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Deutsch-türkische Fans feuern beim Halbfinale der Europameisterschaft 2008 beide Mannschaften an.

© dpa

Türkische Fußballfans: „Die Deutschen sind schon besser geworden“

Die türkischen Fußballfans haben bei der EM 2008 den Deutschen gezeigt, wie richtig gefeiert wird. Bei der WM wollen sie die Nationalelf ihrer "zweiten Heimat" unterstützen.

Die zwei Jungs Mete (12) und Mert (14) sind begeisterte Fußballspieler und –fans. Natürlich besitzen sie je ein Deutschland- und ein Türkei-Trikot. Für die Fußballweltmeisterschaft werden die Geschwister nur das erste aus dem Schrank holen, die Türkei ist in der Qualifikation rausgeflogen. Doch das sei kein Problem, sagt ihr Vater Ali Otman. "Wir haben uns, auf gut Deutsch, zu Tode geärgert, dass die türkische Mannschaft nicht bei der WM mitspielt", erzählt er und lacht, "doch dann fiebern wir bei Deutschland mit, so denkt mein ganzer Freundeskreis."

Nach dem Halbfinale der Europameisterschaft vor zwei Jahren jubelten deutsche, türkische und deutsch-türkische Fans gemeinsam über ihre Mannschaften, in Berlin fand das "deutsch-türkische Sommermärchen" statt. Sofort kam die Frage auf, ob dies ein einmaliges Erlebnis bleibt oder ein Gemeinschaftsgefühl ist, das auch in Zukunft anhält.

Ali Otman, hat hier keine Zweifel: „Bei der vergangenen WM und EM haben die Türken genauso mitgefeiert wie die Deutschen, das wird dieses Mal nicht anders sein.“ In seinem Imbiss „Ottis Grill“ in Alt-Moabit wird deswegen auch dieses Jahr wieder eine Leinwand hängen. Die Hälfte seiner Kunden hätte einen türkischen Hintergrund, da käme gute Stimmung auf. „Natürlich ärgern wir meine deutschen Kunden, wenn die Spieler ein Tor vermasselt haben.“ Zu Otman, der auch stellvertretender Jugendleiter und Trainer im türkischen Fußballverein „Berlin Ankaraspor Kulübü 07“ ist, kommen viele Stammkunden, „die wissen genau, dass wir das nur zum Spaß machen.“ Eine aggressive Stimmung befürchtet er nicht: „Ich übertrage seit zehn Jahren die Spiele und hatte nie eine größere Auseinandersetzung, schließlich ist das auch nur ein Spiel.“

Auch Cumali Kangal, Sportbeauftragter der Türkischen Gemeinde Deutschland, freut sich auf friedliche Spiele. Dass mit Mesut Özil auch ein Spieler mit türkischen Wurzeln bei der deutschen Nationalelf dabei ist, begeistere da noch mehr. „Damit können sich die türkischen Zuschauer natürlich noch besser identifizieren“, sagt Kangal. Dennoch sei ein türkischer Mitspieler kein ausschlaggebender Grund, Fan einer Mannschaft zu werden, sagt Kangal: „Österreich, die Schweiz und Belgien haben auch türkische Nationalspieler, trotzdem sind die Deutsch-Türken nicht sofort Anhänger dieser Mannschaften.“ Für viele sei Deutschland eine zweite oder erste Heimat, da gehöre ein Zusammenhalt einfach dazu.

Genauso sehen das die türkischen Fußballvereine. So stellt etwa der BSV Hürtürkel in seiner Anlage in Neukölln eine Leinwand auf. Schon beim Training achte man auf Integration, sagt Sahinder Öztürk vom Vereinsvorstand: „Beim Training sprechen wir immer deutsch, außerdem reden wir mit den Kleinen etwa über die Feiertage in den verschiedenen Religionen.“ So gehört ein jährliches Osterturnier zum Bestandteil des türkischen Vereins.

„Bei uns hängt im Gebäude auch eine deutsche Flagge.“ Fikret Cemlan vom Regionalligisten Türkiyemspor Berlin findet dies nicht außergewöhnlich. Im Fanclub könnten 200 Zuschauer gemeinsam die Spiele sehen, im Außenbereich sei noch mehr Platz, „schließlich bringen die Spieler gerne ihre Familie mit um gemeinsam zu feiern“.

Das Feiern ist ein besonderes Kapitel im Buch der Fußballbegeisterung. Da hätten die Deutschen etwas von den Türken gelernt, darüber sind sich Ali Otman und Cumali Kangal einig: „Wir Türken feiern ja sehr temperamentvoll“, sagt Otman und grinst. Den Autokorso und das Hupen etwa hätten sich die deutschen von den türkischen Fans abgeguckt, „Die Deutschen sind schon besser geworden“. Kangal erhofft sich noch mehr Spontaneität von der hiesigen Fangemeinde. „Ich verstehe, dass manche sagen, sie haben aufgrund der Geschichte Probleme, die deutsche Flagge zu zeigen. Doch vielleicht sollten sie auch einfach mal Vergangenheit Vergangenheit sein lassen und auf die Straße gehen und ihre Mannschaft feiern.“

Auch Özcan Mutlu, bildungspolitischer Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus, glaubt, dass die Deutschen durch türkische Autokorsos und Hupkonzerte ihr Verhältnis zur Flagge entspannen konnten. „Die Fußballfans sind vielleicht schon weiter als die Politiker. Natürlich können Ali-Normaltürke und Otto Normalverbraucher gemeinsam feiern.“ Von den Politikern, die Menschen gerne in Schubladen steckten, wünsche er sich ein Umdenken, schließlich gebe es „hybride Kulturen“. - „Ich kann ein Mann, religiös und Fußballfan sein, das sind alles Seiten, die ich auslebe.“ Dass die Fans so zusammen feiern, sei eine Frage der Zeit gewesen, auch weil erst spät erkannt wurde, dass die deutsche Einwanderung wie im Alltag genauso in die Nationalmannschaft gehört, meint Mutlu.

Für die WM wünscht sich der Grünenpolitiker faire Spiele. Cemlan von Türkiyemspor hat auch noch trotz der vielen Ausfälle den Sieg im Auge: „Die Jungs sollen den Pokal nach Hause bringen!“

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