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Der Weltmeister ist raus, die Italiener können die Tränen nicht zurückhalten.

© dpa

Slowakei - Italien 3:2: Spätrömische Dekadenz: Der Weltmeister ist raus

Fußball-Weltmeister Italien verliert 2:3 gegen WM-Debütant Slowakei, scheidet in der Vorrunde aus - und wird Gruppenletzter hinter Neuseeland. Nach Frankreich verabschiedet sich auch der zweite WM-Finalist von 2006.

Der Mann hat einfach Stil. So cool wie Marcello Lippi nach dem Sieg seiner Mannschaft im WM-Finale 2006 war, so regungslos blieb er nun auch bei deren Untergang. Angesichts des Titelgewinns war sein emotionalster Ausbruch das Anstecken eines Zigarillos bei der Siegerehrung gewesen. Diesmal nahm er mit der Langmut des langjährigen Trainers alle Schuld am frühen Ausscheiden des italienischen Teams auf sich und erklärte: „Die Mannschaft war psychologisch nicht ausreichend auf das Match vorbereitet, dafür übernehme ich die volle Verantwortung.“

Es bedarf schon einiger Chuzpe, als Trainer des Titelverteidigers jede Verantwortung von einem Team zu nehmen, das im entscheidenden Vorrundenspiel gegen die Slowakei zeitweise mit sieben Mitgliedern der Weltmeisterelf von 2006 auf dem Platz gestanden hatte. Lippis Team war nach einer spektakulären Schlussphase der Slowakei 2:3 (0:1) unterlegen und verabschiedete sich ohne einen Sieg nach der Gruppenphase aus dem Turnier. Als amtierendem Weltmeister war das zuletzt 2002 den Franzosen passiert.

Der Spielverlauf im Johannesburger Ellis Park hatte allerdings auch nachhaltig Zweifel daran aufkommen lassen, dass das italienische Team überhaupt ernsthaft erwog, das Achtelfinale zu erreichen. Die Italiener verlegten sich arrogant auf reine Spielkontrolle.

Nach dem blamablen 1:1 gegen Neuseeland hatte Lippi zwei Größen aus dem WM-Kader von 2006 zurück ins Team beordert: Statt Claudio Marchisio sollte Routinier Gennaro Gattuso dem defensiven Mittelfeld mehr Stabilität verleihen. Für Alberto Gilardino lief Antonio Di Natale auf der linken Seite der italienischen Offensive auf.

Doch auch die Routiniers waren nicht in der Lage, den Mangel an Spielwitz und Inspiration zu kompensieren. Die Ereignisarmut beider Teams kommentierten die 53 413 Zuschauer bereits nach einer Viertelstunde mit der Welle. Aus der Lethargie auf dem Platz befreite nach 24 Minuten der Ex-Nürnberger Robert Vittek zumindest die Slowaken. Einen Fehlpass von Daniele De Rossi nahm Jurai Kucka auf, der spielte steil auf Vittek, der frei vor Keeper Federico Marchetti noch einschieben musste. Die Italiener rückten auch in der Folge nur sehr langsam von ihrem defensiven Spiel ab. Keinem ihrer Akteure gelang es, mit einer guten Idee das Spiel zu beleben. Im Gegenteil: Die slowakische Mannschaft kam zu weiteren Möglichkeiten. Auf der Videotafel im Stadion erschien immer wieder das Antlitz von Gianluca Buffon, dem verletzten Stammtorhüter, der zusehends an Edvard Munchs Gemälde „Der Schrei“ erinnerte und damit der italienischen Misere unfreiwillig ein Gesicht gab.

In der zweiten Hälfte kam mit Andrea Pirlo ein weiterer Oldie von 2006 ins Spiel, was die Offensivbemühungen der Italiener zumindest intensivierte. Doch die Slowakei blieb mit Kontern stets gefährlich. In der 72. Minute war es erneut Vittek, der eine Flanke von Kapitän Marek Hamsik zum 2:0 verwandelte. In der Schlussphase überschlugen sich die Ereignisse. Di Natale gelang in der 81. Minute der Anschluss. Der eingewechselte Fabio Quagliarella glich zwei Minuten später aus – dachten alle. Sein Treffer wurde aber wegen Abseits nicht anerkannt.

Stattdessen erhöhte der gerade ins Spiel gekommene Kamil Kopunek in der 89. Minute auf 3:1. Quagliarella gelang in der Nachspielzeit von 6:25 Minuten noch einmal der Anschluss. Letztlich aber blieb es beim verdienten 3:2-Sieg für die Slowakei, die bei ihrer WM-Premiere somit gleich das Achtelfinale erreichen konnten. Die Freude im Lager des Underdogs war entsprechend überschäumend. Die italienischen Profis dagegen waren in Sekundenschnelle in den Katakomben verschwunden. Einige weinten hemmungslos.

Marcello Lippi ist es nicht gelungen, einem Kader mit vielen Weltmeistern Teamgeist einzuhauchen und ihn um ausreichend junge Spieler zu ergänzen. „Es war schrecklich, mitansehen zu müssen, dass die Mannschaft das Spiel weder in den Köpfen noch in den Beinen und im Herzen getragen hat“, sagte er. Seinen Abschied als Nationaltrainer hat er bereits im Dezember angekündigt. Als er nach der Pressekonferenz von seinem Stuhl aufstand, lag auf seinem Gesicht wieder diese stolze Leichtigkeit – wie damals, nach dem WM-Sieg. Sein Team hatte es ihm wahrlich leicht gemacht, ohne Wehmut aus dem Amt zu scheiden.

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