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Schiedsrichter Koban Coulibaly brachte die US-Boys mit seinen Entscheidungen an den Rand der Verzweiflung.

© dpa

Schiedsrichter in der Kritik: Fehlentscheidungen am laufenden Band

Die Schiedsrichter trafen bei einer WM selten so viele folgenschwer-falsche Entscheidungen hat Tagesspiegel-WM-Reporter Sven Goldmann festgestellt. Auch die deutsche Mannschaft haderte gegen Serbien mit dem Unparteiischen.

Scharf und flach flog der Ball von der rechten Seite in den Strafraum. Slowenische Verteidiger zerrten und schubsten und rempelten, drei von ihnen legten beide Arme um ihre amerikanischen Gegenspieler, aber die Pfeife des Schiedsrichters blieb stumm. Aus dem Hintergrund stürmte Maurice Edu heran, er war als Einziger nicht verwickelt in das allgemeine Knäuel und nutzte diese Bewegungsfreiheit zum 3:2-Siegtreffer. Es war dann nur ein vermeintlicher Siegtreffer, denn jetzt pfiff der Schiedsrichter, nicht etwa gegen die zerrenden Slowenen, sondern gegen die jubelnden Amerikaner. Warum Koban Coulibaly aus Mali dem Tor seine Anerkennung verweigerte, blieb sein Geheimnis. „Wir haben ihn gefragt, aber er hat uns ignoriert“, erzählte Stürmer Landon Donovan.

Coulibalys finaler Fehler war der bislang letzte in der wenig schmeichelhaften Bilanz, die die Schiedsrichter nach dem ersten WM-Drittel vorzuweisen haben. Südafrikas Trainer Carlos Alberto Parreira wütete über die Rote Karte gegen seinen Torhüter Itumeleng Khune, Nigeria fühlte sich beim 1:2 gegen Griechenland betrogen, die Deutschen zweifelten nach Gelb-Rot gegen Miroslav Klose am Sinn internationaler Standards. Nach einer gefühlten Statistik hat es bei einem internationalen Turnier lange nicht mehr so viele folgenschwer-falsche Entscheidungen gegeben. (Über Rot für Australiens Harry Kewell am Sonntag gegen Ghana kann man streiten.)

Es zählt zu den amerikanischen Eigenarten, Sport vor allem mit Zahlen zu erklären. Football wäre nicht Football und Baseball nicht Baseball ohne die endlosen Statistiken. Im Fußball ist das im Allgemeinen nicht möglich, im Besonderen aber schon. So legte weltfussball.de eine überaus interessante Statistik über den Spanier Alberto Undiano vor. Nein, nicht aus dem bemerkenswert friedlichen Spiel der Deutschen gegen Serbien, als er neun Gelbe Karten verteilte, davon zwei für Miroslav Klose. Es geht vielmehr um die Bilanz des Señor Undiano in Spanien in der vergangenen Saison. 17 Mal durfte er in der Ersten Liga an die Pfeife, was er weidlich ausnutzte, zu achtzig Gelben, sechs Gelb-Roten und fünf Roten Karten. Insgesamt leitete er 170 Spiele in der Primera Division und zeigte 815 Gelbe, 29 Gelb-Rote und 17 Rote Karten. Worldreferee.com hat bei seinen 48 internationalen Partien 202 Gelbe Karten gezählt.

Auch dem Weltverband Fifa dürfte diese Neigung bekannt gewesen sein. Dass Undiano dennoch für die WM nominiert wurde, lässt sich als Zeichen besonderer Strenge interpretieren. Als Signal an die Spieler für verschärfte Ahndung jeglicher Verstöße – auch solcher, die nach den Maßstäben anderer Ligen gar keine sind. „Wenn es in jedem Spiel eine Rote Karte gibt, zerstört das den Fußball“, sagte der Münchner Bastian Schweinsteiger. „In der Champions League würde man darüber lachen.“ Und doch hatten auch die Deutschen einen Auffrischungskurs in Sachen Regelkunde von einem Fifa-Delegierten. Eine Stunde Zeit habe dieser mit den Spielern verbracht und auch Videos gezeigt, in denen dargestellt wurde, „was wird wie bestraft“, sagte Bundestrainer Joachim Löw.

Über die Kriterien für die Nominierung der WM-Schiedsrichter ist nur bekannt, dass Leistung und Herkunftsland nicht völlig außen vor sind. Eine offizielle Stellungnahme zu Undiano gibt es bisher nicht und wird es wohl auch nicht geben. Im Zweifelsfall hat die FIFA die Verantwortung noch immer an sein pfeifendes Personal delegiert. Als die Fußballwelt darüber diskutierte, ob Didier Drogba gegen Portugal mit seiner umstrittenen Armschiene spielen dürfe, schob der Weltverband die Entscheidungsgewalt an den uruguayischen Schiedsrichter Jorge Larrionda ab.

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