zum Hauptinhalt
Fabio Cannavaro beendet nach der WM seine Karriere in der Squadra Azzura.

© AFP

Italiens Kapitän: Fabio Cannavaro: Im Puzzle fehlt ein Teil

Italiens Kapitän Fabio Cannavaro wird in der Heimat schon verspottet. Das Spiel gegen die Slowakei ist so wichtig für ihn, weil es sein letztes sein könnte.

Shane Smeltz wollte das Souvenir unbedingt. Weil die Nummer 9 von Neuseeland wusste, dass so ein Moment nie wiederkommen würde, eilte der Nobody nach dem Abpfiff sofort auf den Mann zu, dessen Fehler er am Anfang des Spiels zur zwischenzeitlichen Führung Neuseelands genutzt hatte. Ganz der Gentleman, gab Fabio Cannavaro sein azurblaues Trikot her. Einen kräftigen Händedruck wollte Smeltz noch, dann machte sich der Stürmer im Mbombela Stadion von Nelspruit mit seinem Erinnerungsstück davon, während die Fernsehkameras den Fokus auf den muskulösen Oberkörper des italienischen Kapitäns richteten. So lange, dass die Schriftzüge der vielen Tätowierungen des 36-Jährigen detailliert erkennbar wurden, die ausgeprägten Schultern, der mächtige Brustkorb, den die Nummer 5 der Squadra Azzurra beim Mannschaftsbild vorstreckt wie kein Zweiter.

Solche Bilder aber taugen nur noch als tapfere Relikte einer vergangenen Ära: An Cannavaro nagt der Zahn der Zeit, dabei hat man ihn 2006 in Deutschland noch mit dem Kosenamen „Berliner Mauer“ versehen. 2010 gehen Fotos aus Südafrika um die Welt, die Italiens Rekordnationalspieler hilflos am Boden liegend zeigen. Gegen Neuseeland unterlief dem einst so unfehlbaren Zerstörer der nächste Patzer, schon beim 1:1 gegen Paraguay hatte er das erste Gegentor durch ein verweigertes Kopfballduell begünstigt. Als „lebende Ansammlung von Fehlern“, bezeichnet ihn „Tuttosport“, was der in seinem Stolz gekränkte Cannavaro so nicht gelten lassen will. „Okay, auch diesmal ist alles meine Schuld“, sagte er ironisch. Gewiss, nach 135 Länderspielen, 78 davon als Kapitän, kann man Respekt erwarten, doch seine Leistung ist derzeit zu dürftig, um kritikfrei über die Runden zu kommen. Die Erinnerung an diesen jenen einstigen Weltfußballer des Jahres verschwimmt, der am 9. Juli 2006 den WM-Pokal in goldenen Konfettiregen reckte und nicht 1,76 Meter, sondern 7,60 Meter groß schien.

Inzwischen ist der Abwehrriese von damals zum Abwehrzwerg geschrumpft; zwischen Berlin und Johannesburg liegen nicht nur rund 9000 Kilometer, sondern auch vier Jahre. Selbst für seine Bewunderer ist offensichtlich, dass Cannavaro nicht mehr so hoch springt, nicht mehr so gut steht, nicht mehr so entschlossen grätscht. Früher räumte er rigoroser auf als ein Dutzend Türsteher, heute verschreckt er nicht mal mehr die Halbwüchsigen aus Paraguay oder Neuseeland.

>Seine Frau und drei Kinder sollen mit, wenn Papa Fabio sich den Karriereausklang bei Al Ahli in Dubai bestens bezahlen lässt. Aber werden sie dort auch einen abgetakelten Altmeister mit Kusshand empfangen, der sich gerade vor der Weltöffentlichkeit blamiert hat? Und: Cannavaro hat das Ende seiner Karriere in der Nationalelf bereits angekündigt. Deshalb kommt dem Showdown gegen die Slowaken, den Italien heute in Johannesburg gewinnen muss, auch für ihn eine hohe Bedeutung zu: Es könnte sein letztes Spiel werden.

Als Hobby gibt Cannavaro ein Faible fürs Puzzlen an. Ein letztes Teil sollte eigentlich sein Gastspiel beim SSC Neapel sein, er wollte neben seinem Bruder Paolo in seiner Heimatstadt spielen. Doch obwohl Cannavaros Autobiografie „Von den Gassen Neapels bis aufs Dach der Welt“ heißt, wollte Napoli-Präsident Aurelio De Laurentiis ihn für diesen Sommer nicht zurückholen. Der Mann ist Filmproduzent. Und so einer weiß, dass im richtigen Leben nicht viele Stars mit einem Happy End von der Weltbühne scheiden. Erst recht nicht große Fußballer mit fast 37.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false