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Unser WM-Experte: Der frühere Hertha- und Nationalstürmer Fredi Bobic.

© Kitty Kleist-Heinrich

Unsere WM-Experten: Fredi Bobic: Gefährliche Situation fürs deutsche Team

Nur gut, dass die Weltmeisterschaft nicht in Deutschland, sondern in Südafrika stattfindet, meint unser WM-Experte Fredi Bobic. Bei dieser ganzen Euphorie ums deutsche Team müsste man sonst noch mehr auf die Bremse treten.

Eine gefährliche Situation: Die prächtige Stimmung darf nicht in Selbstzufriedenheit umschlagen, in schwierigen Situationen müssen die Spieler erst noch zeigen, ob sie auch dann abgezockt genug sind.

Doch bei dieser Mannschaft hat man das Gefühl, dass sie die Lage schon gut einordnen kann. Das große Plus ist: Die Mischung stimmt. Es gibt Spieler wie Mesut Özil und Lukas Podolski, die sich keinen großen Kopf machen. Diese Spieler muss man unbekümmert laufen lassen, dann kommen sie zu ihrem Spiel. Auf der anderen Seite sind Akteure mit an Bord, die reflektieren und lenken. Arne Friedrich, Philipp Lahm und Per Mertesacker gehören zu dieser Kategorie – und natürlich Bastian Schweinsteiger.

Absolut beeindruckend war die Szene, als Schweinsteiger nach dem ersten Tor nicht jubelnd abdrehte, sondern sich direkt zu Löw begab, um die taktische Ausrichtung zu besprechen. In solchen Momenten zeigt sich, wie der Junge gereift ist. 2004 habe ich ihn kennengelernt, als er ganz frisch zur Nationalmannschaft hinzukam. Da hatte er noch nicht das große Ganze im Blick, er war sehr verspielt auf dem Platz. Prompt hat Jens Jeremies ihn im Training umgesenst, als Bastian den Ball nicht abgespielt hatte. Das war eine Lektion, die es zu meiner Zeit des Öfteren von den älteren Spielern gab.

Jetzt ist es Bastian, der den Ton angibt. Er ist ein Kopf dieses verschworenen Haufens, in dem das Klima einfach zu stimmen scheint. Nach dem Ausfall von Michael Ballack ist zum einen der ganz große Druck von der Mannschaft genommen worden, man erwartet keine Wunderdinge von ihr. Zum anderen hat dieser Ausfall eine Jetzt-erst-recht- Stimmung ausgelöst.

Ich sehe hier eine Parallele zur Europameisterschaft 1996. Damals fielen Jürgen Kohler, Mario Basler und kurzzeitig auch Jürgen Klinsmann aus, und wir sind als Mannschaft viel enger zusammengerückt. Jeder wurde gebraucht, einer hat sich für den anderen zerrissen. Es entstand eine fantastische Gruppendynamik, die uns durch das gesamte Turnier getragen hat.

Ohne Zweifel wiegt Ballacks Ausfall schwer, doch nun stehen andere in der Verantwortung. Und sie machen ihre Sache gut: frisch, fromm, fröhlich, frei. Thomas Müller hat sein erstes WM-Spiel absolviert, als wäre es ein ganz normaler Bundesligakick gegen Bochum. Ich hoffe, dass dieses Team sich die Unbekümmertheit bewahrt und auch in schwierigen Phasen nicht verkrampft.

Unser WM-Experte Fredi Bobic nahm für Deutschland an der EM 1996 und 2004 teil. Hier kommentiert er im Wechsel mit Marcel Reif, Arnd Zeigler, Philipp Köster und Michael Oenning die WM.

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