zum Hauptinhalt
298384_0_58f88a24.jpg

© ddp

MIchael Ballack: Seine letzte Schleife

Michael Ballack will mit dem Nationalteam endlich einen großen Titel gewinnen. Er braucht das Team und das Team braucht ihn. Gegen Südafrika bestreitet er am Freitag sein 94. Länderspiel.

Am Donnerstagabend endete eine große deutsche Fußballkarriere in einem Restaurant. Bernd Schneider, der weiße Brasilianer aus Thüringen, hatte prominente Teile der Nationalmannschaft zu einem Ausstandsessen bei einem Italiener geladen. Es soll ein netter Abend gewesen sein, wie Joachim Löws Assistent Hansi Flick gestern zu berichten wusste. Der beinahe schon ewige Schneider soll eine bewegende Rede gehalten haben, wie stolz er immer gewesen sei, für Deutschland zu spielen.

Bernd Schneider also, die deutsche Antwort auf Ronaldinho, hat den Absprung geschafft. Wenn auch nicht ganz freiwillig. Eine folgenschwere Verletzung im vorigen Jahr war ihm dazwischengekommen. Jetzt, zehn Jahre nach seinem Debüt in der Auswahl beim Confed-Cup 1999 in Mexiko, geht nach 81 Einsätzen für Deutschland eine bedeutende Karriere zu Ende – titellos, aber in Frieden. Und genau das hat er seinem Freund und längsten Wegbegleiter im deutschen Dress voraus. Michael Ballack, auch schon bald 33, treibt ein letztes Ziel weiter an: Der Kapitän der deutschen Elf muss einen großen Titel gewinnen. Vorher kommt er nicht zur Ruhe. Und so geht der einzig verbliebene Nationalspieler, der noch jenseits der Jahrtausendwende debütiert hat, in seine letzte Schleife. Heute wird er die deutsche Elf in Leverkusen gegen Südafrika aufs Feld führen, in seinem 94. Länderspiel. Der Titel bei der WM 2010 ist sein Antrieb. Er will den Vorwurf des ewigen Zweiten abstreifen.

Michael Ballack hat damals wenige Monate vor Bernd Schneider in der Auswahl debütiert, im April 1999. Ballack wurde WM-Zweiter 2002 und EM-Zweiter 2008, er verlor zwei Finals der Champions League, 2002 mit Leverkusen und 2008 mit dem FC Chelsea. Dazwischen liegen ein paar verlorene aber auch gewonnene deutsche Meisterschaften, doch der große internationale Titel fehlt. Nur deshalb ist zu verstehen, weshalb er sich die Nationalmannschaft noch antut. Er könnte sich auf Chelsea und die Champions League konzentrieren. Doch seit gestern, seitdem die Fifa dem Londoner Klub für zwei Perioden jedwede Transfers untersagt hat, sind die Chancen auf den wertvollsten Titel für sie nicht gerade gestiegen. „Das ist natürlich ein Hammer, diese drastische Strafe“, sagte Ballack. Wenn es bei der Strafe bliebe, dürfte der FC Chelsea, bei dem Ballack bis 2010 unter Vertrag steht, keine neuen Spieler verpflichten. An die Konsequenzen mochte er gestern noch nicht denken.

Seiner Position schaden dürfte das allerdings nicht. Weder beim Klub noch in der Auswahl. Es ist nicht eindeutig, wer eigentlich wen mehr braucht: Ballack die Nationalmannschaft oder umgekehrt? Ballack bleibt die zentrale Leitfigur in Löws Planungen auf die bevorstehende WM. „Michael ist mit seiner Klasse und seiner Erfahrung als Kapitän in der Hierarchie der Mannschaft weiter ganz oben, klar“, sagte Löw jüngst. Für Mario Gomez etwa ist Ballack „der große Leader unseres Teams“, und Hansi Flick sagte gestern: „Es ist klasse, wie er sich ins Team einbringt. Er ist ein wahrer Käpt’n.“

Nun, das hört sich alles sehr schön und harmonisch an, dabei ist es gar nicht so lange her, dass derselbe Käpt’n ein paar verbale Rempeleien innerhalb der ansonsten heilen Welt ausgelöst hatte. Besonders nach dem verlorenen EM-Finale 2008 war es zu Zwistigkeiten zwischen Ballack und der sportlichen Leitung gekommen. Erst war er mit Manager Oliver Bierhoff aneinandergeraten, es folgte eine Kritik an der Personalentscheidung des Bundestrainers, und im Frühjahr dieses Jahres, beim Qualifikationsspiel in Wales, landete plötzlich die Hand von Lukas Podolski im Gesicht des Anführers.

Teile der Öffentlichkeit hatten bereits Ballacks Stellung im Team ins Trudeln kommen sehen. „Das Verhältnis ist gut. Es gab ein paar Reibungspunkte, was auch ganz gut war, aber diese sind ausgeräumt“, sagte Ballack gestern.

In Wirklichkeit verhält es sich wohl wie in einer Zweckgemeinschaft. Die Nationalelf und Ballack brauchen sich gegenseitig. Zwar rücken jetzt auch wieder ein paar veranlagte Spieler wie Mesut Özil nach, aber ein Ballack in derzeitiger Form (vier Spiele, zwei Tore für Chelsea) ist nicht ersetzbar – noch nicht.

Das weiß auch der Bundestrainer. Joachim Löw ist sich bewusst, dass Ballack durch sein Siegtor gegen Österreich bei der EM 2008 die Deutschen vor einer Blamage und ihm den Job gerettet hat. Und auch ein Erfolg bei der WM am Kap erscheint ihm mit Ballack weit realistischer. Das Ziel also eint Deutschland und Ballack. Einen besseren Ausstand könnte es kaum geben. Bernd Schneider würde bestimmt gern vorbeischauen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false