet, enttäuscht schickte ihn die Uefa nach Hause. Das alles ist zu sehen in der Schiedsrichter-Doku „Referees At Work“, die die Uefa vor einem Monat veröffentlichte und in der Webb eine der Hauptfiguren ist (im Internet ist die Doku zu sehen unter www.myvideo.de/fussball-film).

Doch der 39-Jährige erholte sich schnell wieder. Als einer der wenigen Profischiedsrichter – Webb ließ sich für fünf Jahre von seinem Job als Polizei-Sergeant freistellen – konzentrierte sich der bullige Glatzkopf ganz auf seine Leistungen. Im Mai leitete er souverän das Champions-League-Finale zwischen Bayern und Inter. Bei der WM agierte er in den Spielen Spanien - Schweiz, Italien - Slowakei und Brasilien - Chile nahezu fehlerfrei. Zur Belohnung darf er nun als erste Engländer seit 1974 ein WM-Finale pfeifen.

Doch in der Stunde seines größten Triumphes kommt erneut Kritik auf. „Er hat ja nicht mal seinen eigenen Kinder unter Kontrolle“, sagte seine Ehefrau im Frühstücksfernsehen, „ich weiß nicht, wie er das auf dem Platz hinbekommt.“ Dominik Bardow

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